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Date de réception
:
25/08/2014

 
Übersetzung 
C-62/14 - 34 
Schriftliche Erklärungen 
Rechtssache C-62/14* 
Schriftstück eingereicht von: 
Republik Polen 
Übliche Bezeichnung der Rechtssache: 
Gauweiler u. a. 
Eingangsdatum: 
18. Juni 2014  
 
 
________________________________ 
* Verfahrenssprache: Deutsch. 
 
DE 

SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
[Staatswappen der Republik Polen] 
Warschau, 18. Juni 2014  
AN DEN PRÄSIDENTEN UND DIE MITGLIEDER 
DES GERICHTSHOFS DER EUROPÄISCHEN UNION 
SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN 
DER REPUBLIK POLEN 
abgegeben gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union 
im Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache 
C-62/14 
Gauweiler u. a. 
(nationales Gericht: Bundesverfassungsgericht – Deutschland) 
 
Bevollmächtigter der Republik Polen: 
 
Bogusław Majczyna 
Zustellungsanschrift: 
 
Ministerstwo Spraw Zagranicznych 
 
al. J. Ch. Szucha 23 
 
00-580 Warszawa – POLEN 
[Or. 2] 
 
Inhaltsverzeichnis 
 
I. SACHVERHALT UND VORLAGEFRAGEN ................................................... 3 
II. STELLUNGNAHME DER REPUBLIK POLEN .............................................. 6 
II.1. Fragen 1a und 1b ....................................................................................... 6 
II.1.1. Währungspolitik der Europäischen Union ......................................... 6 
II.1.2. Ziel des OMT-Beschlusses ................................................................... 7 
II.1.3. Angemessenheit und Erforderlichkeit ................................................ 9 
II.1.4. Selektivität .......................................................................................... 12 

 

GAUWEILER U. A. 
II.1.5. Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die 
Marktmechanismen ...................................................................................... 14 
II.1.6. Verknüpfung mit den ESM- und EFSF-Programmen .................... 15 
II.1.7. Finanzielles Risiko ............................................................................. 16 
II.1.8. Fehlendes Risiko der Umgehung der Bedingungen der 
EMS- und EFSF-Programme ...................................................................... 17 
II.2. Fragen 1b und 2b ..................................................................................... 18 
II.2.1. Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung der 
Mitgliedstaaten .............................................................................................. 18 
II.2.2. Handeln im Rahmen des Mandats der EZB als 
Bedingung für die Vereinbarkeit des OMT-Beschlusses mit 
Art. 123 AEUV .............................................................................................. 20 
II.2.3. Unbegrenztheit des OMT-Beschlusses als 
Wirksamkeitsvoraussetzung der Intervention der EZB .............................. 21 
III. ENTSCHEIDUNGSVORSCHLAG ................................................................ 22 
 
[Or. 3] 
I. SACHVERHALT UND VORLAGEFRAGEN 

Das Vorabentscheidungsersuchen des deutschen Bundesverfassungsgerichts 
(BVerfG) in der Rechtssache C-62/14, Gauweiler u. a., betrifft die Gültigkeit des 
Beschlusses des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 6. September 
2012 über den endgültigen  und unbegrenzten Erwerb von Anleihen  einiger 
Staaten  des Euroraums (Technical  features of Outright Monetary Transactions
(OMT-Beschluss). 

Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht  in dieser Rechtssache wurde 
durch eine Verfassungsbeschwerde  in Gang gesetzt, die von  deutschen 
Staatsangehörigen  gegen die Mitwirkung  der Deutschen Bundesbank an der 
Umsetzung des OMT-Beschlusses  und  gegen die  Untätigkeit  der  deutschen 
Bundesregierung  und des Deutschen Bundestags  gegenüber  diesem  Beschluss 
(Unterlassen der Erhebung  einer Nichtigkeitsklage beim Gerichtshof der 
Europäischen Union) erhoben wurde. 

Nach Auffassung der Beschwerdeführer ist  der OMT-Beschluss  nicht vom 
Mandat der EZB gemäß den Art. 119 und 127 des Vertrags über die Arbeitsweise 
der Europäischen Union (AEUV) sowie den Art. 17 bis 24 des Protokolls über die 
Satzung des ESZB und der EZB gedeckt, da die darin angekündigte Intervention 
die Zuständigkeit der EZB überschreite. Nach Ansicht der Beschwerdeführer kann 
der in dem OMT-Beschluss angekündigte endgültige Erwerb von Staatsanleihen 
nicht der  Währungspolitik  zugeordnet werden,  er  sei vielmehr ein Element der 
Wirtschaftspolitik, die in die  Zuständigkeit  der Mitgliedstaaten falle.  Nach 
Auffassung der Beschwerdeführer verstößt der OMT-Beschluss zudem gegen das 
 
 


SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
in  Art. 123 AEUV verankerte Verbot  monetärer  Haushaltsfinanzierung  der 
Mitgliedstaaten durch die Zentralbanken. 

Die EZB vertritt den  Standpunkt, der OMT-Beschluss  sei  von ihrem Mandat 
gedeckt  und  verstoße  auch  nicht gegen das Verbot monetärer 
Haushaltsfinanzierung. Nach Ansicht der EZB wird ihr währungspolitischer Kurs 
in den  Staaten des Euroraums  nicht mehr angemessen umgesetzt, da der 
währungspolitische Transmissionsmechanismus gestört sei, insbesondere sei das 
Verhältnis zwischen den Leitzinsen der Zentralbank und dem Zinsniveau auf dem 
Markt  beeinträchtigt.  Ziel  des OMT-Beschlusses sei die  Neutralisierung 
unbegründeter Unterschiede der Zinssätze in den einzelnen Mitgliedstaaten, dies 
sei von der Währungspolitik umfasst und überschreite  daher nicht die 
Zuständigkeiten der EZB. [Or. 4] 

Das Bundesverfassungsgericht hat angenommen, dass die Entscheidung über die 
Beschwerde von der Auslegung des Rechts der Europäischen Union abhänge, und 
hat dem Gerichtshof die folgenden Fragen vorgelegt: 
1.  a) 
Ist der Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. 
September 2012 über Technical features of Outright Monetary Transactions mit 
Art. 119 und Art. 127  Abs. 1 und 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der 
Europäischen Union sowie mit Art. 17 bis 24 des Protokolls über die Satzung des 
Europäischen Systems der Zentralbanken und der  Europäischen Zentralbank 
unvereinbar, weil er über das in den genannten Vorschriften geregelte Mandat 
der Europäischen Zentralbank zur Währungspolitik hinausgeht und in die 
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten übergreift? 
Ergibt sich eine Überschreitung des Mandates der Europäischen Zentralbank 
insbesondere daraus, dass der Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank 
vom 6. September 2012 
aa)  an wirtschaftspolitische Hilfsprogramme der Europäischen 
Finanzstabilisierungsfazilität oder des Europäischen 
Stabilitätsmechanismus anknüpft (Konditionalität)? 
bb)  den Ankauf von Staatsanleihen nur einzelner Mitgliedstaaten vorsieht 
(Selektivität)? 
cc)  den Ankauf von Staatsanleihen der Programmländer zusätzlich zu 
Hilfsprogrammen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität oder des 
Europäischen Stabilitätsmechanismus vorsieht (Parallelität)? 
dd)  Begrenzungen und Bedingungen der Hilfsprogramme der Europäischen 
Finanzstabilisierungsfazilität oder des Europäischen 
Stabilitätsmechanismus unterlaufen könnte (Umgehung)? 

