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Wissenschaftlicher Bericht zu den
neuen Techniken in der Pflanzenzüch-
tung und der Tierzucht und ihren Ver-
wendungen im Bereich der Ernährung
und Landwirtschaft
- überarbeitete Fassung vom 23.02.2018 -
Bartsch, D.1, Bendiek, J.1, Braeuning, A.2, Ehlers, U.1, Dagand, E.1, Duensing, N.1,
Fladung, M.3, Franz, C.4, Groeneveld, E.5, Grohmann, L.1, Habermann, D.4, Hartung, F.6,
Keilwagen, J.6, Leggewie, G.1, Matthies, A.1, Middelhoff, U.1, Niemann, H.5, Petersen, B.5,
Scheepers, A.1, Schenkel, W.1, Sprink, T.6, Stolz, A.1, Tebbe, C.3, Wahler, D.1, Wilhelm, R.6
1 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
2 Bundesinstitut für Risikobewertung
3 Thünen-Institut
4 Max Rubner-Institut
5 Friedrich Löffler-Institut,
6 Julius Kühn-Institut,
1.1
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Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Internet: www.bvl.bund.de
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Vorwort:
Die Züchtung von Pflanzen und Tieren sowie die Nutzung von Mikroorganismen für die Le-
bens- und Futtermittelherstel ung sind eng mit technischen Methoden verbunden. Durch den
wissenschaftlichen Fortschritt sind in den letzten Jahren neue molekularbiologische Techniken
hinzugekommen, die einen schnel eren und effizienteren Züchtungs- und Entwicklungsfort-
schritt erlauben.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat in seinem „Grünbuch
Ernährung, Landwirtschaft, Ländliche Räume“ vom Dezember 2016 das Ziel formuliert, zu den
neuen molekularbiologischen Techniken eine fundierte Beurteilungsbasis zu schaffen. Auf Ba-
sis ihrer breiten Fachkompetenz haben die Ressortforschungseinrichtungen BVL, JKI, FLI, TI,
MRI und BfR den vorliegenden Bericht zu grundlegenden naturwissenschaftlichen Fachzu-
sammenhängen mit Sachstand 3. Juli 2017 erstel t. Darüber hinaus wurden über den Ge-
schäftsbereich des BMEL hinaus Stel ungnahmen des Bundesamtes für Naturschutz (BfN)
und des Robert Koch-Institutes (RKI) berücksichtigt. Die Anmerkungen des BfN wurden nicht
vol ständig übernommen.
Dieser Bericht sol die Beurteilungsbasis und den Dialogprozess des BMEL in Deutschland
und der EU unterstützen.
1.1
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0 INHALTSVERZEICHNIS
0
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................ 3
1
Zusammenfassung des Wissenschaftlichen Berichts .......................................................... 6
2
Einleitung ............................................................................................................................. 8
2.1
Zum Auftrag ............................................................................................................................. 8
2.2
Begriffe .................................................................................................................................... 9
2.3
Literatur: ................................................................................................................................ 12
3
Modul I: Eingrenzung des Diskussionsraums .................................................................... 13
4
Modul II: Spezifische Merkmale der
Genome Editing-Techniken ..................................... 14
4.1
Zusammenfassung Modul II: ................................................................................................. 14
4.2
Einleitung ............................................................................................................................... 14
4.3
Funktionsweise des
Genome Editing ..................................................................................... 16
4.4
Techniken des
Genome Editing ............................................................................................. 18
4.4.1
Meganukleasen ............................................................................................................. 18
4.4.2
Zinkfingernukleasen ...................................................................................................... 18
4.4.3
TALEN ............................................................................................................................ 19
4.4.4
CRISPR/Cas9 .................................................................................................................. 19
4.4.5
Oligonucleotide Directed Mutagenesis“ ....................................................................... 19
4.4.6
„Base Editing“ ................................................................................................................ 20
4.5
Vergleichende Betrachtung der methodenspezifischen Merkmale und Risiken .................. 20
4.5.1
Unbeabsichtigte Effekte ................................................................................................ 21
4.5.2
Beeinflussung der Expression von Nicht-Ziel-Genen, pleiotrope Effekte ..................... 30
4.6
Beabsichtigte Effekte ............................................................................................................. 34
4.6.1
Multiple Genomveränderungen .................................................................................... 34
4.6.2
Beabsichtigte pleiotrope Effekte ................................................................................... 38
4.7
Literatur ................................................................................................................................. 39
5
Modul III: Nachweis und Identifizierbarkeit ...................................................................... 43
5.1
Zusammenfassung des Moduls III ......................................................................................... 43
5.2
Einleitung ............................................................................................................................... 43
5.3
Verfahren des
Genome Editing im Rahmen des Berichts ..................................................... 45
5.4
Generelle Vorüberlegungen .................................................................................................. 46
1.1
5.5
Nachweis von genetischen Veränderungen, Identifizierung genomeditierter Organismen 47
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5.5.1
Analyseverfahren für zielgerichteten Nachweis und die Identifizierung des
genomeditierten Organismus ............................................................................... 48
5.5.2
Analyseverfahren für den nicht-zielgerichteten Nachweis der Veränderung und
Identifizierung des genomeditierten Organismus ................................................. 50
5.5.3
Bioinformatische Analysen, statistische Betrachtungen und Wahrscheinlichkeit der
Identifizierung des genomeditierten Organismus ................................................. 52
5.6
Analyseverfahren zur Identifizierbarkeit der Technik ........................................................... 55
5.7
Rückverfolgbarkeit ................................................................................................................ 55
5.8
Literatur ................................................................................................................................. 56
6
Modul IV: Stand der Anwendung und Entwicklung des
Genome Editing ......................... 58
6.1
Zusammenfassung des Moduls IV: ........................................................................................ 58
6.2
Einleitung ............................................................................................................................... 58
6.3
Stand der Anwendung und Entwicklung des
Genome Editing in der Pflanzenzüchtung ...... 60
6.3.1
Etablierte Verfahren in der Pflanzenzucht .................................................................... 60
6.3.2
Anwendung von DNA Nukleasen und ODM-Techniken bei landwirtschaftlichen
Nutzpflanzen ......................................................................................................... 61
6.3.3
Herbizidtoleranz ............................................................................................................ 63
6.3.4
Krankheitsresistenzen ................................................................................................... 62
6.3.5
Geänderte Zucht- oder Produkteigenschaften ............................................................. 62
6.4
Stand der Anwendung und Entwicklung des
Genome Editing in der Tierzucht .................... 64
6.4.1
Einführung in die landwirtschaftliche Tierzucht ............................................................ 64
6.4.2
Etablierte Verfahren der genetischen Modifikation bei Nutztieren ............................. 64
6.4.3
Anwendung von DNA-Nukleasen bei landwirtschaftlichen Nutztieren ........................ 65
6.4.4
Anwendungsmöglichkeiten des
Genome Editing bei Nutztieren: ................................. 65
6.5
Stand der Anwendung und Entwicklung des
Genome Editing bei Mikroorganismen, die bei
der Herstellung von Lebens— bzw. Futtermitteln verwendet werden ............................ 69
6.5.1
Zielgerichtete Mutagenese............................................................................................ 69
6.5.2
Genexpressions-Modulation ......................................................................................... 70
6.5.3
‚Impfung‘ biotechnologisch wichtiger Stämme ............................................................. 70
6.5.4
Genotypisierung von Bakterienstämmen ...................................................................... 70
6.5.5
CRISPR/Cas9 als antimikrobielles Agens? ...................................................................... 71
6.6
Stand der Anwendung und Entwicklung des
Genome Editing in der Human- und
Veterinärmedizin ............................................................................................................... 72
6.7
Literatur: ................................................................................................................................ 73
7
Danksagung ....................................................................................................................... 78
1.1
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1 ZUSAMMENFASSUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN
BERICHTS
Der rapide wissenschaftliche Fortschritt auf dem Gebiet der Molekularbiologie hat in den letz-
ten Jahren zu Methoden geführt, die unter dem Begriff
Genome Editing zusammengefasst
werden. Unter
Genome Editing werden gerichtete und gezielte Änderungen der Nukleotidse-
quenz des Genoms von Organismen verstanden, wobei sich „gerichtet“ auf den Ort der Ver-
änderung und „gezielt“ auf Ort und Art der Veränderung bezieht.
Die spezifischen Merkmale des
Genome Editings sind für das international anerkannte Prin-
zip der ‚Vergleichenden Sicherheitsbewertung‘ sowie der technischen Nachweisbarkeit und
Identifizierbarkeit von behandelten Organismen zu berücksichtigen. Dieser Bericht analysiert
fachwissenschaftlich diese spezifischen Merkmale ohne eine – zurzeit umstrittene – rechtli-
che Einordnung vorzunehmen. Der Bericht gliedert sich in vier unabhängige Module
I.
Eingrenzung des Diskussionsraums (Kapitel 3)
II.
Spezifische Merkmale der
Genome Editing-Techniken (Kapitel 4)
III.
Nachweis von genetischen Veränderungen, Identifizierung genomeditierter Orga-
nismen und Identifizierbarkeit der Technik, mit der genetische Veränderungen er-
zeugt wurden (Kapitel 5)
IV.
Stand der Anwendung und Entwicklung des
Genome Editing in den Bereichen
Landwirtschaft, Ernährung, Human- und Veterinärmedizin (Kapitel 6)
Das
Genome Editing stel t nach jetzigem Kenntnisstand eine deutliche Verbesserung in Prä-
zision, Effizienz und Kontrol ierbarkeit gegenüber bisherigen Genmodifikations- (Muta-
genese) und Gentransferverfahren dar. Die Identifizierung eines
genom-editierten Organis-
mus und die Unterscheidung von anderen Organismen sind nur unter bestimmten Voraus-
setzungen und nur im Vergleich zu einer Referenz eindeutig möglich. Je geringer die Unter-
schiede zur Referenz werden, desto schwieriger ist die Identifizierungsmöglichkeit. Nur er-
gänzende Informationen über den Entwicklungsweg und die Änderungen erlauben im Einzel-
fal eine eindeutige Rückverfolgbarkeit. Ob nachgewiesene genetische Veränderungen durch
Techniken des
Genome Editing oder andere Techniken erzeugt wurden, ist nicht zweifelsfrei
zu klären.
Die neuen
Genome Editing-Methoden werden in der Pflanzen- und Tierzucht zur Förderung
der Krankheitsresistenz, Toleranz gegen widrige Umweltbedingungen und zur Veränderung
1.1
von Produkteigenschaften eingesetzt. Dies setzt eine umfassende Kenntnis des zu modifizie-
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renden Genoms und der Funktionen voraus, um zielgerichtet Merkmale zu verändern. Das
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Genome Editing ergänzt damit andere Züchtungsverfahren wie Kreuzung und Selektion, die
in der Entwicklung von Sorten/Rassen mit komplexen Merkmalen von grundlegender Bedeu-
tung sind. Bei der Tierzucht stehen in Bezug auf das
Genome Editing zudem Tierschutz und
der Einsatz von Nutztieren in der Biomedizin im Fokus. Bei Mikroorganismen sol en Stoffwech-
selwege beeinflusst oder neu gestaltet werden
(Metabolic Engineering) und bestehende Pro-
duktionslinien durch Veränderung von Genaktivitäten modifiziert werden. Die Technik kann die
Resistenz von mikrobiel en Kulturstämmen gegen Bakteriophagenbefal erhöhen oder sogar
als antimikrobiel es Agens dienen. Insgesamt ist von der Technik eine Beschleunigung der
Züchtung zu erwarten mit dem Ergebnis, bestehende Zuchtziele schnel er und effizienter er-
reichen zu können.
Das
Genome Editing führt insbesondere beim Einsatz zeitgemäßer Verfahren sehr selten zu
Nebeneffekten wie Off target-Effekten, Effekte auf angrenzende Gene bzw. pleiotrope Effekte.
Für die Nebeneffekte gibt es zuverlässige und ausreichend sensitive Nachweisverfahren. Das
Genome Editing stel t daher eine deutliche Verbesserung in Präzision, Effizienz und Sicherheit
gegenüber klassischen Genmodifikations- (Mutagenese) und Gentransferverfahren dar. Dies
bedeutet nicht, dass es bei klassischen Mutageneseverfahren zu erhöhten oder bisher unbe-
rücksichtigten Risiken kommt. Das Mutageneseverfahren wird seit langer Zeit angewendet und
daraus entstehende Pflanzen mit unerwünschten Merkmalen werden bei der nachfolgenden
Sortenprüfung ausgesondert.
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2 EINLEITUNG
2.1 ZUM AUFTRAG
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verfolgt die Entwicklungen
und Diskussionen zu den neuen Züchtungstechniken bei Pflanzen und Tieren mit großem
Interesse. In diesem Zusammenhang hat auch die EU Kommission den Mechanismus für
wissenschaftliche Beratung (SAM) um eine aktuel e wissenschaftliche Erläuterung zu den
neuen Techniken der Pflanzenzüchtung und Tierzucht und bestimmten Anwendungen der
Lebensmittelerzeugung gebeten.
Vor diesem Hintergrund bat das BMEL1 um einen wissenschaftlichen Bericht zu den neuen
Techniken in der Pflanzenzüchtung und der Tierzucht und ihren Verwendungen im Bereich
der Ernährung und Landwirtschaft. Der Bericht wurde durch das Bundesamt für Verbraucher-
schutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das
Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), das Julius Kühn-Institut (JKI), das Thünen-Institut (TI) und
das Max Rubner Institut (MRI) erarbeitet. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Ro-
bert Koch-Institut (RKI) wurden beteiligt.