 

GAUWEILER U. A. 
b)  Ist der Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. September 
2012 über Technical features of Outright Monetary  Transactions mit dem in 
Art. 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union 
verankerten Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung unvereinbar? 
Steht der Vereinbarkeit mit Art. 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der 
Europäischen Union insbesondere entgegen, dass der Beschluss des Rates der 
Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012 
aa)  keine quantitative Begrenzung des Ankaufs von Staatsanleihen vorsieht 
(Volumen)? 
bb)  keinen zeitlichen Abstand zwischen der Emission von Staatsanleihen am 
Primärmarkt und ihrem Ankauf durch das Europäische System der 
Zentralbanken am Sekundärmarkt vorsieht (Marktpreisbildung)? 
cc)  es zulässt, dass sämtliche erworbenen Staatsanleihen bis zur Fälligkeit 
gehalten werden (Eingriff in die Marktlogik)? 
dd)  keine spezifischen Anforderungen an die Bonität der zu erwerbenden 
Staatsanleihen enthält (Ausfallrisiko)? [Or. 5] 
ee)  eine Gleichbehandlung des Europäischen Systems der Zentralbanken mit 
privaten und anderen Inhabern von Staatsanleihen vorsieht 
(Schuldenschnitt)? 
2.  Hilfsweise für den Fall, dass der Gerichtshof den Beschluss des Rates der 
Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012  über Technical features of 
Outright Monetary Transactions als Handlung eines Organs der Europäischen 
Union nicht als tauglichen Gegenstand eines Ersuchens nach Art. 267  Abs. 1 
Buchst. b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union ansehen 
sollte: 
a)  Sind  Art. 119 und Art. 127 des Vertrages über die Arbeitsweise der 
Europäischen Union sowie Art. 17 bis 24 des Protokolls über die Satzung des 
Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank so 
auszulegen, dass sie es dem Eurosystem – alternativ oder kumulativ – gestatten, 
aa)  den Ankauf von Staatsanleihen von der Existenz und Einhaltung 
wirtschaftspolitischer Hilfsprogramme der Europäischen 
Finanzstabilisierungsfazilität oder des Europäischen 
Stabilitätsmechanismus abhängig zu machen (Konditionalität)? 
bb)  Staatsanleihen nur einzelner Mitgliedstaaten anzukaufen (Selektivität)? 
 
 


SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
cc)  Staatsanleihen von Programmländern zusätzlich zu Hilfsprogrammen der 
Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität oder des Europäischen 
Stabilitätsmechanismus anzukaufen (Parallelität)? 
dd)  Begrenzungen und Bedingungen der Hilfsprogramme der Europäischen 
Finanzstabilisierungsfazilität oder des Europäischen 
Stabilitätsmechanismus zu unterlaufen (Umgehung)? 
b)  Ist  Art. 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union 
mit Blick auf das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung so auszulegen, dass es 
dem Eurosystem – alternativ oder kumulativ – erlaubt ist, 
aa)  Staatsanleihen ohne quantitative Begrenzung anzukaufen (Volumen)? 
bb)  Staatsanleihen  ohne zeitlichen Mindestabstand zu ihrer Emission von 
Staatsanleihen am Primärmarkt anzukaufen (Marktpreisbildung)? 
cc)  sämtliche erworbenen Staatsanleihen bis zur Fälligkeit zu halten (Eingriff in 
die Marktlogik)? 
dd)  Staatsanleihen ohne Mindestanforderung an die Bonität zu erwerben 
(Ausfallrisiko)? 
ee)  eine Gleichbehandlung des Europäischen Systems der Zentralbanken mit 
privaten und anderen Inhabern von Staatsanleihen hinzunehmen 
(Schuldenschnitt)? [Or. 6] 
ff)  durch die Äußerung von Kaufabsichten oder auf andere Weise in zeitlichem 
Zusammenhang mit der Emission von Staatsanleihen von Mitgliedstaaten 
des Euro-Währungsgebietes Einfluss auf die Preisbildung zu nehmen 
(Ermutigung zum Ersterwerb)? 
II. STELLUNGNAHME DER REPUBLIK POLEN 
II.1. Fragen 1a und 1b 
II.1.1. Währungspolitik der Europäischen Union 

Nach Auffassung der Republik Polen ist der OMT-Beschluss vom Mandat der 
EZB gedeckt;  die EZB hat bei dem Erlass dieses Beschlusses auch nicht ihre 
Zuständigkeiten überschritten, die sich aus dem Vertrag und der Satzung ergeben. 

Gemäß Art. 282 Abs. 1 AEUV bilden die EZB und die nationalen Zentralbanken 
der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, das Eurosystem und betreiben 
die Währungspolitik der Union. Der AEUV enthält allerdings keine Definition der 
Währungspolitik,  in seinen Bestimmungen nimmt  er eher auf ihre Ziele als auf 
ihre  Instrumente  Bezug  (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 27. November 2012, 

 

GAUWEILER U. A. 
Pringle, C-370/12, Rn. 53). Insbesondere beschränkt der AEUV die Instrumente 
der Währungspolitik nicht auf die Festsetzung der Höhe der Leitzinssätze oder das 
Halten der Mindestreserven. 

Der Währungspolitik ist Kapitel 2 des Titels VIII des AEUV gewidmet. Gemäß 
der ersten Bestimmung dieses Kapitels (Art. 127 AEUV) ist das vorrangige Ziel 
des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB)  die Gewährleistung der 
Preisstabilität.  Das ESZB ist  zudem  befugt, die Wirtschaftspolitik der 
Mitgliedstaaten zu unterstützen. Unter Berücksichtigung der Systematik des 
AEUV (Art. 127 befindet sich in dem Kapitel „Währungspolitik“) sind zu den 
Instrumenten der Währungspolitik im Sinne des AEUV Instrumente zu zählen, die 
die  Gewährleistung der Preisstabilität  bezwecken, und Maßnahmen, die die 
Wirtschaftspolitik  der  Mitgliedstaaten  unterstützen, soweit  dadurch  die 
Verwirklichung dieses Zwecks nicht beeinträchtigt wird. 

Dieser Schluss findet seine ausdrückliche Bestätigung in Art. 119 Abs. 2 AEUV, 
wonach  die  Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union nach Maßgabe der 
Verträge und der darin vorgesehenen Verfahren die Festlegung und Durchführung 
einer einheitlichen Geld- sowie Wechselkurspolitik umfasst, die beide vorrangig 
das Ziel der Preisstabilität verfolgen und unbeschadet dieses Ziels die allgemeine 
[Or. 7]  Wirtschaftspolitik in der Union unter Beachtung des Grundsatzes einer 
offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb unterstützen sollen. 
10  Zur Währungspolitik im Sinne des AEUV sind also solche Maßnahmen des ESZB 
zu zählen, deren vorrangiges Ziel die Aufrechterhaltung der Preisstabilität im 
Eurosystem ist, und zwar auch dann, wenn sie den Bereich der Wirtschaftspolitik 
berühren. 
11  Die Bewertung, ob das jeweilige Instrument zur Währungspolitik gehört und sich 
damit im Rahmen der Zuständigkeit des ESZB bewegt, muss daher nach Maßgabe 
des Ziels der jeweiligen Maßnahme erfolgen. 
II.1.2. Ziel des OMT-Beschlusses 
12  Aus dem OMT-Beschluss geht hervor, dass sein Ziel in der „Sicherstellung einer 
ordnungsgemäßen geldpolitischen Transmission und der Einheitlichkeit der 
Geldpolitik“ bestand.  Dieses Ziel gehört ohne Zweifel zur  Währungspolitik und 
fällt in die Zuständigkeit  der EZB. Eine  ordnungsgemäße geldpolitische 
Transmission ist nämlich die grundlegende Voraussetzung für die Effektivität der 
Tätigkeit der Zentralbank, die auf die Aufrechterhaltung der Preisstabilität 
gerichtet ist. 
13  Das unmittelbare  Ziel des OMT-Beschlusses  war die Senkung  der  Kreditkosten 
sowohl für öffentliche Institutionen als auch für private Unternehmen. Die 
Beeinflussung des Marktzinsniveaus für Kredite  (und in  der Folge ihrer 
Verfügbarkeit für öffentliche und private Einrichtungen) ist das grundlegende 
Instrument der Währungspolitik sowohl der EZB als auch der nationalen 
 
 


SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
Zentralbanken. Diesem Ziel dient auch das Standardinstrument der 
Währungspolitik, nämlich die Festsetzung der Leitzinssätze durch die 
Zentralbank. 
14  Die  zunehmende  Divergenz  des Zinsniveaus für  Bankkredite  in den einzelnen 
Staaten des Euroraums, die im Zuge der Schuldenkrise im Euroraum auftrat, hatte 
eine Reihe von Ursachen. Zu den Ursachen dieser Divergenz gehörten Probleme 
im Zusammenhang mit der übermäßigen öffentlichen und privaten Verschuldung, 
die sich negativ auf die wirtschaftlichen Wachstumsperspektiven eines Teils der 
Staaten (mit der Folge eines steigenden Kreditrisikos potenzieller Kreditnehmer) 
sowie die finanzielle Lage und die Kosten der Finanzierung der Banken aus diesen 
Staaten auswirkten.  Die  Zunahme dieser  Divergenz  beruhte  aber auch auf dem 
von den  Investoren  wahrgenommenen  Risiko  eines  Auseinanderfallens  des 
Euroraums, u. a. dem sog. Redenominierungsrisiko1 [Or. 8], und den Wirkungen 
einer „Ansteckung“, die als Übertragung finanzieller  Instabilität in einem 
größeren Umfang,  als sich dies aus den normalen Verbindungen  zwischen den 
Märkten/Marktteilnehmern ergäbe, definiert wird. 
15  Das  Ziel des OMT-Beschlusses war die Schaffung eines  Ausgleichs für den 
negativen Einfluss dieser letztgenannten Faktoren auf das Zinsniveau für Kredite 
und damit auf die Verfügbarkeit von Krediten. 
16  Der OMT-Beschluss hatte nicht die Vereinheitlichung des Zinsniveaus  in den 
Staaten des Euroraums zum Zweck. Die Intervention der EZB war auch nicht auf 
die Beseitigung der Unterschiede bei den Anleihepreisen  gerichtet, die sich aus 
der finanziellen und makroökonomischen Lage der Emittenten ergeben 
(Abkopplung der Preise  von den Marktmechanismen  zu ihrer Bildung). Im 
Gegenteil, der OMT-Beschluss  bezweckte die Senkung des Zinsniveaus bei den 
Staatsanleihen einiger Staaten des Euroraums nur insoweit, als die entsprechenden 
Zinsen  auf das Risiko des Auseinanderfallens des Euroraums und die fehlende 
Möglichkeit der Zentralbanken der einzelnen Staaten des Euroraums, auf negative 
Markterscheinungen zu reagieren, zurückzuführen sind. Diese Faktoren können 
nämlich  zum Auftreten von starken Liquiditätsstörungen auf dem Markt der 
Staatsanleihen führen, die zu Zinserhöhungen bei Anleihen und – in Grenzfällen 
nach dem Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung –  zu Zahlungsproblemen 
des öffentlichen Finanzsektors führen können. 
17  Mit dem  OMT-Beschluss  sollten  demnach  überhöhte Zinssätze für Kredite 
gesenkt werden, die in Befürchtungen hinsichtlich  der Zahlungsfähigkeit des 
jeweiligen Staats und der Möglichkeit einer wirksamen Intervention der 
nationalen Zentralbank ihren Ursprung hatten. 
________________________________ 
1  Ein  Zuschlag für das Redenominierungsrisiko  wird von den  Investoren als Ausgleich dafür 
gefordert, dass die von ihnen besessenen Aktiva, die in Euro ausgedrückt sind,  infolge  des 
Verlassens des Euroraums durch das jeweilige Land in einer anderen Währung ausgedrückt 
werden, die der Abwertung unterliegen wird. 

 

GAUWEILER U. A. 
18  Der  OMT-Beschluss  bezweckte  hingegen  nicht  die Beseitigung solcher 
Zinsdivergenzen  bei  Krediten, die ökonomisch  begründet sind und sich aus der 
von  den jeweiligen Staaten  betriebenen Wirtschaftspolitik oder anderen 
makroökonomischen Gegebenheiten ergeben2. 
19  Die Finanzkrise war unzweifelhaft  ein  Ausnahmezustand, während dessen  die 
währungspolitischen Transmissionsmechanismen einer erheblichen Schwächung 
unterliegen konnten. Die Lage auf den Finanzmärkten der von der Krise 
betroffenen Staaten hatte zur Folge, dass die Standardinstrumente  [Or. 9]  der 
Währungspolitik  in Gestalt der  Herabsetzung der  Leitzinsen  nicht den 
gewünschten Effekt hatten. Daher musste die EZB auf das atypische Instrument 
der Outright Monetary Transactions zurückgreifen. 
II.1.3. Angemessenheit und Erforderlichkeit 
20  Der OMT-Beschluss scheint zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und 
erforderlich zu sein. 
21  Die  Lage auf dem Markt  rechtfertigte die Anwendung eines mehr 
„einschneidenden“ währungspolitischen Instruments durch die EZB, selbst wenn 
dadurch  mittelbar  einige Marktmechanismen gestört werden konnten. Die 
Vertiefung der Krise und ihr Übergreifen auf andere Staaten des Euroraums zog 
nämlich 
die Gefahr verstärkter Beeinträchtigungen des 
Transmissionsmechanismus und damit auch der Verringerung des Einflusses der 
EZB auf die Gestaltung der Währungspolitik des Eurosystems nach sich, was zu 
einer erheblichen Preisinstabilität hätte führen können. 
22  Die im OMT-Beschluss vorgesehenen atypischen Maßnahmen der EZB zur 
Steigerung  der Effektivität der Währungspolitik in den Staaten des Euroraums 
waren daher wegen  der  Intensität der Krise und den damit einhergehenden 
Gefahren für die Stabilität des Eurosystems gerechtfertigt. 
23  Die  Outright Monetary Transactions, die den Erwerb und den Verkauf von 
Wertpapieren (u. a.  von Staatsanleihen) umfassen, gehören zu den atypischen 
währungspolitischen Instrumenten, die die EZB und die nationalen Zentralbanken 
gemeinhin nutzen. Die Zulässigkeit der Durchführung dieser Geschäfte durch die 
EZB und die nationalen Zentralbanken ergibt sich aus Art. 18 der Satzung des 
ESZB und der EZB und der  Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 20. 
September 2011 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems 
(Leitlinie der EZB). 
________________________________ 
2  Rede von Benoît Cœuré,  Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, auf der 
Konferenz „The ECB and its OMT Programme“,  die am 2. September 2013 vom Centre for 
Economic Policy Research und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sowie der KfW 
Bankengruppe in Berlin veranstaltet wurde. Einleitende Bemerkungen zur Pressekonferenz (mit 
Fragen und Antworten) von Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, und Vítor 
Constâncio, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Frankfurt am Main, 6. September 2012. 
Abrufbar unter: http://www.ecb.europe.eu. 
 
 


SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
24  Gemäß Nr. 1.3.1 der Leitlinie der EZB spielen Offenmarktgeschäfte eine wichtige 
Rolle in der Währungspolitik  des Eurosystems  bei  der Steuerung der Zinssätze 
und der Liquidität  am Markt sowie der Signalisierung des währungspolitischen 
Kurses. Eine Kategorie der Offenmarktgeschäfte sind die endgültigen Geschäfte 
(outright).  Gemäß Nr. 3.2.1 des Kapitels 3 der Leitlinie werden als  endgültige 
Offenmarkttransaktionen Geschäfte bezeichnet, bei denen das Eurosystem 
notenbankfähige Sicherheiten endgültig (outright) am Markt kauft oder verkauft. 
[Or. 10] 
25  Die  Outright Monetary Transactions  können  also  von der  EZB (und den 
nationalen Zentralbanken) angewandt  werden, um die Liquiditätsstruktur des 
Banksektors im Euroraum oder auch die Struktur der Preise der Aktiva auf den 
Finanzmärkten des Euroraums zu ändern. Eine Änderung der Liquiditätsstruktur 
des Banksektors kann die Entwicklung der Marktzinsen beeinflussen und sich so 
auf die Wirksamkeit der Währungspolitik der Zentralbank auswirken. Ein 
Rückgriff auf diese Instrumente scheint insbesondere in einer Situation 
gerechtfertigt, in der sich das Zinsniveau auf den Finanzmärkten der Staaten des 
Euroraums, u. a. auf den Märkten für Staatsanleihen, auf einem Stand bewegt, der 
die Umsetzung der Ziele der Währungspolitik erschwert. In dieser Situation 
reichen die Standardinstrumente der Währungspolitik nämlich nicht mehr aus, um 
das überhöhte  Zinsniveau  auf dem Markt zu senken und damit zugleich  die 
Liquidität des Finanzmarkts zu erhöhen. 
26  In Staaten mit einem ungestörten währungspolitischen 
Transmissionsmechanismus können die Zentralbanken der mangelnden Liquidität 
durch eine Senkung der Leitzinsen entgegentreten. Die Reduzierung der Zinssätze 
führt grundsätzlich zur Senkung des Zinsniveaus  für  Bank-zu-Bank-Kredite  auf 
dem Markt,  was  den Zugang zu Krediten sowohl für private Kreditnehmer als 
auch für öffentliche Einrichtungen erleichtert. Die Reduzierung der Zinssätze 
bildet einen Eingriff in die Marktmechanismen, da sie dazu führt, dass das 
Zinsniveau für Kredite sich abweichend von den aktuellen Marktbedingungen 
gestaltet. Diese Intervention ist für den Staatshaushalt vorteilhaft, da ihretwegen 
auch das Zinsniveau für Kredite sinkt, die durch den Staat aufgenommen wurden 
(u. a. für Staatsanleihen). Trotz des offensichtlichen Einflusses der Änderung des 
Zinsniveaus auf die finanzielle Situation des Staates  –  wie  auch auf die 
Marktmechanismen der Zinsbildung – kann die Befugnis der Zentralbanken, u. a. 
der EZB, zur Festlegung der Leitzinsen nicht in Frage gestellt werden. 
27  Grundsätzlich wird auch der Rückgriff  der Zentralbanken  –  in 
Ausnahmesituationen  –  auf atypische Instrumente der Währungspolitik nicht in 
Frage gestellt. Tritt in einem bestimmten Staat eine Ausnahmesituation ein, z. B. 
bei unerwarteten Liquiditätsschwankungen, werden nämlich 
die 
währungspolitischen Transmissionsmechanismen gestört, was dazu führt, dass die 
Standardinstrumente nicht die gewünschten Wirkungen auf die Marktsituation 
zeigen  (die Senkung der  Zinssätze  bewirkt  z. B.  nicht  die  gewünschte 
Verringerung der Marktzinsen für Kredite). [Or. 11] 
10 
 

GAUWEILER U. A. 
28  Durch den Erwerb von Wertpapieren von Finanzinstituten vermehrt  die 
Zentralbank die Geldmenge auf dem Markt, was – in Verbindung mit niedrigen 
Zinsen – die Verfügbarkeit von Krediten erhöhen und die Marktzinsen für Kredite 
senken soll. Mit der Maßnahme wird also ein ähnliches Ziel wie mit der Senkung 
der  Leitzinsen  verfolgt, nur die von der  Zentralbank verwendeten  Mittel haben 
einen anderen Charakter. 
29  Der Markt für Staatsanleihen spielt eine bedeutende Rolle bei der Transmission 
der 
währungspolitischen Impulse. Liquiditätsstörungen auf dem 
Staatsanleihenmarkt haben besonders nachteilige Auswirkungen auf den 
Transmissionsmechanismus.  Gegenstand der Outright Monetary Transactions 
sind daher oft Staatswertpapiere, da die diesbezüglichen Geschäfte am 
effektivsten  zur  Entfaltung  des Transmissionsmechanismus beitragen und damit 
die Wirksamkeit der Währungspolitik erhöhen. 
30  Der Ankauf von Wertpapieren im Rahmen der Outright Monetary Transactions ist 
ein Eingriff in die Marktmechanismen der Zinsbildung. Diese Maßnahme hat auch 
einen positiven Einfluss auf den Zustand der öffentlichen Finanzen, da sie 
(ähnlich wie die Senkung  der Leitzinsen) zur Senkung der Zinsen für 
Staatsanleihen führt. Diese Folgen gelten jedoch als ein unvermeidbarer 
Nebeneffekt der von der Zentralbank vorgenommenen Intervention und erlauben 
es nicht, die Zulässigkeit von Outright Monetary Transactions als ein Instrument 
der Währungspolitik in Frage zu stellen. Jede Intervention der Zentralbank wirkt 
sich nämlich auf den Markt aus und bildet in gewissem Umfang einen Eingriff in 
die Marktmechanismen. Die potenziellen Auswirkungen einer Intervention der 
Zentralbank auf den Staatshaushalt – wie auch die Auswirkungen in Form einer 
Störung der Marktmechanismen – können daher nicht gegen die Zulässigkeit der 
jeweiligen Maßnahme als Instrument der Währungspolitik sprechen. Andernfalls 
stünden den Zentralbanken de  facto  keine  währungspolitischen Instrumente zur 
Verfügung. 
31  Bei der Nutzung  der einzelnen Instrumente der Währungspolitik wacht die 
Zentralbank  jedoch  darüber, dass  die einzelne Intervention –  unabhängig von 
politischem Druck jedweder Art –  nur dann und in einem solchen Umfang 
durchgeführt wird, wie dies zur Erreichung des übergeordneten Ziels der 
Zentralbank erforderlich ist. Die Unabhängigkeitsgarantien der Zentralbank (im 
funktionalen, institutionellen, personellen und finanziellen Bereich) sollen 
verhindern, dass die Instrumente der Währungspolitik zu anderen Zwecken als zur 
Erfüllung der Aufgaben der Zentralbank eingesetzt werden. 
32  Nach Auffassung der Republik Polen kann kaum der in dem Verfahren vor dem 
Bundesverfassungsgericht vorgetragenen Ansicht gefolgt werden, wonach eine 
bessere Lösung als das OMT-Programm [Or. 12] in einer besseren Regelung des 
Bankensystems oder einer Vereinfachung der Verfahren zur Vergabe 
grenzüberschreitender Kredite bestehen könnte. 
 
 
11 

SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
33  In den letzten Jahren kam es zu einem großen  Fortschritt auf dem Gebiet der 
Regelung des Bankensystems. Die eingeführten Änderungen bezwecken die 
Verschärfung und die weitere Vereinheitlichung der Vorschriften über die 
Bankenaufsicht in der Europäischen Union. Jüngstes Beispiel einer Regelung für 
den Bankensektor ist das komplexe CRD IV/CRR-Paket, das restriktivere 
Anforderungen an die Höhe und die Beschaffenheit des Bankenkapitals einführt 
und das Instrumentarium  sowohl auf der Mikro-  als auch auf  der Makroebene 
vereinheitlicht. Die volle Anpassung der Banken an die neuen 
Aufsichtsanforderungen  sollte  das Bankensystem erheblich stärken und 
stabilisieren. Für die Banken, insbesondere solche in einer schwächeren 
finanziellen Verfassung, wird die Anpassung an die neuen 
Aufsichtsanforderungen eine große  Herausforderung darstellen. Bei einem Teil 
der Banken erfolgt die Anpassung durch eine Verschärfung der Kreditpolitik, was 
dazu führen wird, dass der Zugang zu Krediten auch für diejenigen Unternehmen 
beschränkt wird, die trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage gewinnträchtige 
Projekte  verwirklichen  und zum Wirtschaftswachstum beitragen könnten. Der 
OMT-Beschluss ist daher auch unter dem Gesichtspunkt des Abbaus  derartiger 
Unzulänglichkeiten des Markts zu sehen. 
34  Darüber hinaus ist anzumerken, dass sich  die  Finanzierungskosten für 
Unternehmen, insbesondere für die kleinen und mittleren,  vor allem an den 
Kosten von Bankkrediten bemessen. Kleine und mittlere Unternehmen verfügen 
im Gegensatz zu großen Unternehmen nur über beschränkte Möglichkeiten, ihre 
Finanzierung durch die Emission von Schuldinstrumenten (also unter Umgehung 
der Banken) zu sichern. Es gibt zwar (wegen der Kapitalverkehrsfreiheit) formell 
keine Beschränkungen bei der Vergabe von grenzüberschreitenden Krediten 
innerhalb  der  Union, doch ist die Aufnahme von grenzüberschreitenden 
Bankkrediten für kleine und mittlere Unternehmen, die z. B.  keine Ratingnote 
besitzen, erschwert. Die Vergabe  eines Kredits an ein solches Unternehmen 
erfordert nämlich eine genaue Analyse seiner finanziellen Situation,  deren 
grenzüberschreitende Durchführung mit Schwierigkeiten verbunden ist. 
Vereinfachungen im Hinblick auf die Vergabe von internationalen Krediten 
würden daher die in einigen Staaten des Euroraums aufgetretenen Probleme der 
Liquidität von Unternehmen  nicht lösen. Der Rückgriff auf das 
währungspolitische Instrument in Gestalt des OMT-Programms war daher zur 
Erreichung des angestrebten Ziels unentbehrlich. [Or. 13] 
II.1.4. Selektivität 
35  Der OMT-Beschluss begrenzt den Bereich  der vorgesehenen Intervention der 
EZB formal nicht auf Wertpapiere, die nur von  bestimmten  Staaten  des 
Euroraums  emittiert wurden. Unter Berücksichtigung des Ziels dieses 
Beschlusses, seiner Verknüpfung mit den ESM- und EFSF-Programmen sowie der 
seinen Erlass begleitenden Aussagen des Führungsgremiums der EZB3  kann 
________________________________ 
3 Siehe vorherige Fußnote. 
12 
 