Der vorliegende Bericht gliedert sich in vier unabhängige Module
I.
Eingrenzung des Diskussionsraums
II.
Spezifische Merkmale der
Genome Editing-Techniken
III:
Nachweis von genetischen Veränderungen, Identifizierung genomeditierter
Organismen und Identifizierbarkeit der Technik, mit der genetische Verände-
rungen erzeugt wurden
IV
Stand der Anwendung und Entwicklung des
Genome Editing in den Bereichen
Landwirtschaft, Ernährung, Human- und Veterinärmedizin
Dieser Bericht sol den offenen und transparenten Dialogprozess mit den Interessenträgern
unterstützend begleiten, den das BMEL in Deutschland im Frühjahr 2017 begonnen hat.
1.1
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1 Erlasse vom 29. November 2016 und 16. Januar 2017
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2.2 BEGRIFFE
Die Information zur Bildung und zur Aufrechterhaltung eines Organismus ist in der DNA ge-
speichert, deren Gesamtheit man als Genom bezeichnet. Eine Kopie des Genoms eines Or-
ganismus liegt in jeder Zel e vor. Die DNA besteht aus Mil iarden von vier Bausteinen (Nukle-
otiden), die in einem Strang angeordnet sind und eine spezifische Abfolge bilden (die Nukle-
otidsequenz). Jeweils zwei dieser Stränge binden aneinander und formen so ein Doppel-
strangmolekül, das sich durch Zusammenfaltung zu einem mikroskopisch sichtbaren Chro-
mosom organisiert, welches bei höheren Organismen im Zel kern lokalisiert ist. Weitere
DNA-haltige Bereiche in der Zel e sind die Mitochondrien und, zusätzlich bei Pflanzen, die
Plastiden (u.a. Chloroplasten). Neben den Chromosomen existieren in den Zel en vieler Bak-
terien und selten auch bei höheren Organismen auch kleinere, extrachromosomale DNA-Mo-
leküle wie etwa Plasmide. Nur Teilbereiche einer DNA-Sequenz eines Chromosoms tragen
Geninformationen, die Enzyme kodieren. Andere Bereiche haben regulatorische, teilweise
keine direkten oder unbekannten Funktionen. Ihre Aktivität führt zu spezifischen Stoffwech-
selprozessen in der Zel e. Eine Veränderung dieser Gene hat daher auch eine Veränderung
dieser Prozesse zur Folge.
Eine solche Veränderung ist seit jeher das Ziel von Pflanzenzüchtung und Tierzucht, denn
Stoffwechselprozesse sind letztendlich für die Eigenschaften eines Organismus verantwort-
lich. Zu den herkömmlichen Züchtungsmethoden gehört auch die Nutzung von Mutationen,
die spontan durch natürliche Prozesse (z. B. bei der natürlichen Rekombination oder durch
UV-Strahlung) entstehen, sowie von Mutationen, die bewusst, z. B. durch ionisierende Strah-
len oder erbgutverändernde Chemikalien, hervorgerufen werden (Mutagenese). Die Stel e
der durch solche Verfahren induzierten Mutationen im Genom ist nicht beeinflussbar und
auch die Zahl der erzeugten Mutationen ist sehr hoch. Dies macht einen langwierigen Rück-
kreuzungs- und Selektionsprozess nötig, um ungewol te Mutationen aus dem Genom zu ent-
fernen. Klassische Mutagenesezüchtung hat laut der Joint FAO/IAEA Mutant Variety Daten-
bank mittlerweile mehr als 3000 Kulturpflanzenvarietäten hervorgebracht. Seit Anfang der
1990er Jahre ist die Gentechnik hinzugekommen. Sie ermöglicht die Übertragung von gene-
tischem Material zwischen Organismen, zwischen denen dieser Austausch natürlicherweise
nicht stattfindet. Um die Bewertung und gegebenenfal s Kontrol e möglicher Risiken für die
Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt sicherzustel en, sind die experimentel e
Freisetzung (zeitlich und räumlich begrenzt) und das Inverkehrbringen von gentechnisch ver-
änderten Organismen (GVO) in der Europäischen Union genehmigungspflichtig.
1.1
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Der rapide wissenschaftliche Fortschritt auf dem Gebiet der Molekularbiologie seit Inkrafttre-
ten des EU-Gentechnikrechts im Jahr 1990 hat dazu geführt, dass heute eine Reihe neuer
Methoden zur Veränderung der genetischen Ausstattung von Pflanzen und Tieren zur Verfü-
gung stehen, bei denen umstritten ist, ob die mit ihrer Hilfe veränderten Organismen unter
die Regelungen des Gentechnikrechts fal en oder nicht. Hierunter sind jene Methoden von
besonderem Interesse, die unter dem Begriff
Genome Editing zusammengefasst werden.
Unter
Genome Editing werden gerichtete Änderungen der Nukleotidsequenz des Genoms
von Organismen verstanden, wobei sich „gerichtet“ auf den Ort der Veränderung bezieht.
Die Nutzung ortsspezifischer Nukleasesysteme (z. B. CRISPR/Cas9, Zinkfingernukleasen,
TALENs) erlaubt ein solches Einbringen genetischer Veränderungen in ein Genom, welche
von Punktmutationen bis hin zur Insertion großer DNA-Segmente oder Deletionen reichen
können. Ortsspezifische Nukleasesysteme (auch „
Site Directed Nucleases, kurz SDN ge-
nannt) bestehen aus zwei Komponenten. Eine Komponente bindet an eine spezifische Nukle-
otidsequenz (Zielsequenz) in der doppelsträngigen DNA des Zielgenoms. Hierbei kann es sich
je nach System um eine Protein- oder eine Nukleinsäurekomponente handeln. Die zweite
Komponente besitzt eine Endonukleaseaktivität. Diese Nuklease erzeugt neben ihrer Zielse-
quenz einen DNA-Doppelstrangbruch, an dem abhängig von der angewendeten Technik un-
terschiedliche genetische Veränderungen eintreten können.
Bei der SDN 1-Technik wird der erzeugte Doppelstrangbruch durch einen zel eigenen DNA-
Reparaturmechanismus, dem
non-homologous end joining (NHEJ), repariert. Dabei entstehen
zufäl ige, ein oder wenige Nukleotide umfassende Mutationen, also ein Austausch, eine Inser-
tion oder eine Deletion einzelner oder weniger Nukleotide.
Bei der SDN 2-Technik werden zusammen mit dem ortsspezifischen Nukleasesystem auch
kleine DNA-Fragmente in den Organismus eingebracht. Die eingebrachte DNA dient als Re-
paraturmatrize, dazu ist sie homolog zu den Flanken des von der Nuklease erzeugten Dop-
pelstrangbruchs. An der Stel e des Doppelstrangbruchs unterscheidet sich ihre Nukleotidse-
quenz jedoch um ein oder wenige Nukleotide von der Zielsequenz. Bei der Reparatur des
Doppelstrangbruchs durch einen zel eigenen DNA-Reparaturmechanismus unter Verwendung
der eingeführten DNA, dem
homology directed repair (HDR), wird die Sequenzänderung im
Genom verankert. Dabei wird die Fehlstel e nach Vorgabe durch die Matrize durch Replikation
geschlossen. So können Mutationen von einem oder wenigen Nukleotidpaaren bzw. eine
kleine Insertion oder Deletion gezielt in die zel uläre Sequenz eingebracht werden.
1.1
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Bei der SDN 3-Technik wird zusammen mit dem ortsspezifischen Nukleasesystem eine re-
kombinante DNA in die Zel e eingebracht und damit das gerichtete Kopieren eines bis zu meh-
rere tausend Nukleotiden langen DNA-Segmentes in die Zielsequenz ermöglicht. Das DNA-
Segment ist von Abschnitten flankiert, die homolog zu der DNA um die Zielsequenz sind. Bei
der Reparatur des Doppelstrangbruchs wird das DNA-Segment zielgerichtet durch homologe
Rekombination in die Zielsequenz kopiert.
Bei der Verbesserung von Kulturpflanzen stößt die SDN 1-Technik an Grenzen, da mit ihr zwar
an einer bestimmten Stel e im Genom ein Doppelstrangbruch erzeugt wird, das Ergebnis der
nachfolgenden Reparatur durch NHEJ jedoch nicht genau vorhersagbar ist. In den meisten
Fäl en bewirkt die Anwendung der SDN 1-Technik durch eine Leserahmenverschiebung den
knock-out des betreffenden Gens. Aus diesem Grund haben Wissenschaftler die Nuklease
des CRISPR/Cas9 Systems so verändert, dass Punktmutationen ohne Erzeugung eines Dop-
pelstrangbruchs sowohl örtlich als auch vom Ergebnis her gezielt erfolgen können (Base Edi-
ting). Dazu wird ein verändertes Cas9-Protein verwendet, welches die DNA zwar bindet, diese
jedoch nicht mehr schneidet. Diese modifizierte Cas9-Nuklease ist z.B. mit einer Cytidin-De-
aminase fusioniert, die Cytidin in Thymidin und Guanosin in Adenosin umwandelt (Komor
et
al., 2016). Damit sind gezielte Umwandlungen eines bestimmten Nukleotids des Genoms in
ein anderes Nukleotid möglich. Diese Methode ist prinzipiel auch für andere SDN-Techniken
denkbar. Da dieser Ansatz ohne den Einsatz zusätzlicher DNA wie etwa bei der SDN 2-Tech-
nik auskommt, kann es nicht zu deren zufäl igem Einbau in das pflanzliche Genom kommen.
Die Komponenten ortsspezifischer Nukleasesysteme können grundsätzlich auf unterschiedli-
che Weise in einen Organismus eingebracht werden. Die DNA für die beteiligten Komponenten
kann entweder in das Genom des Organismus integriert werden oder auf einer vorübergehend
anwesenden rekombinanten DNA (z.B. einem Plasmid) vorliegen. Wenn die Komponenten in
das Genom integriert wurden, enthält der zunächst erzeugte Organismus gentechnisch verän-
derte DNA. Nachkommen, die als finales Produkt verwendet werden sol en, werden aber in
der Regel durch nachfolgende Kreuzungs- und Selektionsschritte so generiert, dass sie zwar
die genomeditierte Veränderung tragen, aber keine gentechnisch veränderte DNA mehr ent-
halten (Nul -Segreganten). Alternativ können die Komponenten als RNA und/ oder als Protein
direkt in die Zel e eingebracht werden (präassembliertes System).
Bei der Oligonukleotid-gerichteten Mutagenese (ODM) werden synthetische Oligonukleotide
mit einer Länge von ca. 20 bis 100 Nukleotiden in die Zel e eingebracht, um an einer bestimm-
ten Sequenz ortsspezifisch Mutationen zu erzeugen. Die Technik beruht auf der sequenzspe-
1.1
zifischen Wechselwirkung des Oligonukleotids mit seiner Zielsequenz im Genom der Zel e.
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Das eingesetzte Oligonukleotid ist fast vol ständig homolog zu seiner Zielsequenz, es enthält
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jedoch mindestens ein abweichendes Nukleotid. Dadurch kommt es zu einer Fehlpaarung zwi-
schen Oligonukleotid und genomischer DNA. Die wird durch zel eigene Mechanismen erkannt
und repariert, indem das veränderte Nukleotid an der entsprechenden Stel e eingebaut wird.
Die Mutationen sind hier meistens Austausche von einzelnen oder wenigen Nukleotiden, es
können aber auch kurze Deletionen oder Insertionen sein. Es werden verschiedene Arten von
Oligonukleotiden eingesetzt (Laible
et al., 2006; Simon
et al., 2008; Storici, 2008). Dazu zählen
einzelsträngige DNA, chimäre Oligonukleotide mit Anteilen von RNA und DNA, Oligonukleo-
tide, die durch Hoogsteen-Wasserstoffbrücken eine Triple-Helix mit der Zielsequenz bilden
(
triplex-forming oligonucleotides; TFO) und RNA-Oligonukleotide. Einige der Oligonukleotide
werden auch mit veränderten Nukleobasen und/oder modifizierter Ribose zwecks Erhöhung
der Bindung zur Zielsequenz eingesetzt, sogenannte
locked nucleic acids (LNA). Für die
Triple-Helix-Bildung eignen sich ebenso über Peptidbindungen verknüpfte Nukleobasen (sog.
peptide nucleic acids; PNA).
2.3 LITERATUR:
Komor AC, Kim YB, Packer MS, Zuris JA, Liu DR (2016) Programmable editing of a target
base in genomic DNA without double-stranded DNA cleavage, Nature, 533, 420-424.
Laible G, Wagner S, Alderson J (2006) Oligonucleotide-mediated gene modification and its
promise for animal agriculture, Gene, 366, 17-26.
Simon P, Cannata F, Concordet JP, Giovannangeli C (2008) Targeting DNA with triplex-
forming oligonucleotides to modify gene sequence, Biochimie, 90, 1109-1116.
Storici F (2008) RNA-mediated DNA modifications and RNA-templated DNA repair, Current
Opinion in Molecular Therapy, 10, 224-230.
1.1
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3 MODUL I: EINGRENZUNG DES DISKUSSIONSRAUMS
Der Bericht ist wissenschaftlicher Natur und sol den aktuel en Stand der Technik darstel en.
Die rechtliche Einordnung von Organismen, die mit Hilfe der neuen Techniken verändert
wurden, ist nicht Gegenstand der Diskussion in den Modulen.
In Modul II werden die verschiedenen Methoden des
Genome Editing dargestel t und mit den
herkömmlichen Verfahren der Pflanzenzüchtung und Tierzucht sowie mit der klassischen
Gentechnik (DNA-Rekombinationstechniken) verglichen.
Bei der Bewertung werden sowohl die Folgen der beabsichtigten Auswirkungen (
intended
effects) als auch der unbeabsichtigten Auswirkungen (
unintended effects) der Techniken be-
trachtet. Nicht behandelt werden mögliche Risiken, die an die neu entstandenen Eigenschaf-
ten gekoppelt sind, da diese unabhängig von der eingesetzten Züchtungsmethode sind. Des
Weiteren wird in Modul III die Frage der Nachweisbarkeit bzw. Identifizierbarkeit von Orga-
nismen diskutiert, die mittels
Genome Editing verändert wurden.
Die Anwendungspotenziale des
Genome Editing im Bereich Ernährung und Landwirtschaft
werden in Modul IV vorgestel t.
Die folgenden Verfahren des
Genome Editing werden im Rahmen dieser Module betrachtet:
- Nutzung ortsspezifischer Nukleasesysteme (
site directed nucleases; SDN 1, SDN 2,
SDN 3);
- Base Editing ohne Doppelstrangbruch;
- Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese (
oligonucleotide directed mutagenesis; ODM).
Nicht in den Modulen behandelt werden Synthetische Biologie und Gene Drive.
• Die unter dem Begriff Synthetische Biologie diskutierten Techniken bzw. Konzepte
sind so unterschiedlich, dass eine für al e diese Techniken gültige Darstel ung und
Diskussion weder sinnvol noch möglich ist.
• Gene Drive-Systeme stel en eine speziel e Anwendung des
Genome Editing mittels
ortsspezifischer Nukleasen dar. Die Verwendung von Gene Drive-Systemen in der
Pflanzen- oder Tierzüchtung ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand unwahrschein-
lich.
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4 MODUL II: SPEZIFISCHE MERKMALE DER GENOME
EDITING-TECHNIKEN
4.1 ZUSAMMENFASSUNG MODUL II:
Unbeabsichtigte Mutationen (
Off target-Mutationen), pleiotrope oder Positionseffekte treten
bei Pflanzen und Tieren bei jeder Kreuzung und jeder induzierten Mutagenese auf. Diese
müssen durch einen aufwändigen Rückkreuzungs- und Selektionsprozess in der weiteren
Züchtung entfernt werden. Das
Genome Editing führt insbesondere beim Einsatz zeitgemä-
ßer Verfahren selten zu
Off target-Effekten. Für diese
Off target-Effekte gibt es zuverlässige
und ausreichend sensitive Nachweisverfahren. Auch unbeabsichtigte Effekte auf angren-
zende Gene bzw. pleiotrope Effekte sind nur in geringem Ausmaß zu erwarten. Die Wahr-
scheinlichkeit von nicht gewünschten Effekten ist bei
Genome Editing mit der ortsgerichteten
Nuklease-Technik geringer als bei der Mutagenesezüchtung (Pflanzen) und auch teilweise
bei der klassischen Züchtung. Multiple gezielte Genomveränderungen sind mit
Genome Edi-
ting besser realisier- und kontrol ierbar als mit klassischen Verfahren. Dies gilt sowohl für
Pflanzen und Tiere als auch für Mikroorganismen.
Das
Genome Editing stel t daher nach jetzigem Kenntnisstand eine deutliche Verbesserung
in Präzision, Effizienz und Kontrol ierbarkeit gegenüber bisherigen Genmodifikations- (Muta-
genese) und Gentransferverfahren dar.
4.2 EINLEITUNG
Die Information zur Bildung und zur Aufrechterhaltung eines Organismus ist in der DNA ge-
speichert, deren Gesamtheit man als Genom bezeichnet. Eine Kopie des Genoms eines Or-
ganismus liegt in jeder seiner Zel en vor. Die DNA besteht aus bis zu mehreren Mil iarden
von vier Bausteinen (Nukleotiden), die in einem Strang angeordnet sind und eine spezifische
Abfolge bilden (die Nukleotidsequenz). Jeweils zwei dieser Stränge binden aneinander und
formen so ein Doppelstrangmolekül, das sich durch Zusammenfaltung zu einem mikrosko-
pisch sichtbaren Chromosom organisiert, welches bei höheren Organismen im Zel kern loka-
1.1
lisiert ist. Weitere DNA-haltige Bereiche in der Zel e sind die Mitochondrien und, zusätzlich
bei Pflanzen, die Plastiden (u.a. Chloroplasten). Neben den Chromosomen existieren in den
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Zel en vieler Bakterien und selten auch bei höheren Organismen auch kleinere, extrachromo-
somale DNA-Moleküle wie etwa Plasmide. Nur Teilbereiche einer DNA-Sequenz eines Chro-
mosoms tragen Geninformationen, die Enzyme kodieren. Andere Bereiche haben regulatori-
sche, teilweise keine direkten oder unbekannten Funktionen. Der Mensch hat etwa 42.000
Gene, 20.000 davon werden in Protein umgesetzt (kodierend), 22.000 davon sind nicht-ko-
dierend (http://www.ensembl.org). Die Zahl der Gene bei anderen Säugern liegt in einer ver-
gleichbaren Größenordnung. Pflanzen verfügen über 25.000 bis 50.000, Bakterien 470 bis
7.000 Gene. Ihre Aktivität führt zu spezifischen Stoffwechselprozessen in der Zel e. Eine Ver-
änderung dieser Gene hat daher auch eine Veränderung dieser Prozesse zur Folge. Eine
solche Veränderung ist seit jeher das Ziel von Züchtung, denn Stoffwechselprozesse sind
letztendlich für die Eigenschaften eines Organismus verantwortlich.
Die neue Eigenschaft von
Genome Editing-Verfahren ist nicht die Fähigkeit, die oben be-
schriebenen DNA-Sequenzen
per se zu modifizieren. Das wurde schon seit Jahrzehnten z.B.
in Pflanzen durch die Verfahren der klassischen Mutagenese, wie Bestrahlung oder den Ein-
satz von erbgutverändernden Chemikalien, geleistet. Dabei kommt es zur zufäl igen Verän-
derung der DNA-Sequenz und damit zur Veränderung der Gene und der Eigenschaften ei-
nes Organismus. Auch durch wiederholtes Passagieren z.B. von Pflanzenzel en durch Ge-
webekultur mit anschließendem Anziehen von ganzen Pflanzen aus diesen Geweben entste-
hen zufäl ige, sogenannte somaklonale Mutationen. Der Ort der durch solche Verfahren indu-
zierten Mutationen im Genom ist nicht beeinflussbar und auch die Zahl der erzeugten Mutati-
onen ist sehr hoch. Dies macht einen langwierigen Rückkreuzungs- und Selektionsprozess
nötig, um ungewol te Mutationen aus dem Genom zu entfernen. Klassische Mutagenese-
züchtung hat laut der Joint FAO/IAEA Mutant Variety Datenbank mittlerweile mehr als 3000
Kulturpflanzenvarietäten hervorgebracht.
Das neue Potenzial des
Genome Editing besteht darin, eine Mutation an genau einer ge-
wünschten Stel e in einer DNA-Sequenz platzieren zu können. Insofern arbeitet die
Genome
Editing-Technik mit einer sehr hohen Präzision.
Im Rahmen dieses Moduls sol en die spezifischen Merkmale und die verschiedenen Metho-
den des
Genome Editing dargestel t und mit den herkömmlicher Verfahren der Pflanzen-
bzw. Tierzüchtung sowie mit Verfahren „klassischer Gentechnik“ (DNA-Rekombinationstech-
niken) verglichen werden.
1.1
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Bei der Bewertung werden sowohl die Folgen unbeabsichtigter Auswirkungen (
„unintended
effects“) als auch beabsichtigter Auswirkungen (
„intended effects“) der Techniken betrachtet.
Nicht behandelt werden mögliche Risiken, die an die neu entstandenen Eigenschaften ge-
koppelt sind, da diese unabhängig von der eingesetzten Züchtungsmethode sind.
In diesem Modul werden die „Synthetische Biologie“ und „
Gene Drive“-Systeme nicht behan-
delt:
• Die unter dem Begriff Synthetische Biologie diskutierten Techniken bzw. Konzepte
sind so unterschiedlich, dass eine für al e diese Techniken gültige Darstel ung und
Diskussion weder sinnvol noch möglich ist.
•
Gene Drive-Systeme stel en eine speziel e Anwendung des
Genome Editing mittels
ortsspezifischer Nukleasen dar. Die Verwendung von
Gene Drive-Systemen in der
Pflanzen- oder Tierzüchtung ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand unwahrschein-
lich.
4.3 FUNKTIONSWEISE DES GENOME EDITING
Die meisten Verfahren des
Genome Editing nutzen zwei Komponenten (Ausnahmen s. u.:
ODM und
„Base Editing“): Eine „Schere“ (Nuklease), welche den DNA-Doppelstrang en-
zymatisch schneidet, sowie einen „Lotsen“, der diese Nuklease an eine vorher ausgewählte
Stel e der Erbsubstanz führt. Dieses Erkennen des Ziels durch den Lotsen beruht auf einer
passgenauen elektrochemischen Wechselwirkung des Lotsen mit seinem Ziel, ohne dass
zwischen beiden eine feste chemische Verbindung geknüpft wird. Die Nuklease lagert sich
an den Lotsen an oder ist sogar mit ihm verbunden und wird von ihm an die gewünschte
Stel e geführt. Darum werden diese Techniken des
Genome Editing auch
„site directed nu-
clease“-Techniken (SDN) genannt. Zweck ist es zunächst, an der gewünschten Stel e einer
DNA-Sequenz einen Strangbruch zu erzeugen, wobei meist der gesamte Doppelstrang be-
troffen ist. Solche DNA-Brüche sind für Zel en gefährlich: Sie behindern nicht nur das Able-
sen der Gene, sondern sie verleihen der Erbsubstanz auch Instabilität. Daher haben Orga-
nismen im Laufe ihrer Evolution Reparatursysteme hervorgebracht, die solche Brüche mög-
lichst schnel beseitigen.
1.1
In einem Pflanzen- oder Tiergenom werden DNA-Doppelstrangbrüche (DSB) fast aus-
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schließlich durch den zel eigenen Mechanismus des
„Non-homologous end joining“ (NHEJ)
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repariert (99 % bei Pflanzen, ca. 90% bei Tieren). Bei dieser Reparatur werden die DNA-
Bruchenden entweder unverändert durch ein Enzym (Ligase) wieder zusammengefügt oder
die Bruchenden werden vor dem Zusammenfügen verkürzt. NHEJ umfasst zwei Spielarten:
Das klassische NHEJ, welches fehlerfreie Reparaturen ermöglicht, und das alternative
NHEJ, bei dem es zu Fehlern bei der Reparatur kommen kann (Bétermier
et al., 2014). Die
Häufigkeit der Fehler ist schwer zu berechnen, da keine Daten darüber vorliegen, wie oft kor-
rekt repariert wird. Nach bisher vorliegenden Erkenntnissen führen etwa 2/3 dieser Repara-
turfehler zu einem funktionel en Ausschalten des betroffenen Gens. Folgende Fehler können
auftreten:
• Insertion oder Deletion von einzelnen Basen,
• Insertion oder Deletion von Sequenzen unterschiedlicher Länge,
• Basen-Substitutionen,
• DNA-Inversionen (Herausbrechen, Verdrehen und Wiedereinfügen eines DNA-Stü-
ckes) und
• Translokationen (DNA-Segmente brechen heraus und werden an anderer Stel e wie-
der eingefügt).
Bei Mikroorganismen hingegen erfolgt die Reparatur eines Doppelstrangbruchs natürlicher-
weise über
Homology directed repair (HDR) und nur selten über NHEJ. Dieser Mechanismus
nutzt eine Vorlage (Matrize), z.B. bei Eukaryonten das Schwesterchromatid, um die Schäden
wieder aufzufül en (Reiss
et al., 2000). Mittels HDR wird bei Pflanzen nur ein sehr kleiner An-
teil der DNA-Brüche repariert (<0,1%), bei Tieren ca. 10%. Die Entscheidung darüber, wel-
cher der Reparaturmechanismen für die Reparatur des DSB verwendet wird, hängt von der
Phase des Zel zyklus ab, in dem der DSB induziert wird, also ob sich die Zel e z.B. in einer
Vermehrungsphase befindet oder nicht. NHEJ kann in jeder Phase des Zel zyklus verwendet
werden, während eine Reparatur des DSB mittels HDR nur in der S- und G2-Phase des Zel -
zyklus geschieht, bei Pflanzen fast nur in der Meiose. Bei Mikroorganismen, die längere Zei-
ten in der stationären Wachstumsphase verbringen, erfolgen Reparaturen von Doppelstrang-
brüchen in dieser Ruhephase durch NHEJ (Bowater und Doherty, 2009).