GAUWEILER U. A. 
dennoch  der Schluss gezogen werden, dass der Erwerb nur die Staatsanleihen 
derjenigen  Staaten  des Euroraums betreffen sollte, in denen der 
währungspolitische Transmissionsmechanismus den größten Verwerfungen 
ausgesetzt  war (in  denen  sich das Zinsniveau für Kredite am erheblichsten von 
den Marktbedingungen und den makroökonomischen Gegebenheiten entfernte). 
Wenn es also zum Ankauf von Anleihen durch die EZB gekommen wäre, wären 
davon in der Praxis sicherlich öffentliche Wertpapiere von Staaten betroffen, die 
von der Krise am heftigsten erschüttert wurden. 
36  Die Selektivität der geplanten Intervention bedeutet jedoch nicht, dass dieses 
Mittel die Grenzen der Währungspolitik überschreitet. Seine Selektivität belegt 
vielmehr sowohl die Verhältnismäßigkeit und die Angemessenheit der geplanten 
Intervention als auch ihre Übereinstimmung mit dem übergeordneten Ziel der 
EZB, der Gewährleistung der Einheitlichkeit der Geldpolitik (Art. 119 AEUV und 
Art. 127 AEUV). 
37  Nach Auffassung der Republik Polen begründet  die „Einheitlichkeit der 
Geldpolitik“ nicht die Notwendigkeit, dass die EZB gleiche atypische Instrumente 
der  Währungspolitik  in Bezug  auf alle Staaten  des Euroraums anwendet. Die 
Einheitlichkeit der Geldpolitik ist vielmehr als  die Einheitlichkeit der Ziele und 
der  Grundsätze  dieser Politik  zu verstehen und  bedeutet nicht, dass in allen 
Staaten identische Instrumente eingesetzt werden müssen. Die Erreichung eines 
einheitlichen Ziels der Währungspolitik der Union erfordert die Anpassung der 
eingesetzten Mittel (insbesondere ihres Umfangs und ihrer Intensität) an die 
aktuelle Marktlage, die sich in den einzelnen Mitgliedstaaten verschiedenartig 
gestalten kann. 
38  Die währungspolitischen Standardinstrumente (z. B. die Festlegung der Leitzinsen 
durch die EZB) betreffen zwar einheitlich alle Staaten  des Euroraums, einige 
atypische Instrumente (z. B. Outright Monetary Transactions) erfordern indessen 
schon ihrem Wesen nach eine  selektive Anwendung. Es handelt sich dabei 
nämlich um ein Mittel, mit dem die Zentralbank auf Ausnahmezustände reagiert, 
die nicht in allen Staaten des Euroraums auftreten müssen (und es für gewöhnlich 
auch nicht tun). Es ist daher begründet und erforderlich, [Or. 14] dass die EZB sie 
nur im Hinblick auf einige Staaten nutzt (insbesondere angesichts des Umstands, 
dass die  nationalen Zentralbanken dieser  Staaten  nicht über die  Möglichkeit 
verfügen, individuell über die Anwendung dieser Instrumente zu entscheiden). 
39  Die Selektivität der im OMT-Beschluss vorgesehenen Maßnahme war durch das 
übergeordnete Ziel der Union, die Einheitlichkeit der Geldpolitik (Art. 119 
AEUV), bedingt. Die EZB beabsichtigte, durch eine  Verbesserung des 
Transmissionsmechanismus in einigen Staaten  des Euroraums die Wirksamkeit 
der Standardmechanismen der Währungspolitik im gesamten Euroraum 
wiederherzustellen, um sich damit in die Lage zu versetzen, eine einheitliche 
Währungspolitik des Eurosystems zu betreiben, was in voller Übereinstimmung 
mit den Art. 119 AEUV und 127 AEUV steht. 
 
 
13 

SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
40  Nach Auffassung der Republik Polen spricht die Selektivität des Programms somit 
nicht  gegen seine Vereinbarkeit mit dem AEUV. Im Gegenteil, gerade die 
Ausdehnung des Programms auf alle Staaten des Euroraums könnte den Vorwurf 
einer Zuständigkeitsüberschreitung  durch die EZB und einer Verletzung von 
Art. 123 AEUV begründen. 
41  Hinzuzufügen ist, dass die Anwendung von atypischen Interventionsinstrumenten 
der  Währungspolitik auf Märkten mit einer stabilen Liquidität die in diesen 
Ländern  funktionierenden  Marktmechanismen  stören und sich infolgedessen 
negativ auf den währungspolitischen Transmissionsmechanismus auswirken 
könnte (wovon dann auch die Preisstabilität betroffen wäre). 
II.1.5. Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Marktmechanismen 
42  Wie oben aufgezeigt, waren  die  Fragmentierung der Finanzmärkte, die ihren 
Ursprung in den  engen  Verbindungen  zwischen  dem  Banksektor des jeweiligen 
Landes  und  dem Sektor der  öffentlichen Finanzen  hatte,  und die unzutreffende 
Bewertung des Kreditrisikos durch die Finanzmarktteilnehmer (wegen der Furcht 
der Investoren vor einem Auseinanderfallen des Euroraums bestehendes 
Redenominierungsrisiko)  die wesentlichen Gründe  für die Störung des 
Transmissionsmechanismus in den von der Krise betroffenen Staaten. 
43  Der OMT-Beschluss hatte weder die Vereinheitlichung des Zinsniveaus in den 
Staaten des Euroraums noch seine Abkoppelung von den Marktmechanismen der 
Preisbildung zum Ziel. Er war nicht auf die Beseitigung der Unterschiede bei den 
Anleihepreisen gerichtet, die sich aus der finanziellen und makroökonomischen 
Situation der Emittenten ergeben. 
44  Das  OMT-Programm  zielte darauf ab,  der EZB die Durchführung von 
Maßnahmen zu ermöglichen, die den Eintritt von extremen Negativszenarien 
verhindern sollten, die die Erreichung des grundlegenden Ziels hätten gefährden 
können, das die Gewährleistung der Preisstabilität ist (Art. 127 AEUV).  Eine 
Voraussetzung  für  die  Preisstabilität  [Or. 15]  über einen langandauernden 
Zeitraum  –  wie  auch  für  das ungestörte Funktionieren des währungspolitischen 
Transmissionsmechanismus  –  ist  nämlich die Aufrechterhaltung der finanziellen 
Stabilität. Daher verfügen die Zentralbanken über Mandate zur Umsetzung  von 
Aufgaben und Pflichten auf dem Gebiet  der finanziellen Stabilität (bei  einigen 
Banken wurden diese  Mandate infolge der Krise erheblich erweitert). In Bezug 
auf die EZB bestimmt Art. 127  Abs. 5 AEUV, dass  „[d]as  ESZB  ...  zur 
reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet 
der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems 
ergriffenen Maßnahmen bei[trägt]“. Die Zentralbank muss in der Lage sein, die 
Liquidität der verschiedenen  Segmente der Finanzmärkte zu sichern, wenn sie 
unter dem Gesichtspunkt der Transmission der währungspolitischen Impulse von 
Bedeutung sind, und auf diese Weise  selbsterfüllende Prophezeiungen über 
Liquiditätsengpässe zu verhindern. 
14 
 