Die oben beschriebenen Fehler des zel eigenen Reparatursystems nutzt die SDN-Technik
aus: Nachdem das Lotsensystem die Nuklease (
„site directed nuclease“, SDN) an den ge-
wünschten Ort im Genom geführt hat, werden in die DNA entweder Doppelstrangbrüche
1.1
(DSB) oder bei Varianten der Methode Einzelstrangbrüche (sogenannte
Nicks) erzeugt. Jetzt
kommt es darauf an, wie der Bruch von der Zel e repariert wird: Überlässt man die Reparatur
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der Zel e, so kann an der reparierten Stel e durch NHEJ eine der oben erwähnten Mutationen
(SDN 1) entstehen. Alternativ kann man auch ein Stück DNA (Donor-DNA) als Reparatur-
matrize in die Zel e einschleusen, die sich um ein oder wenige Nukleotide von der Zielse-
quenz unterscheidet. Die Zel e kann diese DNA dann mittels HDR als Vorlage nutzen, um
die Schnittstel e zu schließen. Im Ergebnis wird die enthaltene Veränderung übernommen
(SDN 2). Die Zugabe dieser Reparaturmatrize dient also zur Erzeugung von vorherbestimm-
ten kleinen Mutationen im Genom, die üblicherweise als Einzelnukleotid-Polymorphismus
(
„short/single nucleotide polymorphism“, SNP) bezeichnet werden. Durch strukturiertes Wäh-
len der Schnittstel e und des Designs der Vorlage können im Tierbereich Effizienzen von
>50% für eine korrekte Integration erzielt werden.
Schließlich ist es möglich, als Reparaturmatrize eine rekombinante DNA in die Zel e zu ge-
ben, die neben der ursprünglichen homologen Sequenz ein größeres Stück Fremd-DNA be-
inhaltet. Auch dieses wird dann bei der Reparatur in den Schnitt hinein synthetisiert (SDN 3).
4.4 TECHNIKEN DES GENOME EDITING
4.4.1 Meganukleasen
Meganukleasen (MN) sind Proteine, die in ihrer Sequenz sowohl die Funktion zur spezifi-
schen DNA-Bindung, als auch die Nukleasefunktion tragen. Ihre Erkennungssequenz auf der
DNA-Ebene ist üblicherweise länger als 20 Nukleotide und sie schneiden nur bei korrekter
Bindung an diese Erkennungssequenz. Die Spezifität ist durch die lange Erkennungsse-
quenz sehr hoch.
4.4.2 Zinkfingernukleasen
Zinkfingernukleasen (ZFN) entstehen durch Fusion eines DNA-bindenden Proteins, dem
Zinkfinger (ZF)-Protein, und einer Nuklease, i.d.R. der unspezifischen Nuklease FokI. Das
ZF-Protein bewirkt die Lotsenfunktion, indem es pro Finger drei bestimmte Nukleotide der
DNA erkennt und bindet. Kombiniert man also z.B. vier Zinkfinger, dann erhält man eine spe-
zifische Bindung an eine 12 Nukleotide lange DNA-Sequenz. Die fusionierte Nuklease
schneidet unspezifisch dort, wo sie an die DNA geführt wird. Sie schneidet aber üblicher-
weise nur als Dimer, wenn an den beiden Strängen der DNA in räumlicher Nähe eine Bin-
1.1
dung stattfindet.
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4.4.3 TALEN
Transcription Activator Like Effector Nukleasen (TALEN) bestehen wie die ZFN aus fusio-
niertem bindendem Protein (TALE) und einer unspezifischen Nuklease. Das TALE-Protein
hat die Lotsenfunktion und erkennt pro Einheit ein spezifisches Nukleotid der DNA. Für die
Spezifität sind nur die Aminosäuren 12 und 13 der insgesamt 34 Aminosäuren langen Einheit
entscheidend. Die Nuklease schneidet wie bei den ZFN nur als Dimer.
4.4.4 CRISPR/Cas9
Das
„Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“ (CRISPR)-System besteht
im Unterschied zu den vorhergehenden Nuklease-Systemen aus einer RNA-Komponente
und einer Nuklease. Die RNA-Komponente ist eine synthetische Nukleinsäure, die aus zwei
natürlichen, bakteriel en RNA Molekülen abgeleitet wurde. Diese sind ursprünglich Teil eines
bakteriel en Abwehrmechanismus gegen Bakteriophagen. Die RNA-Komponente des
CRISPR/Cas9-Systems sorgt für die Erkennung der Zielsequenz sowie für die Bindung der
Nuklease. Sie beinhaltet also die Lotsenfunktion, indem eine i.d.R. 20 Nukleotide lange Se-
quenz spezifisch an komplementäre Nukleotidsequenzen der DNA bindet. Die RNA-Kompo-
nente wird daher auch
single guide (sg) RNA genannt. Die CRISPR assozi erte Nuklease
(Cas) bindet an den Komplex aus DNA und RNA und schneidet die DNA direkt vor einer defi-
nierten Sequenz mit drei Nukleotiden Länge, der sogenannten PAM-Sequenz
(Protospacer
Adjacent Motif). Die PAM-Sequenz taucht natürlicherweise etwa al e 8 Basenpaare im Ge-
nom auf. Hierbei ist keine Dimerisierung der Nuklease erforderlich. Die Spezifität des Sys-
tems ergibt sich aus der Wahl der 20 Nukleotide langen Bindungssequenz der sgRNA.
Techniken unter 4.4.1 – 4.4.4 werden, wie oben beschrieben, auch als SDN-Techniken be-
zeichnet.
4.4.5 Oligonucleotide Directed Mutagenesis“
Die Methode der
„Oligonucleotide Directed Mutagenesis“ (ODM) verwendet für die Auslö-
sung von Mutationen ein kurzes einzelsträngiges Oligonukleotid, das aus einem Gemisch
von RNA und modifizierter DNA bestehen kann. Dieses Oligonukleotid ist gegen eine Se-
quenz des Genoms gerichtet und zu dieser fast vol ständig homolog. Sie enthält jedoch min-
destens eine unterschiedliche Base im Vergleich zur Zielsequenz, so dass es bei der Paa-
rung zwischen Oligonukleotid und genomischer DNA zu einer Fehlpaarung kommt. Diese
1.1
Fehlpaarung wird durch das zel eigene Reparatursystem erkannt und repariert, was in eini-
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gen Fäl en zum Einbau der veränderten Base an dieser Stel e und damit zu einem veränder-
ten Basenpaar führen kann. Die hierbei auftretenden Veränderungen sind fast ausschließlich
Basenaustausche.
4.4.6 „Base Editing“
Beim sogenannten
„Base Editing“ wird das Prinzip des CRISPR/Cas9 Systems genutzt, in-
dem ein mutiertes Cas9-Enzym, das durch die Veränderung keine DNA-Schnitte mehr
durchführen kann, mit dem Enzym Cytosin-Deaminase gekoppelt wird (Komor
et al., 2016).
Das Fusionsprotein aus der sogenannten deadCas9 (dCas9) und der Cytosin-Deaminase
bindet weiterhin an die
single guide RNA (sgRNA) und wird zur Zielsequenz geführt. Dort
wird jedoch die DNA nicht geschnitten. Durch die Cytosin-Deaminase wird vielmehr die
Zielsequenz innerhalb eines Fensters von fünf Basen so modifiziert, dass al e dort vorhande-
nen Cytosin-Basen (C) letztendlich zu Thymin-Basen (T) umgebaut werden. Bei dieser Me-
thode gibt es daher auch keine unerwünschten Insertionen oder Deletionen. Die Methode
eignet sich für die Einführung von Punktmutationen, al erdings nur für Substitutionen C zu T
oder indirekt auf dem komplementären DNA-Strang Guanin (G) zu Adenin (A). Befinden sich
mehrere Cytosine in dem Bereich von fünf Basen, dann werden al e sequenziel zu Thymin
verändert (Komor
et al., 2016). Dieses Verfahren wurde bereits erfolgreich zur Genomverän-
derung in Mäuseembryonen angewandt, wobei die Mutationsfrequenz bei 44-57% lag (Kim
et al. 2017).
4.5 VERGLEICHENDE BETRACHTUNG DER METHODENSPEZIFISCHEN MERK-
MALE UND RISIKEN
Sowohl durch herkömmliche Mutageneseverfahren (chemische und physikalische Muta-
genese durch Bestrahlung) als auch durch somaklonale Variationen bei Gewebekulturpassa-
gen entstehen Mutationen. Möchte man daher die potenziel en Risiken der Techniken des
Genome Editing betrachten, bietet sich ein Vergleich von SDN 1, SDN 2, ODM und „Base
Editing“ mit diesen herkömmlichen Züchtungstechniken an. Hingegen ist es am sinnvol sten,
die SDN 3-Technik mit der klassischen Züchtung und mit der klassischen Gentechnik zu ver-
gleichen, da bei al en drei Verfahren neue Nukleinsäuresequenzen in das Genom eines Or-
1.1
ganismus eingeführt werden.
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Des Weiteren gibt es noch
Genome Editing-Verfahren, die zu epigenetischen Veränderun-
gen führen. So gibt es z.B. an dCas9 gekoppelte Methylasen oder Demethylasen, die zu ei-
ner Methylierung/Demethylierung der entsprechenden Genomregion und damit zur Modifika-
tion des Ablesens der Gene führen. Da diese Veränderungen zu keiner Sequenzverände-
rung im Genom führen, sind sie nicht Gegenstand dieses Moduls.
4.5.1 Unbeabsichtigte Effekte
4.5.1.1 Unbeabsichtigte Sequenzänderungen (Off target-Mutationen und nicht vorher-
sagbare, zufällige Sequenzänderungen)
Unter
Off target-Mutationen bei der Anwendung von
Genome Editing-Verfahren werden sol-
che Mutationen verstanden, die nicht an der Zielposition im Genom entstehen. Das liegt
meist daran, dass es sich bei solchen Stel en um DNA-Sequenzen handelt, die eine hohe
Ähnlichkeit zur angesteuerten DNA-Sequenz aufweisen. Daher bindet der Lotse zu einem
geringen Prozentsatz auch an solche ähnliche Stel en. Die Nutzung repetitiver Sequenzen
als Lotse birgt eine höhere Wahrscheinlichkeit des Auftretens von
Off target-Mutationen.
Mutationen, also auch
Off target-Mutationen, können zielgerichtet mit Hilfe spezifischer PCR-
Anwendungen (
Surveyor Nuklease Assay, T7 Assay,
targeted deep sequencing) oder nicht
zielgerichtet durch eine vol ständige Sequenzierung des Genoms („
whole genome Sequen-
zierung“, WGS) detektiert werden. Die große Variabilität im Genom höherer Organismen
kann es schwierig machen, einzelne
Off target-Mutationen mit Hilfe von WGS sicher zu iden-
tifizieren.
Bei Verfahren zur Detektion von
Off target-Mutationen durch
Genome Editing ist anzumer-
ken, dass nur gezielt in Sequenzen gesucht wird, die sehr ähnlich zur Zielsequenz sind. Um
diese
Off target-Orte zu bestimmen, werden bioinformatische Vorhersageprogramme ge-
nutzt. Diese eignen sich gleichermaßen für Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen.
1.1
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4.5.1.2 Off targeting bei Pflanzen
Genome Editing
Bei Pflanzen wurden
Off target-Effekte nur in Sequenzen gefunden, die wenige abweichende
Basen von der Zielsequenz aufweisen und auch nur dann, wenn diese nicht in der Kernre-
gion der Zielsequenz liegen. Bezogen auf die Genomgröße beträgt die
Off target-Rate beim
CRISPR/Cas9 Verfahren z.B. in Reis in einer Sequenz, die sich nur durch eine Base von der
Zielsequenz unterscheidet, ca. 3x10-10 (Zhang
et al., 2014). In diesem Fal konnte ein
Off tar-
get-Ereignis detektiert werden, das in 10% der Sequenzierungen dieser spezifischen
Off tar-
get-Sequenz auftrat. Dieser sehr geringe Anteil wird sich mit verbesserten oder präziseren
DNA-Nukleasen noch weiter reduzieren, z. B. durch Nickasen (Schiml
et al., 2014), HF-
SpCas9 (Kleinstiver
et al., 2016a), eCas9 (Slaymaker
et al., 2016) oder auch Cpf1 (Kleinsti-
ver
et al., 2016b).
Beim TALEN-Verfahren konnten in einer Studie neben der erwarteten Mutation noch drei
weitere Deletionen identifiziert werden. Diese befanden sich in Bereichen, die keine Ähnlich-
keiten zur Zielsequenz aufweisen. Da die Pflanzen in dieser Studie al erdings Zel kulturpas-
sagen durchliefen, bei denen weitere Mutationen auftreten können, war die Ursache der De-
letionen nicht zu ermitteln (Forner
et al., 2015). Bei ZFN-Verfahren konnten in Pflanzen bis-
her keine
Off target-Effekte gezeigt werden. Al erdings ist die Datenlage für TALENs und
ZFNs deutlich geringer als bei CRISPR/Cas9 (Zhang
et al., 2010; Li
et al., 2012, Forner
et
al., 2015).
In einigen Fäl en wurde das gesamte Genom von Pflanzen mittels
whole genome sequen-
cing (WGS) sequenziert, um
Off target-Effekte aufzuzeigen, die nicht vorhergesagt wurden.
Bisher wurden in keiner dieser Studien
Off target-Effekte detektiert, die eindeutig der verwen-
deten Technik zugeschrieben werden konnten (Feng
et al., 2014; Zhang
et al., 2014; Forner
et al., 2015; Peterson
et al., 2016).
Für ODM gibt es bisher keine veröffentlichten Daten zur
Off target-Rate, sie sol te aber auf
Grund der verwendeten Technik (kein DNA-Bruch) und des DNA-Reparaturmechanismus
(Fehlpaarungsreparatur) im Bereich unter 1% liegen bezogen auf die Sequenzen, an die das
Oligonukleotid überhaupt binden kann.
1.1
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Beim
Base Editing unter Verwendung eines inaktiven Cas9 Proteins mit kombinierter Cyto-
sin-Deaminase kann es zu
Off target-Effekten im beschriebenen Fenster von fünf Nukleoti-
den kommen. Dieses passiert, und zwar genau dann, wenn es auch zur
Off target-Bindung
von Cas9 kommt (Komor
et al., 2016). Da diese Technik bei Pflanzen bisher selten zum Ein-
satz kam, kann über die absolute
Off target-Rate derzeit keine Aussage getroffen werden.
Daten aus
Escherichia coli deuten al erdings darauf hin, dass zusätzliche
Off target-Effekte
möglich sind (Yang
et al., 2016). Die in dieser Studie untersuchte Deaminase (
Activation In-
duced Deaminase, AID) zeigte genomweit eine erhöhte Rate an Cytosin-Deaminierung und
dies unabhängig von den Fusionsproteinen (Zinkfinger und TALE), die für die Zielsequenzer-
kennung verwendet wurden (Yang
et al., 2016).
Natürliche Mutationen, klassische Züchtung
Die natürliche Mutationsrate beträgt bei
Arabidopsis thaliana etwa eine Mutation pro Genera-
tion, also eine pro 150.000 Kilobasenpaaren (kbp) (Ossowski
et al., 2010). Bei der Kreu-
zungszüchtung werden durch die Kreuzung zwei haploide Elterngenome miteinander in Ver-
bindung gebracht und in der nächsten Generation durch Rekombination miteinander vol -
ständig vermischt. Bei der Vermischung der Elterngenome kann es zu Verlusten von ganzen
Genen, Neukombinationen, Fragmentierungen und auch Translokationen kommen, die nicht
nur auf die einzelnen Loci beschränkt sein müssen, sondern ganze Chromosomenabschnitte
beinhalten können. Möchte man ein Gen, das für eine bestimmte wünschenswerte Eigen-
schaft verantwortlich ist, aus einem der beiden Kreuzungspartner in den anderen (z.B. eine
Elitelinie) überführen, so überträgt man in der ersten Generation unerwünschter Weise 50%
des Genoms des Kreuzungspartners. Durch wiederholte Rückkreuzung gegen die Linie, in
der die neue Eigenschaft etabliert werden sol , unter Beibehaltung des Selektionsdruckes für
das gewünschte Gen, wird dieser Anteil von Generation zu Generation etwa halbiert. Nach
sieben erfolgten Rückkreuzungen reduziert sich dadurch der Anteil des Fremdgenoms auf
etwa 0,7%.
Herkömmliche Mutagenesezüchtung
Bei den bereits bekannten Züchtungstechniken, die Genomveränderungen durch Erhöhung
der Mutationsrate bewirken, also chemische und physikalische Mutagenese, sowie bei Muta-
tionen, die durch Zel kulturpassagen auftreten (somaklonale Variation), treten sehr hohe
Off
target-Raten auf. Bei der chemischen Mutagenese wird durch die Behandlung von Saatgut
1.1
mit Chemikalien (heutzutage hauptsächlich EMS = Ethylmethansulfonat oder MNU =1-me-
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thyl-1-nitrosoharnstoff) eine große Anzahl von Mutationen im Genom erzeugt. Eine Methode,
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die diese chemische Mutagenese mit einem molekularbiologischen Screeningverfahren zur
Lokalisierung der erhaltenen Punktmutationen kombiniert, wird als TILLING (
Targeted In-
duced Local Lesions In Genomes) bezeichnet. Bei den hier üblicherweise verwendeten Kon-
zentrationen des Mutagens (1,5 %) kommt es zu 1 vererbten Mutation pro 150 bis 300 kbp
im Genom (Jander
et al., 2003; Til
et al., 2007; Cooper
et al., 2008). Die physikalische Muta-
tions-Induktion mit ionisierender Strahlung wurde bisher weniger gut quantifiziert. Es gibt
hierzu die Aussage von Auerbach (1944), dass Chemikalien entdeckt wurden, die in der Mu-
tationsinduktion so effektiv wie Gamma-Bestrahlung wirken. Daraus kann man rückschlie-
ßen, dass die Anzahl von Mutationen bei der ionisierenden Strahlung in der gleichen Grö-
ßenordnung wie bei der chemischen Mutagenese liegt.
Die Rate an Mutationen, die in Zel kulturpassagen auftreten (somaklonale Variation), liegt
laut Miayo
et al. (2012) für Reis bei ca. 1 Mutation pro 500 kbp, ist also immer noch vielfach
höher als die natürliche Mutationsrate. Von den durch herkömmliche Mutationszüchtung aus-
gelösten Mutationen sind bezogen auf das Gen, welches mutiert werden sol , al e anderen
Mutationen
Off target-Ereignisse. Die Frequenz von
Off target-Ereignissen liegt also bei al en
Verfahren der Mutationszüchtung im Bereich von >99,9%. Ein Nachweis der
Off target-Muta-
tionen bei der induzierten Mutation oder der somaklonalen Variation ist nur über eine Rese-
quenzierung möglich. In der Praxis wird häufig ein kleiner Teil des Genoms amplifiziert und
sequenziert, die gefundenen Mutationen werden dann im Folgenden auf das gesamte Ge-
nom extrapoliert.
„Klassische Gentechnik“
Bei klassischen transgenen Pflanzen kann es zu mehrfacher Insertion des Transgens ins
Genom kommen. Dieses geschieht zufäl ig und ungerichtet und kann am selben oder an un-
terschiedlichen Insertionsorten geschehen. Diese zusätzlichen Insertionen und auch Insertio-
nen von Bruchstücken der Vektor T-DNA können als
Off target-Ereignisse der klassischen
Gentechnik aufgefasst werden. Diese lassen sich aber gut detektieren, da die Sequenz der
T-DNA (oder des Transgens) bekannt ist und so ein Nachweis über Southern Blot-Analyse
oder PCR durchgeführt werden kann. In seltenen Fäl en kann es zu Splitterbildung kommen
(Fragmentinsertionen); diese sind schwieriger nachzuweisen. Ein Nachweis ist jedoch auch
hier möglich z.B. über Genom-Sequenzierungsverfahren (
Whole Genome Sequencing,
WGS) (Schouten
et al., 2017).
1.1
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4.5.1.3 Off targeting bei Tieren
Genome Editing
Al e bisherigen Befunde deuten darauf hin, dass der Anteil an sogenannten
Off target-Mutati-
onen bei Nutztieren nur sehr gering ist und mit verbesserten DNA-Nukleasen noch weiter zu-
rückgehen wird, z. B. durch Nickase (Shen et al 2014), HF-SpCas9 (Kleinstiver
et al. 2016a),
eCas (Slaymaker
et al. 2016), Cpf1 (Kleinstiver
et al. 2016b); ähnliches gilt für TALEN und
ZFN.
Diese verbesserten CRISPR/Cas9 Systeme enthalten zum Beispiel eine inaktivierte Cas9.
Als Nuklease dient hierbei eine konjungierte FokI-Endonuklease, die für einen DSB eine Di-
merisierung und damit, in Analogie zu ZFN und TALENs, ein zweites CRISPR/Cas Molekül
benötigt. Dies sorgt für eine deutlich längere Erkennungssequenz und somit für zusätzliche
Spezifität (Tsai et al., 2014).
Off targets sind theoretisch abhängig von der Länge der Erken-
nungssequenz, gleichzeitig spielen aber auch Konformitätsänderungen eine wichtige Rol e.
Repetitive Sequenzen bergen eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von
Off tar-
gets. Schaefer et al., (2017) berichteten, dass CRISPR/Cas9 behandelte Mäuse eine hohe
Zahl unerwarteter off-targets im Vergleich zu einem nicht-behandelten Wurfgeschwister auf-
wiesen. Diese Mutationen seien zudem an
loci entstanden, die keine Homologie zur guide-
RNA aufwiesen. Die Publikation wurde wegen der unzureichenden statistischen Aussage-
kraft und das Fehlen von Kontrol en kritisiert. Vor al em seien die Elterngenome nicht ausrei-
chend untersucht worden um sicherzustel en, dass die Effekte auch tatsächlich auf die Be-
handlung mit CRISPR/Cas9 zurückzuführen und nicht ererbt seien. Auch Iyer
et al., (2015)
untersuchten off-target Effekte bei mit CRISPR/Cas9 behandelten Mäusen und kommen im
Rahmen ihres Versuchsdesigns unter Einbeziehung entsprechender Kontrol en zu einem ge-
genteiligen Ergebnis. Das Auftreten von
Off target-Effekten ist beim Tier letztlich weniger da-
von abhängig, welche Technik eingesetzt wird, sondern vielmehr vom Genort und dem De-
sign der Erkennungsdomäne.
Natürliche Mutationen
Wie bei al en Säugetieren findet die Neukombination des genetischen Materials von Vater
und Mutter direkt nach der Befruchtung statt. Bei Untersuchungen von Präimplantationsemb-
ryonen ist der Anteil von Embryonen mit Polyploidien, d.h. chromosomalen Aberrationen, re-
lativ hoch (~50–60%). Al erdings scheint dies die Entwicklung nicht zu beeinträchtigen. Muta-
1.1
tionen auf der Ebene der Basensequenz sind relativ selten und treten einmal pro 1011 Basen
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im Replikationszyklus auf, oder umgerechnet in 1 pro ~300 Zel en. Ferner ist gut dokumen-
tiert, dass über den sehr hohen Anteil an embryonaler Frühmortalität bei landwirtschaftlichen
Nutztieren (~50% der befruchteten Eizel en degenerieren und führen nicht zu einer erfolgrei-
chen Trächtigkeit) Embryonen mit chromosomalen Aberrationen eliminiert werden (Sreenan
und Diskin, 1986, Bolet, 1986).
Mutationen im postnatalen und erwachsenen Tier sind bedingt durch die Umwelt, Sonnen-
einstrahlung etc.. Detail ierte Untersuchungen beim Nutztier dazu sind bisher nicht bekannt.
Im Humanbereich wird die genomweite Mutationsrate mit 1,2x10-8 bp pro Generation ange-
geben (Scal y und Durbin, 2012). Al erdings erreichen landwirtschaftliche Nutztiere meist
kein höheres Alter, um eine größere Anzahl an Genmutationen anzusammeln.
„Klassische Gentechnik“
Bei Nutztieren kommen im Wesentlichen die Mikroinjektion von rekombinanter DNA in frühe
Embryonen oder zel ulären Gentransfer gefolgt vom somatischen Klonen zum Einsatz. Beim
somatischen Klonen wird der veränderte Zel kern entnommen und in eine entkernte Zygote
überführt. Bei diesen Techniken ist nur ein Gentransfer mit zufäl igem Integrationsort mög-
lich, welcher durch PCR, Southern Blot oder WGS nachweisbar ist. Hauptnachteile der
Mikroinjektion sind die niedrige Effizienz, das Auftreten von Positionseffekten (d.h. Expres-
sion des Transgens wird durch den Insertionsort wesentlich bestimmt) und das Risiko einer
Insertionsmutagenese, d.h. das neue Gen integriert in einen aktiven Genort, dessen Funk-
tion dadurch geändert wird. Beim zel ulären Gentransfer können die Zel en vor dem Einsatz
im somatischen Kerntransfer im Hinblick auf Integration und Funktion des neuen Gens cha-
rakterisiert und nur solche Zel en mit korrekter Integration ohne weitere Änderungen im Ge-
nom für den Kerntransfer verwendet werden.
Andere Verfahren der Transgenese sind bei Nutztieren bisher nur vereinzelt berichtet wor-
den. Virale Vektoren (z.B. Lentiviren) spielen kaum noch eine Rol e bei der Erstel ung gene-
tisch veränderter Nutztiere. Ein gezielter Einbau von Sequenzen in das Genom von Nutztie-
ren ist erst durch das
Genome Editing mit ausreichender Effizienz durchführbar, da echte
(d.h. Keimbahn-gängige) embryonale Stammzel en bei Nutztieren noch fehlen.
Bei der Labormaus sind Keimbahn-gängige embryonale Stammzel en (ES-Zel en) seit vielen
Jahren verfügbar. Dadurch waren auch Verfahren der homologen Rekombination (HR)
1.1
durchführbar. Nach anschließender Injektion der Zel en in frühe embryonale Stadien
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(Morulae/ Blastozysten) konnten viele Tausende Maus-Linien etabliert werden.
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Zur Erstel ung genetisch modifizierten Geflügels wird heute meist mit Keimzel -Vorläuferzel-
len (
Primordial Germ Cel s, PGC) gearbeitet, die transfiziert und dann in den sich entwickeln-
den Hühnerembryo eingebracht werden (z.B. durch Injektion). So entstehen in der ersten
Runde meist Chimären, die dann züchterisch weiter bearbeitet werden, um am Ende das ge-
wünschte Merkmal züchterisch zu nutzen.
4.5.1.4 Off targeting bei Mikroorganismen
Die Reparatur eines Doppelstrangbruchs erfolgt bei Mikroorganismen natürlicherweise über
homologe Rekombination (HR) oder nicht-homologe Endverknüpfung
(„non-homologous end
joining“ – NHEJ). Diese Mechanismen nutzt man bereits in der klassischen Gentechnik, um
künstliche Veränderungen in Genomen von Mikroorganismen vorzunehmen. Mittlerweile
wurden verschiedene neue
Genome Editing Ansätze entwickelt, bei denen Doppelstrangbrü-
che durch weiterentwickelte Nukleasen (ZFN, Meganukleasen, TALEN, CRISPR/Cas-Nukle-
asen) an spezifischen Stel en induziert werden und die zel eigenen Reparaturmechanismen
genutzt werden, um Deletionen/Insertionen einzuführen.