GAUWEILER U. A. 
45  Die im OMT-Beschluss angekündigte Intervention war daher im Hinblick auf das 
Ziel, die Abwehr von  Gefahren für die Preisstabilität im Zusammenhang mit 
Marktverwerfungen, verhältnismäßig. 
II.1.6. Verknüpfung mit den ESM- und EFSF-Programmen 
46  Die im OMT-Beschluss vorgesehene Intervention der EZB zielte nicht darauf ab, 
die Zahlungsfähigkeit der Emittenten zu stärken. Diesem Ziel dienten nämlich die 
ESM-  und EFSF-Hilfsprogramme, deren vollständige Umsetzung durch den 
jeweiligen Staat eine Voraussetzung für die Aufnahme dieses Staates in das 
OMT-Programm war. Der Ankauf von Staatsanleihen (auf dem Primär- oder dem 
Sekundärmarkt) durch den ESM mit dem Ziel, die Zahlungsfähigkeit des Staates 
zu  stärken, ist ein Hilfsinstrument  nach den Bestimmungen des Vertrags  zur 
Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag).  Die im 
OMT-Beschluss vorgesehene Intervention der EZB war hingegen darauf gerichtet, 
das Zinsniveau für Staatsanleihen (und dadurch auch die Marktzinsen) zu 
beeinflussen und auf diese Weise die Liquidität in einer Situation zu erhöhen, in 
der die währungspolitischen Standardinstrumente sich als unzureichend zur 
Erreichung dieses Ziels erwiesen haben. Sein Ziel war also ein  anderes als die 
Ziele der o. g. Hilfsprogramme. 
47  Die Bedingtheit und die  Parallelität des OMT-Programms und der ESM-  und 
EFSF-Programme bedeuten keinesfalls, dass der OMT-Beschluss zur 
Wirtschaftspolitik und nicht zur Währungspolitik  gehört.  Im Urteil in der 
Rechtssache Pringle, C-370/12, hat der Gerichtshof festgestellt, dass die im ESM-
Vertrag vorgesehenen Maßnahmen zum Bereich der Wirtschaftspolitik und nicht 
der Geldpolitik  gehören  (Rn. 40∗). Dies bedeutet aber nicht, dass [Or. 16]  der 
OMT-Beschluss  –  wegen seiner Verknüpfung mit dem  Programm  des ESM 
(EFSF)  –  ebenfalls diesen Charakter hat. Dieser Schluss kann aus den 
Ausführungen im Urteil Pringle,  C-370/12,  nicht  gezogen werden. In diesem 
Urteil (Rn. 96 und 97) hat  der Gerichtshof festgestellt, dass der ESM-
Mechanismus  „nicht die Preisstabilität gewährleisten, sondern den 
Finanzierungsbedarf der ESM-Mitglieder,  d. h.  der Mitgliedstaaten, deren 
Währung der Euro ist, decken [soll], die schwerwiegende Finanzierungsprobleme 
haben oder denen solche Probleme drohen, wenn dies zur Wahrung der 
Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten 
unabdingbar ist. Zu diesem Zweck ist der ESM weder zur Festsetzung der 
Leitzinssätze für das Euro-Währungsgebiet noch zur Ausgabe von Euro-Münzen 
oder  -Banknoten befugt“.  Der Gerichtshof fügte hinzu, dass „die etwaigen 
Auswirkungen der Tätigkeiten des ESM auf die Preisstabilität an dieser 
Feststellung nichts ändern  [können]. Denn selbst wenn man unterstellt, dass die 
Tätigkeiten des ESM die Inflationsrate beeinflussen könnten, würde ein solcher 
Einfluss nur die mittelbare Folge der getroffenen wirtschaftspolitischen 
Maßnahmen darstellen“. 
________________________________ 
∗ AdÜ.: Gemeint ist wohl Rn. 60. 
 
 
15 

SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
48  Der Gerichtshof hat also vor allem auf das Ziel des ESM-Programms abgestellt, 
das darin besteht, den Mitgliedstaaten Finanzhilfen zu gewähren. In diesem 
Zusammenhang kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass „[d]ie  Gewährung 
einer Finanzhilfe für einen Mitgliedstaat ...  aber offenkundig nicht zur 
Währungspolitik [gehört]“ (Rn. 57 des Urteils Pringle, C-370/12). 
49  Die im Urteil Pringle, C-370/12, enthaltene Bewertung des Gerichtshofs betrifft 
also einen Mechanismus, dessen grundlegendes Ziel darin bestand, Staaten 
finanziell zu unterstützen, während  die  Gewährleistung der Preisstabilität 
(Verhinderung der Inflation) nur eine mittelbare Folge war. Der OMT-Beschluss 
hat indessen einen anderen Charakter. Sein grundlegendes Ziel besteht gerade in 
der  Gewährleistung der Preisstabilität,  potenzielle positive Folgen für  den 
Haushalt können nur eine mittelbare Folge der angekündigten Intervention sein. 
Dieser  Umstand ist für die Zuordnung des OMT-Beschlusses  zum Bereich der 
Währungspolitik ausschlaggebend. 
II.1.7. Finanzielles Risiko 
50  Nach Auffassung der Republik Polen  verringerte  die Verknüpfung  der 
OMT-Intervention mit der Umsetzung  eines ESM-  oder  EFSF-Hilfsprogramms 
das finanzielle Risiko des Erwerbs von Anleihen der verschuldeten Staaten durch 
die EZB. Die Bedingtheit und die Parallelität der ESM-  und  EFSF-Programme 
verringern das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Empfängers, weil sie die 
Ingangsetzung  [Or. 17]  des OMT-Programms  von der bereits erfolgten 
Durchführung  eines makroökonomischen Anpassungsprogramms zur Kräftigung 
des Finanzsystems durch den jeweiligen Staat abhängig machen. 
51  Ein  makroökonomisches  Anpassungsprogramm  soll das Risiko der 
Zahlungsunfähigkeit des jeweiligen Staates verringern. Die Umsetzung von 
Programmen, die der „Heilung“ des Finanzsystems dienen, durch den Staat sollte 
gleichzeitig  potenzielle Schwierigkeiten  mildern, die mit der Rückkehr zu 
konventionellen Werkzeugen der Währungspolitik verbunden waren. 
52  Unter  Berücksichtigung  des Umstands, dass das OMT-Programm so konzipiert 
wurde, dass das Risiko der  Verwirklichung  extremer Szenarien im Euroraum 
vermindert werden soll, müssen die damit eventuell verbundenen Kosten zudem 
vor dem Hintergrund der Vorteile gesehen werden, die daraus erwachsen, dass die 
Wahrscheinlichkeit des Eintritts  selbsterfüllender  Prophezeiungen  über Krisen 
und finanzielle Instabilität abnimmt. 
53  Es  muss betont werden, dass der OMT-Beschluss nicht die Übernahme einer 
Haftung für die Schulden der von dem Programm umfassten Mitgliedstaaten 
durch die EZB vorsieht. In diesem Kontext ist auf den Standpunkt zu verweisen, 
den der Gerichtshof in Rn. 141 des Urteils Pringle,  C-370/12, vertreten hat, 
wonach  „zum Ankauf von Anleihen eines ESM-Mitglieds am Sekundärmarkt 
16 
 

GAUWEILER U. A. 
festzustellen  [ist], dass auch in einem solchen Fall allein der ausgebende 
Mitgliedstaat für die fraglichen Schulden haftbar bleibt“. 
54  Der OMT-Beschluss  dient  nur dazu, dass das Zinsniveau  der künftigen 
Kredittranchen  den makroökonomischen Bedingungen entspricht. Diese 
Maßnahme wird zwar zu Zinsabschlägen bei Staatsanleihen führen, was für den 
Emittenten vorteilhaft ist, dies geschieht jedoch keinesfalls  auf Kosten der 
nationalen oder der supranationalen Zentralbank.  Im Gegenteil, wenn der 
Schuldner nicht zahlungsunfähig wird, gewinnt die Zentralbank am meisten an 
dem ganzen Vorhaben, weil sie die Schuldpapiere zum höchst günstigsten Preis 
erwirbt (infolge der Intervention wird der Preis für die  späteren  Emissionen 
fallen). 
II.1.8. Fehlendes Risiko der Umgehung der Bedingungen der EMS-  und 
EFSF-Programme 
55  Nach Auffassung der Republik Polen macht die  Konstruktion des 
OMT-Programms sowie der ESM-  und EFSF-Programme  die  Ausnutzung  des 
OMT-Programms zur Umgehung der Bedingungen der ESM-  und 
EFSF-Programme unmöglich. Eine  Bedingung für die  Durchführung  des 
OMT-Programms  ist  die  Umsetzung von Reformen im Rahmen des ESM-  oder 
EFSF-Programms durch den jeweiligen Staat. Der Beginn des  Ankaufs  von 
Staatsanleihen durch die EZB im Rahmen des OMT-Programms ist [Or. 18] von 
einem Beschluss des  Gouverneursrats des ESM über die Einleitung oder 
Fortführung eines Hilfsprogramms des ESM (EFSF) abhängig. Der Beschluss des 
Gouverneursrats des ESM zieht jedoch nicht automatisch den Ankauf von 
Anleihen im Rahmen des OMT-Programms nach sich. 
56  Gemäß Art. 5 Abs. 6 des ESM-Vertrags fasst der Gouverneursrat die wichtigsten 
Beschlüsse im gegenseitigen Einvernehmen. Dies betrifft insbesondere die 
„Gewährung von Stabilitätshilfe durch den ESM einschließlich der … 
wirtschaftspolitischen Auflagen sowie Wahl der Instrumente und Festlegung der 
Finanzierungsbedingungen“ (Buchst. f) sowie die „Erteilung des Mandats an die 
Europäische Kommission, im Benehmen mit der EZB die an jede Finanzhilfe 
gebundenen wirtschaftspolitischen Auflagen auszuhandeln“ (Buchst. g)4.  Keiner 
dieser Beschlüsse kann gegen den Willen eines der Mitglieder des 
Gouverneursrats gefasst werden, bei denen es sich gemäß Art. 5 Abs. 1 des ESM-
Vertrags um die nationalen Finanzminister handelt. In allen Mitgliedstaaten sind 
diese Minister hingegen politisch den nationalen Parlamenten gegenüber 
verantwortlich. Dies bedeutet, dass die  Schlüsselentscheidungen betreffend den 
Ankauf von Staatsanleihen im Rahmen des OMT-Programms mittelbar von der 
Haltung der nationalen Parlamente abhängig sind. 
57  In diesem Kontext ist auch  auf die ständige und bedeutsame Zusammenarbeit 
zwischen der EZB und dem Gouverneursrat des ESM (und weiter: den 
________________________________ 
4 Vgl. auch Art. 13 Abs. 3 und Art. 14 Abs. 1 und 2 des ESM-Vertrags. 
 