Über die Spezifität der neuartigen Nukleasen entscheidet wie schon erwähnt die Größe der
benötigten Erkennungssequenz, was bei komplexeren Genomen zu u.U. mehrfachen Schnit-
ten führen kann (Stel a und Montoya, 2016). Durch die geringere Genomgröße bei Mikroor-
ganismen (generel in etwa zwischen 3 und 6 x 107 Basenpaare) reduziert sich die Wahr-
scheinlichkeit von sogenannten
Off targets um ein Vielfaches. Außerdem konnten bisher
keine
Off target-Mutationen bei Mikroorganismen z.B. nach CRISPR/Cas9 Anwendung
(eventuel auch wegen ihrer Toxizität/Letalität) nachgewiesen werden (Bortesi
et al. 2016).
Weiterhin können bioinformatische Programme angewendet werden, um
Off target-Sequen-
zen vorherzusagen (Hsu
et al., 2013, Doyle
et al., 2012) und so die Spezifität der Nukleasen
stetig zu verbessern. Um ungewol te Veränderungen im Genom nach Anwendung von
Ge-
nome Editing-Methoden zu erkennen, wurden verschiedene Nachweisverfahren entwickelt.
Durch die geringe Genomgröße bei Mikroorganismen eignet sich hier besonders eine ver-
gleichende Analyse durch Sequenzierung (Jiang
et al. 2013). Größere und kleinere Genom-
veränderungen können auch gut mit den in der klassischen Gentechnik verwendeten Metho-
den wie PCR, Southern Blot, markergebundene bzw. phänotypische Assays nachgewiesen
werden (Jiang
et al. 2013, Cobb
et al. 2014, Huang
et al. 2015).
1.1
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Natürliche Mutationen
Bei einzel igen Mikroorganismen folgt auf eine Genomreplikation die Zel teilung bzw. eine
neue Generation. Bei mehrzel igen Eukaryoten finden dagegen mehrere Zel teilungen bzw.
Replikationen pro Generation statt (z.B.
Homo sapiens-Keimzel en 216 Zel teilungen/Gene-
ration,
Arabidopsis thaliana-Keimzel en 40 Zel teilungen/Generation etc.) (Lynch 2010). Im
Vergleich zu der geringen Wahrscheinlichkeit von
Off targets liegt die natürliche Mutations-
rate z.B. bei
Escherichia coli (4,6x106 Basen Genomgröße) bei 5,4 x 10-10 Mutationen/Basen-
paar/Replikation
(Drake
et al., 1998)
. Das entspricht bei
Escherichia coli einer Mutationsrate
pro Genom pro Replikation von 0,0025, so dass al e ~1000 Replikationen mindestens eine
Mutation auftritt. Betrachtet man eine Übernacht-Kultur mit 1010 Zel en (= 1010 Generationen
bei der letzten Verdopplung), kann man davon ausgehen, das 107 Mutationen aufgetreten
sind und jeder nicht-letale Basenpaaraustausch in der Kultur vertreten ist. Die Mutationsrate
nach Einwirkung von mutagenen Stoffen wie Chemikalien oder ionisierender Strahlung er-
höht sich dann um ein Vielfaches.
Anwendung von Mutagenese im Zusammenhang mit „klassischer Gentechnik“
Auch in der klassischen Gentechnik wurden bereits
in vivo Mutagenese Techniken angewen-
det. Unter Verwendung von chemischen Substanzen (MNNG, MMS, EMS, ICR-191, 2-AP,
EDB), von Toxinen wie z.B. Aflatoxin B1 und physikalischer Methoden wie z.B. UV-Bestrah-
lung konnten Varianten bestimmter Gene erzeugt werden. Diese wurden oft mit Insertions-
Methoden (z.B. dem Einsatz von Transposons) kombiniert, wenn unbekannte Gene oder Ge-
nombereiche verändert werden sol ten. Um die Effizienz dieser Methoden zu optimieren,
wurden sogenannte Mutator-Stämme (z.B.
mutH, mutL, mutS) verwendet. Mutatorstämme
haben in der Regel ein defektes Reparatursystem, so dass Schäden an der DNA nach einer
Mutagenese nur ungenau repariert werden. Diese wurden auch bei der Erzeugung von Mu-
tationen in Genen, die auf Plasmiden lokalisiert sind, eingesetzt. Die Mutationsfrequenzen
konnten so um das 102 bis 108 fache erhöht werden (Foster, 1991). Der Nachweis einer ge-
netischen Veränderungen erfolgte dann z.B. über Resistenzmarker, Reversion Assays und
den oben bereits genannten Methoden. Die Mutagenese mit chemischen Substanzen, Toxi-
nen und UV-Bestrahlung ist al erdings sehr ungezielt und führt aufgrund der hohen Mutati-
onsfrequenzen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu Mehrfachmutationen.
1.1
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Genome Editing
Die Zielgenauigkeit und Effizienz kann durch die Anwendung der gezielten Mutagenese mit
neuartigen
Genome Editing Techniken deutlich verbessert werden. Insbesondere das
CRISPR/Cas System ist mit Effizienzen von 65-100% sowohl bei gramnegativen als auch bei
grampositiven Bakterien anwendbar. Auch wenn bei manchen Bakterien das NHEJ Repara-
tursystem nur eingeschränkt funktioniert, kann dieser Mangel durch andere Reparaturme-
chanismen ausgeglichen werden (Bortesi
et al. 2016).
4.5.1.5 Allgemeine Schlussfolgerungen zu Off target-Effekten
Das
Genome Editing führt insbesondere beim Einsatz zeitgemäßer Verfahren sehr selten zu
Off target-Effekten. Für diese
Off target-Effekte gibt es zuverlässige und ausreichend sensi-
tive Nachweisverfahren. Das
Genome Editing stel t daher eine deutliche Verbesserung in
Präzision und Effizienz gegenüber klassischen Genmodifikations- (Mutagenese) und Gen-
transferverfahren dar. Die Wahrscheinlichkeit von nicht gewünschten Effekten ist bei SDN 1
unabhängig von der Technik (ZFN; TALEN; CRISPR) am geringsten, bei der Mutagenese-
züchtung (Pflanzen) am größten. So liegt z.B. in Pflanzen die Mutationsrate pro Basenpaar
beim
Genome Editing mit 0 bis 3x10-10 deutlich unterhalb der Rate von 1x10-5 bis 1x10-6 bei
herkömmlicher Mutagenese (Zahlen gelten für Insertionen, Deletionen und Austauschen von
einer bis wenigen Basenpaaren).
1.1
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4.5.2 Beeinflussung der Expression von Nicht-Ziel-Genen, pleiotrope2 Effekte
4.5.2.1 Beeinflussung der Expression bei Pflanzen
Genome Editing
Die Wahrscheinlichkeit, dass es bei den Verfahren des
Genome Editing zu unbeabsichtigter
Beeinflussung der Expression von Genen in der Nähe des Zielortes oder zu pleiotropen Ef-
fekten kommt, ist sehr gering, da der Zielort bekannt ist, und daher eine Beeinflussung aktiv
ausgeschlossen oder abgeschätzt werden kann. Zudem sind
Off target-Mutationen sehr sel-
ten und gut vorhersagbar. Dies gilt für die Techniken ODM, SDN 1 und 2. Lediglich bei SDN
3 kann es ähnlich wie bei der klassischen Gentechnik zu pleiotropen Effekten kommen, die
auf die Eigenschaft des neu eingebrachten Gens zurückzuführen sind. Sie sind im Einzelfal
zu bewerten. Durch die höhere Präzision sind beim Einsatz von SDN 3 deutlich weniger Ef-
fekte zu erwarten als bei der klassischen Gentechnik. Zum Base Editing gibt es noch zu we-
nige Daten, um die Wahrscheinlichkeit für Deaminierungen in benachbarten Genen zu be-
werten.
Natürliche Mutationen, klassische Züchtung
Aufgrund der geringen Mutationsraten ist bei natürlichen Mutationen auch die Wahrschein-
lichkeit gering (aber trotzdem gegeben), dass es zu einer Beeinflussung der Expression im
Bereich des Zielorts kommt, fal s durch die Mutation ein steuerndes Genelement verändert
wurde.
Bei der klassischen Züchtung ist eine nennenswerte Wahrscheinlichkeit der unerwünschten
Beeinflussung jedoch gegeben, da der Zielort nur sehr ungenau bearbeitet wird, und es zum
sogenannten
„linkage drag“ kommt: Es bleibt nämlich ein gewisser Anteil des Genoms des
Kreuzungspartners trotz Rückkreuzungen mit dem anderen Elter im Genom der Nachkom-
men erhalten, der züchterisch unerwünschte Eigenschaften haben kann. Entsprechend ist
die Wahrscheinlichkeit pleiotroper Effekte einzustufen. Die Kreuzungszüchtung ist sehr un-
präzise und zudem sind
Off target-Effekte häufig und nicht vorhersagbar.
1.1
2
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Unter ‚Pleiotropie‘ versteht man die Ausprägung mehrerer phänotypischer Merkmale, die durch ein einzelnes
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Gen hervorgerufen wird.
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Ionisierende Strahlen oder Chemikalien (EMS)
Aufgrund der hohen Mutationsrate und Zufäl igkeit ist die Wahrscheinlichkeit der Expressi-
ons-Beeinflussung anderer als der angestrebten Gene relativ hoch. Detail ierte Untersuchun-
gen auch zur Abgrenzung von reinen
Off target-Effekten fehlen. Studien belegen Verände-
rungen im gesamten Transkriptom z.B. bei Tomaten bedingt durch ionisierende Strahlung
(Batista
et al., 2007).
„Klassische Gentechnik“
Die Beeinflussung der Expression am oder in der Nähe des Zielortes ist hier nicht zu definie-
ren, da der Zielort unbekannt ist und es zu zufäl igen Insertionen kommt. Eine Beeinflussung
der Gene am Insertionsort ist möglich. Dieses ist jedoch zum einen auf die Eigenschaft des
neu eingebrachten Gens zurückzuführen und zum anderen auf den jeweils zufäl igen Inserti-
onsort (Insertionseffekte). Da die T-DNA jedoch gut lokalisierbar ist, können mögliche Aus-
wirkungen auf Gene am Insertionsort gut untersucht werden. Verwendet man die
Agrobac-
terium tumefaciens vermittelte T-DNA Transformation, so werden lediglich das neue Gen
plus die Sequenzen der T-DNA ungerichtet an einem zufäl igen Ort ins Genom der Empfän-
gerpflanze übertragen. Dabei kann es zu unerwünschten Insertionseffekten kommen, es
können vorhandene Gene am Insertionsort durch die Integration ausgeschaltet oder ange-
schaltet werden. Diese möglichen Effekte werden bei der Risikobewertung einer gentech-
nisch veränderten Pflanze analysiert, bevor sie in den Verkehr gebracht wird. Es konnte be-
reits in Tomate gezeigt werden, dass es bei T-DNA Insertionen zu weniger Nebeneffekten
kommt als bei ionisierender Strahlung (Batista
et al., 2007). Auch sind verschiedene Metho-
den entwickelt worden, die eine zielgerichtete Integration der T-DNA ermöglichen (Puchta,
2002).
1.1
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4.5.2.2 Beeinflussung der Expression bei Tieren
Genome Editing
Da die Verfahren des
Genome Editing auch bei Tieren den zielgenauen Einbau von Modifi-
kationen in die DNA ermöglichen, ist die Wahrscheinlichkeit von Positionseffekten und plei-
otropen Wirkungen beim Einsatz von
Genome Editing Verfahren vergleichsweise gering. Bei
geeigneter Vorplanung kann die Beeinflussung der Expression anderer Gene weitgehend
ausgeschlossen werden.
Klassische Züchtung
Die klassische Tierzucht beruht im Wesentlichen auf quantitativen Model en der Populations-
genetik (d.h. durchschnittliche Verbesserung des Genotyps) und berechnet additive Gen-
effekte, ursprünglich basierend auf den Leistungsdaten einer definierten Nachkommen-
gruppe (z.B: Testbul en). Dabei spielen bestimmte biotechnische Verfahren, wie die künstli-
che Besamung (KB) und Embryotransfertechniken, eine wichtige Rol e. Mit der Sequenzie-
rung der Genome der landwirtschaftlichen Nutztiere, wie Rind, Schwein, Schaf, Geflügel wur-
den die Züchtungsverfahren weiter entwickelt, und die Marker gestützte Selektion (MAS) und
der Genomische Zuchtwert (GBW) eingeführt. Diese sind wesentlich genauer und sicherer in
ihrer Vorhersage der Leistungen der Nachkommen. Pleiotrope Effekte sind aus klassischer
Züchtung bekannt, treten dort in geringer Frequenz auf und können Teil des additiven Mo-
del s sein.
„Klassische Gentechnik“
Im Gegensatz dazu kann es bei zufäl iger Integration von Sequenzen zu Positionseffekten (s.
„Klassische Gentechnik“) kommen. Epistatische oder pleiotrope Effekte sind aber bei Nutz-
tieren bisher in diesem Zusammenhang nicht beschrieben worden. Klassische Model e der
quantitativen Genetik gehen von additiven Geneffekten aus, pleiotrope Effekte können Teil
dieser Model e sein. Darüber hinaus sind bisher keine pleiotropen Effekte bei Nutztieren
nach Anwendung klassischer Gentechnik beschrieben, können aber nicht generel ausge-
schlossen werden.