 
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SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
Finanzministern und den nationalen Parlamenten, denen gegenüber die Minister 
verantwortlich sind) über den gesamten Zeitraum der Verhandlungen über ein 
Hilfsprogramm des ESM (EFSF) und seiner Durchführung hinzuweisen. Im Fall 
einer Stabilisierungshilfsmaßnahme ist die EZB an der Analyse des Finanzrisikos 
für den Euroraum, des Risikos der Zahlungsunfähigkeit des einzelnen Staates und 
seiner finanziellen Bedürfnisse  vom frühsten Verfahrensstadium an, das 
unmittelbar auf den Eingang des Stabilitätshilfeersuchens im Rahmen des EMS-
Programms  folgt  (Art. 13  Abs. 1 des ESM-Vertrags),  beteiligt.  Wie bereits 
dargelegt, ist die EZB auch an den Verhandlungen über die 
Finanzierungsbedingungen (sog. Memorandum of Understanding) (Art. 13 Abs. 3 
des ESM-Vertrags) und an der Überwachung der Fortschritte bei der Erreichung 
der makroökonomischen Ziele im Rahmen der  Umsetzung des Hilfsprogramms 
(Art. 13 Abs. 7 des ESM-Vertrags) beteiligt. [Or. 19] 
II.2. Fragen 1b und 2b 
II.2.1. Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung der Mitgliedstaaten 
58  Nach Auffassung der Republik Polen  verstößt der OMT-Beschluss nicht gegen 
das in Art. 123 AEUV vorgesehene Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung der 
Mitgliedstaaten durch die Zentralbanken. 
59  Aus dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates 
vom 13. Dezember 1993 zur  Festlegung der Begriffsbestimmungen für die 
Anwendung der in Artikel  104 und Artikel  104b  Absatz  1 des Vertrages 
vorgesehenen Verbote  geht hervor, dass die Mitgliedstaaten geeignete 
Maßnahmen ergreifen  müssen, damit die nach Art. 104 des Vertrags (jetzt 
Art. 123 AEUV) vorgesehenen Verbote wirksam und uneingeschränkt 
angewendet werden und damit insbesondere das mit diesem Artikel verfolgte Ziel 
nicht durch den Erwerb auf dem Sekundärmarkt umgangen wird. 
60  Gemäß Art. 123 Abs. 1 AEUV sind Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten 
bei der EZB  oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten für Organe, 
Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder 
lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, 
sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der 
Mitgliedstaaten  ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln 
von diesen durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken. 
61  Das Ziel von Art. 123 AEUV besteht darin, die  Erteilung von Darlehen und 
Krediten durch die Zentralbanken u. a. an Staaten und öffentliche Einrichtungen 
zu verhindern.  Wobei  –  im Fall des Erwerbs von Anleihen –  nach  dieser 
Bestimmung als „Überziehungs- oder andere Kreditfazilität“ grundsätzlich nur der 
Erwerb von Wertpapieren auf dem Primärmarkt gilt. 
62  Nach Auffassung der Republik Polen lässt sich daher aus Art. 123 Abs. 1 AEUV 
ableiten, dass der Erwerb von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt 
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GAUWEILER U. A. 
grundsätzlich keine Form von „Überziehungs- oder anderen Kreditfazilitäten“ an 
die Zentralregierung oder eine öffentliche Einrichtung ist. Daher ist diese 
Maßnahme auch nicht verboten (sie ist im Umkehrschluss erlaubt). Auch Art. 18 
der  Satzung der EZB  und des ESZB sieht die Möglichkeit der Vornahme von 
Geschäften  auf den Finanzmärkten in Form des Erwerbs und des  Verkaufs von 
Wertpapieren durch die EZB vor (ohne dass  zwischen  staatlichen und 
kommerziellen Papieren unterschieden wird). 
63  Nach der Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 20. September 2011 über 
geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems  werden für die 
Outright Monetary Transactions nur die marktfähigen Sicherheiten verwendet, die 
in Kapitel 6 der Leitlinie  genannt werden (Nr. 3.2.4 Buchst. f  [Or. 20]  der 
Leitlinie).  Gegenstand der Outright Monetary Transactions können also 
Schuldinstrumente sein, die von den  Zentralbanken der [EU-]Mitgliedstaaten, 
öffentlichen Stellen, privaten Einrichtungen  oder internationalen bzw. 
supranationalen Organisationen begeben oder garantiert werden (Nr. 6.2.1.6 der 
Leitlinie). 
64  Dies bedeutet, dass der Erwerb von öffentlichen Schuldpapieren durch die EZB 
und die nationalen Zentralbanken auf dem Sekundärmarkt ein grundsätzlich 
sowohl nach den Bestimmungen des AEUV (insbesondere auch der Satzung der 
EZB und des ESZB) als auch nach der Leitlinie der EZB zulässiges Instrument 
der Währungspolitik der EZB darstellt. 
65  Der Erwerb von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt durch die EZB könnte nur 
dann gegen Art. 123 AEUV verstoßen, wenn er  der  Umgehung des in dieser 
Bestimmung aufgestellten Verbots diente. Von einer Umgehung dieses Verbots 
könnte wiederum nur dann die Rede sein, wenn der Ankauf von Anleihen auf dem 
Sekundärmarkt darauf abzielte, dem Staat „Überziehungs-  oder andere 
Kreditfazilitäten“ zu gewähren, und nicht auf die Umsetzung der Währungspolitik 
durch die EZB. 
66  Die Bewertung, ob der Ankauf von öffentlichen Wertpapieren durch die 
Zentralbank eine Umgehung des in Art. 123 AEUV aufgestellten Verbots 
darstellen kann, muss daher unter dem Gesichtspunkt des Ziels des einzelnen 
Geschäfts vorgenommen werden. Wäre die Finanzierung des öffentlichen 
Haushalts ein Ziel des OMT-Beschlusses, könnte in der Tat von einer Umgehung 
des in Art. 123 AEUV niedergelegten Verbots gesprochen werden. Wie bereits 
erläutert, verfolgt das OMT-Programm aber ein anderes Ziel.  Im Fall von 
Geschäften wie den  im Rahmen des OMT-Programms getätigten, deren 
grundlegendes Ziel darin besteht, die währungspolitischen Aufgaben der 
Zentralbank zu erfüllen, kann von einer Umgehung des erwähnten Verbots nicht 
die Rede sein, und zwar selbst dann nicht, wenn sich diese Geschäfte positiv auf 
die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auswirken. Aus ökonomischer Sicht 
führt der Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank immer zu 
Zinsabschlägen bei diesen Anleihen auf dem Markt, unabhängig von der Anzahl 
 
 
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SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
der erworbenen Anleihen, dem Zeitabstand zu ihrer Ausgabe und der 
Zahlungsfähigkeit des emittierenden Staates. Die potenziellen positiven 
Auswirkungen des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EZB auf die Haushalte 
der vom OMT-Programm umfassten Staaten (in Gestalt von Zinsabschlägen für 
diese Anleihen und damit der Senkung der Tilgungskosten für die Staaten, die sie 
emittieren)  können daher nicht von der Unvereinbarkeit dieser Geschäfte mit 
Art. 123 AEUV zeugen. Andernfalls würde nämlich Art. 123 AEUV ein 
allgemeines Verbot des Ankaufs von Staatsanleihen auch auf dem Sekundärmarkt 
vorsehen. [Or. 21] 
II.2.2.  Handeln im Rahmen des Mandats der EZB als Bedingung für die 
Vereinbarkeit des OMT-Beschlusses mit Art. 123 AEUV 
67  Nach Auffassung der Republik Polen ergibt sich die Antwort auf die Fragen 1b 
und 2b größtenteils aus der Antwort auf die Fragen 1a und 2a. Hätte der 
OMT-Beschluss die Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten zum Ziel, 
dann gehörte er im Licht des Urteils Pringle,  C-370/12, zum Bereich der 
Wirtschaftspolitik, sein Erlass wäre aber nicht vom Mandat der EZB gedeckt. 
Zugleich könnte es sich dabei um eine Umgehung des in  Art. 123 AEUV 
verankerten  Verbots monetärer  Haushaltsfinanzierung der Mitgliedstaaten 
handeln. Handelt die EZB im Rahmen der ihr zustehenden Kompetenzen, zeugt 
dies hingegen von der Vereinbarkeit des OMT-Beschlusses mit Art. 123 AEUV. 
Die Erfüllung ihrer vertraglichen Aufgaben (die Anwendung von Instrumenten, 
die ausdrücklich im AEUV vorgesehen sind) durch die EZB kann nicht als eine 
Verletzung (Umgehung) dieses Vertrags angesehen werden. 
68  Mit dem AEUV wurde ein in sich kohärentes Rechtssystem geschaffen. Daher ist 
eine Auslegung seiner Bestimmungen abzulehnen, nach der die EZB einerseits zur 
Vornahme einer bestimmten Maßnahme (die der Erfüllung der vertraglichen 
Aufgaben der EZB im Bereich der Währungspolitik dient) berechtigt wäre, nach 
der  diese  Maßnahme aber andererseits als eine Umgehung des Rechts verboten 
wäre. 
69  Die Republik Polen hat bereits aufgezeigt, dass das Ziel des OMT-Beschlusses 
nicht die Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten war, sondern die 
Gewährleistung der Erfüllung der Aufgaben der Währungspolitik  –  und damit 
auch der finanziellen Stabilität in der Währungsunion – durch die Senkung des im 
Verhältnis zu den  ökonomischen Grundlagen übermäßigen Risikozuschlags, der 
in den  Marktzinssätzen in  einigen  Staaten  des Euroraums enthalten war.  Dieses 
Ziel fällt ohne Zweifel in den Zuständigkeitsbereich der EZB. Daher kann der 
OMT-Beschluss nicht als eine Umgehung des in Art. 123 AEUV niedergelegten 
Verbots angesehen werden. 
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GAUWEILER U. A. 
II.2.3.  Unbegrenztheit  des OMT-Beschlusses als Wirksamkeitsvoraussetzung 
der Intervention der EZB 
70  Der unbegrenzte Charakter der Intervention der EZB (laut OMT-Beschluss) zeugt 
nicht von einer Umgehung des Verbots der Finanzierung öffentlicher Haushalte. 
Outright Monetary Transactions  in Gestalt des An-  und Verkaufs von 
Wertpapieren (u. a.  von Staatsanleihen)  sind  währungspolitische Instrumente, 
deren Anwendung durch die EZB und die nationalen Zentralbanken zur Änderung 
der Liquiditätsstruktur im Banksektor oder [Or. 22]  der Struktur der Preise von 
Staatsanleihen, die durch die Staaten des Euroraums emittiert werden, vorgesehen 
ist. Zur Wirksamkeit der Outright Monetary Transactions ist es erforderlich, dass 
die Zentralbank bei der Wahl und der Anwendung des jeweiligen Instruments frei 
ist, da nur dann eine effektive Währungspolitik betrieben werden kann. 
71  Die Wirksamkeit der Outright Monetary Transactions  kann nur dann 
sichergestellt werden, wenn die Möglichkeit ihrer Durchführung nicht durch 
Vorbedingungen  begrenzt  wird,  die insbesondere das Geschäftsvolumen, die 
Kriterien zur Auswahl der Wertpapiere, die Geschäftsgegenstand sind (u. a. den 
zeitlichen Abstand seit der Ausgabe der Papiere auf dem Primärmarkt, die 
Zahlungsfähigkeit des Schuldners), und den Zeitraum, über den die Zentralbank 
die Papiere hält, betreffen. Der OMT-Beschluss kann daher nicht allein deswegen 
als eine Umgehung des in Art. 123 AEUV enthaltenen Verbots angesehen werden, 
weil darin ein unbegrenzter Erwerb von Staatsanleihen vorgesehen wurde  und 
insbesondere weder das Geschäftsvolumen oder  der  zeitliche Abstand seit der 
Ausgabe auf dem Primärmarkt noch der Zeitraum, über den die EZB die Papiere 
hält, beschränkt wurde. Im Gegenteil, das Fehlen dieser Vorbedingungen trägt zur 
Wirksamkeit einer eventuellen Intervention,  wie sie im OMT-Beschluss 
vorgesehen ist,  bei, da sie ihre Anpassung  an die aktuelle Marktsituation 
ermöglicht. 
72  Es ist zu  betonen, dass die fehlende Beschränkung  im OMT-Beschluss 
hinsichtlich der  Anzahl der zu erwerbenden Anleihen nicht bedeutet, dass der 
Ankauf mengenmäßig nicht begrenzt sein wird. In der Praxis wird die EZB 
nämlich so viele Anleihen erwerben, wie sie zur Erreichung des verfolgten Ziels 
für erforderlich hält. Der Erwerb von Anleihen im Rahmen der OMT wird also de 
facto mengenmäßig begrenzt sein; als der OMT-Beschluss erlassen wurde, war es 
aber nicht möglich, die mengenmäßige  Obergrenze  der künftigen potenziellen 
Intervention zu bestimmen. 
73  Auch die fehlenden Beschränkungen im Hinblick auf die Kreditqualität der 
erworbenen Wertpapiere und das Risiko der Teilnahme an einem Schuldenschnitt 
bedeuten nicht, dass die Intervention der EZB insoweit einen unbeschränkten und 
willkürlichen Charakter hat. Beschränkungen ergeben sich nämlich daraus, dass 
die Intervention der EZB zur Voraussetzung hat, dass der jeweilige Staat  das 
ESM-  oder EFSF-Programm, dessen Ziel die Verhinderung der 
Zahlungsunfähigkeit ist, umsetzt. Die Verknüpfung der Intervention im Rahmen 
 
 
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SCHRIFTLICHE ERKLÄRUNGEN POLENS – RECHTSSACHE C-62/14 
des OMT-Programms mit der Umsetzung des EMS-Programms minimiert daher 
das Ausfall- und das Schuldenschnittrisiko. 
III. ENTSCHEIDUNGSVORSCHLAG 
74  Im Licht der obigen Erwägungen schlägt die Republik Polen dem Gerichtshof der 
Europäischen Union vor, die vom  Bundesverfassungsgericht vorgelegten 
Vorabentscheidungsfragen wie folgt zu beantworten: 
Die  Art. 119, 123 und 127 Abs. 1  und  2  AEUV  sowie die Art. 17 bis 24 des 
Protokolls über die Satzung des ESZB und der EZB  sind in der Weise 
auszulegen, dass sie es nicht verwehren, dass Maßnahmen wie der Beschluss 
des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012 über den 
endgültigen und unbegrenzten  Erwerb  von  Anleihen  einiger  Staaten des 
Euroraums  (Technical features of Outright Monetary Transactions)  erlassen 
werden. 
Dieser Beschluss ist vom Mandat der Europäischen Zentralbank zur 
Durchführung der Währungspolitik der Union gedeckt und verstößt nicht 
gegen das in  Art. 123 AEUV verankerte  Verbot monetärer 
Haushaltsfinanzierung. 
Bogusław Majczyna 
Bevollmächtigter der Republik Polen 
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