1.1
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4.5.2.3 Beeinflussung der Expression bei Mikroorganismen
Bei den klassischen gentechnischen Methoden wie auch bei den neuartigen
Genome Editing Methoden ist der Zielort der gewünschten Veränderung bekannt, so dass bei dieser gerichte-
ten Mutation nur eine geringe Wahrscheinlichkeit von unbeabsichtigten Effekten auf umlie-
gende Genbereiche zu erwarten ist. Bei natürlichen (ungerichteten) Mutationen sowie bei
durch ionisierende Strahlung und Chemikalien induzierten Mutationen kann ein Einfluss auf
die Expression z.B. durch eine Promotor-Mutation nicht ausgeschlossen werden, die Wahr-
scheinlichkeit ist dabei abhängig von der Mutationsrate. Pleiotrope Effekte durch
Genome
Editing Methoden sind bei Mikroorganismen im Gegensatz zu den Pflanzen und Tieren kaum
beschrieben. In den Anfängen der klassischen Gentechnik wurden gelegentlich unerwartete
Auswirkungen bei Einführung von Fremd-Genen beschrieben. Ein bekanntes Beispiel dafür
ist die Entdeckung der Produktion von Indolblau aus Indol bei
Escherichia coli, zu der das
Bakterium plötzlich nach dem Transfer von Genen für den Abbau von Naphtalen zu Salicyl-
säure in der Lage war (Ensley
et al. 1983). Mittlerweile sind diese Veränderungen durch die
fortschreitende Vermehrung von Genomsequenz-Daten und Programmen zur umfassenden
Analyse dieser Daten (Stoffwechselwege) vorhersagbarer und treten viel seltener auf. Plei-
otrope Effekte können außerdem auch jederzeit auf natürlichem Wege z.B. durch Aufnahme
von Fremd-DNA (Konjugation, Transformation und Transduktion) entstehen. Bisher gibt es
kaum Untersuchungen zu pleiotropen Effekten, welche möglicherweise durch die neuen
Ge-
nome Editing Techniken entstehen können.
4.5.2.4 Allgemeine Schlussfolgerungen
Mit
Genome Editing Techniken sind nach bisherigem Kenntnisstand nur sehr wenige unbe-
absichtigte Effekte auf angrenzende Gene bzw. pleiotrope Effekte zu erwarten. Die Daten-
lage ist aber zurzeit noch beschränkt. Mit anderen Methoden sind diese sehr wahrscheinlich
und somit kaum zu vermeiden. Unbeabsichtigte pleiotrope oder Insertions-Effekte hingegen
treten bei Pflanzen und Tieren bei jeder Kreuzung und jeder induzierten Mutagenese auf.
Diese werden durch Segregation im Züchtungsprozess entfernt. Mit dem
Genome Editing sind sie bei mit geeigneter Vorplanung sehr viel seltener zu erwarten oder gar auszuschlie-
ßen.
1.1
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4.6 BEABSICHTIGTE EFFEKTE
4.6.1 Multiple Genomveränderungen
Gerade die Verfahren des
Genome Editing eignen sich dazu, zielgenau multiple Veränderun-
gen an gleichen bzw. ähnlichen Genen (Genorten, Sequenzen) durchzuführen, oder simultan
oder zeitlich gestaffelt an verschiedenen Genen (Genorten, Sequenzen) vorzunehmen. Die
Präzision ist mit klassischen Züchtungsverfahren nicht erreichbar.
4.6.1.1 Multiple Genomveränderungen bei Pflanzen
Genome Editing
Das gleichzeitige Verändern von mehreren Basen an einem Ort im Genom zur selben Zeit
oder auch zeitlich versetzt ist mittels
Genome Editing durch SDN 1 und SDN 2 möglich.
Durch die Zugabe einer DNA-Matrize lassen sich so mehrere Basen (bis zu sieben) gleich-
zeitig ändern (SDN 2), hierzu sind bereits erste Studien veröffentlicht worden (Li
et al., 2013,
2015; Svitashev
et al., 2015). Die Erfolgsrate ist al erdings sehr gering: Weniger als 0,5% der
erzeugten Pflanzen tragen die gewünschten Veränderungen. Es wäre theoretisch auch
denkbar, dass mittels SDN 1 sukzessive mehrere gerichtete Mutationen an einem Ort ins
Genom eingebracht werden. Es gibt al erdings dazu noch keine Studien. Mittels SDN 3-
Technik wäre eine Mehrfachmutagenese eines Genortes durch SDN 1 oder SDN 2 ersetz-
bar, da es hier zu einem gezielten Einbau eines entsprechenden DNA-Fragmentes käme,
das al e Einzelveränderung des SDN 1 oder SDN 2-Ansatzes enthalten kann. Mit ODM ist
die Änderung von einigen Basen (bis zu 4) ebenfal s möglich. Al erdings bleibt zu berücksich-
tigen, dass bei Techniken mit mehreren sukzessiven Änderungen an einem Genort die be-
handelten Pflanzen nach jeder Einzeländerung eine Zel kulturpassage durchlaufen müssen
und es so zu einer Häufung von unerwünschten somaklonalen Mutationen kommen kann
(gilt für fast al e Verfahren mit Zel kulturpassagen). Beim Base Editing können durch die Cy-
tosin-Deaminase al e Desoxycytidine in einem Bereich von fünf Basen deaminiert werden
(Komor
et al., 2016). Dies ermöglicht in begrenztem Umfang multiple Veränderungen an ei-
nem Genort.
Eine simultane oder gestaffelte Veränderung von mehreren Genorten ist ebenfal s mit SDN
1, 2 oder 3 möglich, indem man z.B. beim CRISPR/Cas9-System verschiedene guide RNAs
- die Lotsen zu verschiedenen Genorten - gleichzeitig oder nacheinander anwendet. Die Effi-
1.1
zienz des Verfahrens hängt dabei stark vom Design der verwendeten Erkennungsdomänen
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ab. Fehlpaarungen führen zu einer Reduktion der Effizienz insbesondere, wenn diese in der
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Kernregion lokalisiert sind. Erste Beispiele für die SDN 1-Technik gibt es bereits beim hexa-
ploiden Weizen (Wang
et al., 2014, Liang
et al., 2017), Sojabohne ( Li
et al, 2015) und bei
einer tetraploiden Kartoffel (Andersson
et al., 2016). Selbst das simultane Verändern von 14
Genen wurde vor kurzem bei
Arabidopsis gezeigt, ohne dass
Off target-Effekte gefunden
wurden (Peterson
et al., 2016). Mit ODM wären prinzipiel ebenfal s simultane Veränderun-
gen möglich, wenn verschiedene Oligonukleotide gleichzeitig in die Zel e eingebracht wür-
den.
Da das Base Editing auf den gleichen Prinzipien beruht wie die Nuklease Technik, ist es
prinzipiel auch möglich, mehrere Gene simultan oder nacheinander durch Deaminierung zu
verändern. Beispiele dazu liegen derzeit aber nicht vor.
Natürliche Mutation, klassische Züchtung
Bei der klassischen Züchtung ist ein Austausch mehrerer Basen nur möglich, wenn ein na-
türliches Al el mit mehreren Unterschieden in kreuzbaren Varianten vorhanden ist, z.B. in
verwandten Wildarten. Die Wahrscheinlichkeit, dieses durch natürliche Mutation zu errei-
chen, ist sehr gering. Nur (hinreichend) gekoppelte Zielgene können in klassischen Züch-
tungsverfahren simultan vererbt und in Zuchtlinien eingebracht werden.
Ionisierende Strahlen oder Chemikalien (EMS)
Gezielte, gereihte Veränderungen mehrerer Basen mittels klassischer Mutagenese sind ext-
rem unwahrscheinlich, da die Mutationen zufäl ig im Genom verteilt sind. Zudem treten ent-
sprechend häufig
Off target-Effekte auf.
Die Veränderung mehrerer Gene gleichzeitig ist mit ionisierenden Strahlen oder mutagenen
Chemikalien möglich, aber es entstehen ebenfal s viele
Off target-Mutationen, was etwaige
Rückkreuzungen kompliziert. In der Praxis ist es daher einfacher, vorselektierte, mutierte Li-
nien miteinander zu kreuzen. Al erdings beinhalten auch diese immer noch die
Off target-Mu-
tationen der einzelnen Linien, die u.U. zu einem unerwünschten Phänotyp führen können.
1.1
Ein Versuch, mittels TILLING eine Mehltauresistenz (durch Modifikationen der MLO-Gene)
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im Weizen zu erzeugen, zeigte, dass die Mutationen nicht immer an der gewünschten Stel e
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vorkommen und nicht immer zum gewünschten Ergebnis führen (Acevedo-Garcia
et al.,
2017).
Anwendung der „klassischen Gentechnik“
Klassische Gentechnik erlaubt das gestaffelte und, begrenzt, auch das simultane Einbringen
mehrerer (Fremd-)Gene in eine Zuchtlinie - etwa bei „stacked events“. Al erdings kann es da-
bei durch das Einbringen zusätzlicher Kopien der Gene zu unerwünschten Effekten wie z.B.
Silencing kommen.
4.6.1.2 Multiple Genomveränderungen bei Tieren
Genome Editing
Der Einsatz von DNA-Nukleasen erlaubt auch bei Tieren multiple Genomveränderungen. Es
konnte gezeigt werden, dass mittels des CRISPR/Cas9-Systems die 62 Kopien der Porcine
Endogenous Retroviren (PERVs) im Schweine-Genom simultan ausgeschaltet werden kön-
nen (Yang
et al., 2015). Zudem kann man durch Co-Transfektion von Zel en oder Mikroinjek-
tion von mehrerer bereits vorgefertigter GuideRNAs und (einer) Cas9 in Embryonen mehrere
Gene gleichzeitig modifizieren oder ein Gen mehrfach attackieren, um größere Genbereiche
(bis zu mehreren Kilobasen Länge) aus dem Genom zu entfernen. Diese Genbereiche kön-
nen ganze Exone oder sogar das komplette Gen betreffen.
Klassische Tierzucht und Gentechnik
Die klassische Züchtung an Tieren erlaubt zwar multiple Änderungen der Erbanlagen, al er-
dings nur ungenau und in einem langwierigen Züchtungsprozess. In der Tierzucht wird von
quantitativen Effekten ausgegangen, die meist mehrere Genorte betreffen. Mit klassischer
Gentechnik sind gekoppelte Genomveränderungen technisch schwer umsetzbar. Es sind
zwar einige Vektoren bekannt, die bisher aber nur sehr begrenzte Erfolge lieferten. Die Ver-
wendung neuartiger Vektoren wie z.B. BACs, YACs oder Transposons erlaubt die Insertion
multipler Gensequenzen.
1.1
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4.6.1.3 Multiple Genomveränderungen bei Mikroorganismen
Im Zuge der Entwicklung von neuartigen
Genome Editing Methoden können nun auch für die
klassische Gentechnik nur schwer zugängliche Mikroorganismen z.B.
Actinobacteria (Deng
et al. 2017) modifiziert werden.
Auch multiple Genomveränderungen sind mittlerweile bei diesen Mikroorganismen einfach
und mit großer Zeitersparnis möglich (Cobb
et al. 2014). Huang
et al. 2015 beschreiben z.B.
die erfolgreiche Deletion von ganzen Antibiotikasynthese-Clustern (von 21-83 Kb) in
Strepto-
myces.
Aber es gibt auch Mikroorganismen, bei denen z.B. das Wildtyp-CRISPR/Cas9 System nicht
angewendet werden kann, da diese Bakterien nur über reduzierte NHEJ Mechanismen ver-
fügen z.B. das biotechnologisch relevante Bakterium
Clostridium cel ulolyticum. Um auch
diese Bakterien modifizieren zu können, wurden Einzelstrangbruch-induzierende Nickasen
entwickelt, die die Durchführung von
Genome Editing z.B. bei
C. cel ulolyticum über HR er-
möglichen (Xu
et al. 2015).
Die Anwendbarkeit von CRISPR basierten Genom Modifikationsmethoden zur gleichzeitigen
Insertion oder Deletion mehrerer Gene konnte für
Escherichia coli und
Tatumel a citrea mit
hoher Effizienz gezeigt werden. Mit anderen Methoden (
sacB, I-SceI, MAGE) konnte dies
nicht erreicht werden (Jiang
et al. 2015).
4.6.1.4 Allgemeine Schlussfolgerungen
Multiple Genomveränderungen sind mit
Genome Editing besser realisier- und kontrol ierbar
als mit klassischen Verfahren. Dies gilt sowohl für Pflanzen und Tiere als auch bei Mikroor-
ganismen.
1.1
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4.6.2 Beabsichtigte pleiotrope Effekte
4.6.2.1
Beabsichtigte pleiotrope Effekte bei Pflanzen
Genome Editing
Gezielte pleiotrope Modifikationen, d.h. Steuerung von weiteren Genaktivitäten, sind mittels
ODM, SDN 1 und 2 und Base Editing etwa durch Mutation von Transkriptionsfaktoren durch-
führbar. Mit dem SDN 3 Verfahren könnten durch
„gene targeting“ eines Transkriptionsfak-
tors oder anderer regulatorischer Elemente ebenfal s pleiotrope Effekte erreicht werden. Da
der Zielort vorher definiert werden kann, können mögliche ungewünschte (pleiotrope) Effekte
minimiert werden.
Natürliche Mutation, klassische Züchtung
Erwünschte pleiotrope Effekte sind theoretisch möglich, aber praktisch schwer steuerbar. So
beruht z.B. der Heterosiseffekt auf diesem Prinzip, al erdings kennt man meist die dafür ver-
antwortlichen Gene nicht.
Ionisierende Strahlen oder Chemikalien (EMS)
Erwünschte pleiotrope Effekte entstehen per Zufal und müssten segregiert und selektiert
werden. Die Effekte müssten vorher bekannt sein, um sie zu identifizieren. Praktisch ist dies
kaum realisierbar.
Anwendung der „klassischen Gentechnik“
Beabsichtigte pleiotrope Effekte sind theoretisch möglich, z.B. durch Einbringen von Tran-
skriptionsfaktoren ähnlich wie beim
Genome Editing oder durch ungezielte T-DNA Muta-
genese und anschließende Selektion auf den gewünschten pleiotropen Effekt.
4.6.2.2
Beabsichtigte pleiotrope Effekte bei Tieren
Beabsichtigte pleiotrope Effekte sind bei Tieren kaum untersucht worden, theoretisch aber
1.1
möglich. Sie sind schwer vorhersagbar, da die Detailkenntnisse zu Geninteraktionen vielfach
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noch unvol ständig sind, was aber mit
Genome Editing möglich werden könnte.
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4.6.2.3
Beabsichtigte pleiotrope Effekte bei Mikroorganismen
Pleiotrope Effekte könnten theoretisch bei Mikroorganismen sowohl mit klassischer Gentech-
nik als auch mit den neuen
Genome Editing Techniken bewusst induziert werden. Ebenso
könnten diese Effekte mittels natürlicher bzw. induzierter Mutation zufäl ig und ungerichtet
entstehen. Bisher wurden dazu al erdings keine Untersuchungen durchgeführt.
4.6.2.4
Allgemeine Schlussfolgerungen
Beabsichtigte pleiotrope Effekte sind mit klassischer Gentechnik und neuen Techniken
machbar, mit anderen Techniken theoretisch auch erreichbar, aber nur per Zufal und unter
hohem Aufwand. Bei Nutztieren konnten solche Effekte noch nicht nachgewiesen werden.
4.7 LITERATUR
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1.1
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5 MODUL III: NACHWEIS UND IDENTIFIZIERBARKEIT
Dieses Modul behandelt den Nachweis von genetischen Veränderungen, die Identifizierung
genomeditierter Organismen und die Identifizierbarkeit der Technik, mit der genetische Ver-
änderungen erzeugt wurden.
5.1 ZUSAMMENFASSUNG DES MODULS III
Mit DNA-, Protein- und Metabolit-basierten Analyseverfahren steht eine Vielzahl von Metho-
den zum Nachweis von genetischen Unterschieden, die gegebenenfal s durch
Genome Edi-
ting ausgelöst wurden, zur Verfügung. DNA ist das ideale Zielmolekül für den eindeutigen
Nachweis einer Veränderung des genetischen Materials, da diese Träger der Modifikation
ist.
Die Identifizierung des genomeditierten Organismus und die Unterscheidung von anderen
Organismen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur im Vergleich zu einer Re-
ferenz eindeutig möglich. Je geringer die Unterschiede zur Referenz werden, desto schwieri-
ger ist die Identifizierungsmöglichkeit. Nur ergänzende Informationen über den Entwicklungs-
weg und die Änderungen erlauben im Einzelfal eine eindeutige Rückverfolgbarkeit.
Ob nachgewiesene genetische Veränderungen durch Techniken des
Genome Editing oder
andere Techniken erzeugt wurden, ist nicht zweifelsfrei zu klären.
5.2 EINLEITUNG
Das Genom beherbergt die im Erbgut eines Organismus kodierte genetische Information, die
wesentlich dessen Eigenschaften (Phänotyp) bestimmt. Das Erbgut (die DNA) ist aus vier
Grundbausteinen (Nukleotiden) aufgebaut, die in einer bestimmten Sequenz als DNA-Mole-
küle angeordnet sind. Die Veränderung der Nukleotidsequenz ist seit jeher ein Ziel von Züch-
tung, um den Organismus mit gewünschten Eigenschaften auszustatten.
Seit Jahrzehnten werden z. B. in Pflanzen durch Verfahren wie Bestrahlung oder den Einsatz
1.1
von erbgutverändernden Chemikalien Veränderungen der Nukleotidsequenz (Mutationen)
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induziert und dadurch neue genetische Variabilität geschaffen, die züchterisch genutzt wer-
den kann. Dabei kommt es zu ungerichteten Veränderungen der Nukleotidsequenz. Die Orte
der Mutationen im Erbgut sind zufäl ig und deren Anzahl kann sehr hoch sein.
Die neuen Verfahren des
Genome Editing bieten dagegen die Möglichkeit, gerichtet Verän-
derungen an bestimmten Positionen der Nukleotidsequenz einzubringen. Die eingeführten
Änderungen können sehr klein sein; es werden oft nur einzelne Nukleotide verändert, einge-
fügt (Insertion) oder entfernt (Deletion). In der Regel ist die Anwendung der Technik darauf
ausgerichtet, keine weiteren Änderungen zu erzeugen und keine Spuren im Genom zu hin-
terlassen. In diesen Fäl en unterscheidet sich das Genom eines genomeditierten Organis-
mus nur minimal von dem nicht veränderten Genom des betreffenden Ausgangsorganismus
(Elter).
Im Rahmen dieses Moduls sol deshalb erörtert werden,
• ob durch
Genome Editing eingeführte Veränderungen analytisch nachgewiesen wer-
den können (Nachweis, Nachweisbarkeit der Veränderung),
• ob durch
Genome Editing entwickelte Organismen eindeutig identifiziert werden kön-
nen (Identifizierung des Organismus) und
• ob analytisch belegt werden kann, dass die Veränderungen durch
Genome Editing
erzeugt wurden (Identifizierbarkeit der Technik).
Dabei bedeuten im Rahmen dieses Moduls:
• Nachweisbarkeit der genetischen Veränderung - ein Unterschied auf der Ebene der
Nukleotidsequenz eines Organismus kann im Vergleich zum nicht genomeditierten
Organismus eindeutig gezeigt werden.
• Identifizierung des genomeditieren Organismus - aufgrund von nachgewiesenen cha-
rakteristischen Nukleotidsequenzen kann der genomeditierte Organismus von ande-
ren Organismen unterschieden werden.
• Identifizierbarkeit der Technik - es kann eindeutig gezeigt werden, dass die Nukleo-
tidsequenz in einem Organismus über
Genome Editing geändert wurde.
Der Nachweis genetischer Unterschiede und die Identifizierung des genomeditierten Orga-
nismus al ein geben keine Auskunft zur Ursache der Nukleotidsequenzänderung.
Betrachtet werden diese Aspekte für Organismen, die landwirtschaftlich nutzbar sind (Pflan-
zen, Tiere, Mikroorganismen) und die mit folgenden Verfahren des
Genome Editing erzeugt
1.1
wurden:
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• Nutzung ortsspezifischer Nuklease-Systeme (SDN 1, SDN 2, SDN 3);
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•
Base Editing ohne Doppelstrangbruch;
• Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese (ODM).
Nicht behandelt werden Organismen, die auf Synthetische Biologie und Gene Drive zurück-
gehen.
Die rechtliche Einordnung von Organismen, die mit Hilfe der neuen Techniken verändert
wurden, ist nicht Gegenstand dieses Moduls.
5.3 VERFAHREN DES GENOME EDITING IM RAHMEN DES BERICHTS
Beim
Genome Editing kann die Nukleotidsequenz zielgerichtet über eingeführte DNA-Dop-
pelstrangbrüche, -Einzelstrangbrüche oder eingebrachte synthetische Oligonukleotide verän-
dert werden.
Werden Doppelstrangbrüche durch ortsspezifische Nukleasen (
site directed nuclease, SDN)
erzeugt, erfolgt die Reparatur zufäl ig durch zel eigene Prozesse. An der reparierten Stel e
kann eine Punktmutation entstehen (SDN 1). Es kann hingegen auch ein Stück DNA als Re-
paraturmatrize in die Zel e eingebracht werden, das sich um ein oder wenige Nukleotide von
der Zielsequenz unterscheidet. Die Zel e nutzt diese DNA dann als Vorlage, um den Schnitt
zu schließen (reparieren). Im Ergebnis wird die enthaltene Veränderung übernommen, so-
dass an der reparierten Stel e zielgerichtet Punktmutationen entstehen (SDN 2). Ferner ist es
möglich, eine DNA in die Zel e einzubringen, die neben der ursprünglichen homologen Se-
quenz ein größeres Stück Fremd-DNA beinhaltet. Auch dieses Stück dient dann als Vorlage
bei der Reparatur am Ort des Strangbruchs (SDN 3). Im Ergebnis enthält das Genom hier
eine (längere) veränderte Nukleotidsequenz.
Das Ergebnis der zel eigenen Reparatur eines Doppelstrangbruchs ist nicht vorhersehbar.
Beim Base Editing wird die DNA daher ortsspezifisch durch eine modifizierte Nuklease ge-
bunden, aber nicht geschnitten. Eine damit fusionierte Cytidin-Deaminase wandelt dann Cyti-
din in Thymidin und auf dem Gegenstrang entsprechend Guanosin in Adenosin um (Komor
et al., 2016). Damit ist die gezielte Umwandlung eines bestimmten Nukleotids im Genom
möglich.
Bei der Oligonukleotid-gerichteten Mutagenese (
oligonucleotide directed mutagenesis, ODM)
wird ein Molekül von ca. 20 bis 100 Nukleotiden in die Zel e eingebracht, welches sich in ei-
1.1
nem oder wenigen Nukleotiden von der Zielsequenz unterscheidet (Laible
et al., 2006; Si-
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mon
et al., 2008). Diese Oligonukleotide binden aufgrund sequenzspezifischer Wechselwir-
kungen an ihre Zielsequenz im Genom. Das zel eigene Reparatursystem erkennt die Fehl-
paarung und repariert diese durch den Einbau des abweichenden Nukleotids in die eigene
DNA-Sequenz. Die eingebrachten Oligonukleotide werden anschließend von der Zel e abge-
baut.
Zusammenfassend können durch
Genome Editing folgende Veränderungen im Genom er-
zeugt werden:
• Nukleotid-Substitutionen,
• Insertion oder Deletion einzelner Nukleotide,
• Insertion oder Deletion von Nukleotidsequenzen unterschiedlicher Länge,
• DNA-Inversionen (Abbrechen, Verdrehen und Reintegration eines DNA-Stücks).
5.4 GENERELLE VORÜBERLEGUNGEN
Bei der Betrachtung der Nachweisbarkeit und der Identifizierung des genomeditierten Orga-
nismus ist zu berücksichtigen, in welcher Weise eine genetische Veränderung in den Orga-
nismus eingebracht wurde. Wenn die Gene für die ortsspezifischen Nukleasen stabil in das
Genom integriert wurden, enthält der zunächst erzeugte Organismus rekombinante DNA.
Nachkommen, die als finales Produkt anzusehen sind, werden aber in der Regel durch Kreu-
zungs- und Selektionsschritte so generiert, dass sie zwar die genomeditierte Veränderung
tragen, aber keine rekombinante DNA mehr enthalten (Nul -Segreganten).
Der Nachweis der erfolgreichen Segregation, also der Abwesenheit von rekombinanter DNA,
ist von dem Nachweis und der Identifizierbarkeit der durch
Genome Editing erzeugten gene-
tischen Veränderung klar zu trennen. Ersteres kann z. B. über eine vol ständige Sequenzie-
rung des Genoms (
whole genome sequencing, WGS) gezeigt werden. Einige
Genome Edi-
ting-Systeme verwenden Genkassetten mit hochkonservierten Sequenzen, z. B. den konser-
vierten Bereiche der guide RNA (scaffold RNA), was die Etablierung von standardisierten
Nachweismethoden erlaubt.
Werden rein proteinbasierte Verfahren des
Genome Editing eingesetzt und die exprimierten
Proteine direkt in die Zel en eingebracht, dann ist im genomeditierten Organismus keine re-
kombinante DNA zu erwarten.
1.1
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Grundsätzlich sind der Nachweis eines genomeditierten Organismus und seine Identifizie-
rung umso schwieriger, je geringer die Unterschiede zwischen ihm und dem Vergleichsorga-
nismus (Referenz) sind. Je geringer die Unterschiede, desto wichtiger sind ergänzende Infor-
mationen über den Entwicklungsweg und die beabsichtigten Änderungen. Eine Identifizie-
rung des Verfahrens, das zur gezielten Änderung der Nukleotidsequenz führte, ist generel
(auch für Mutagenese- oder Rekombinationstechniken) nicht möglich. Daher kann nur eine
Aussage über die Wahrscheinlichkeit der Anwendung von
Genome Editing gemacht werden.
Untersuchungsergebnisse werden wesentlich auch von der Qualität des Probenmaterials be-
einflusst. Grundsätzlich sind Untersuchungen an homogenem, wenig verarbeitetem Proben-
material einfacher durchzuführen und erlauben klarere Aussagen, als Untersuchungen an
heterogenem und stark verarbeitetem Material.
5.5 NACHWEIS VON GENETISCHEN VERÄNDERUNGEN, IDENTIFIZIERUNG GE-
NOMEDITIERTER ORGANISMEN
Bei der Analytik von Proben sind zwei Szenarien zu unterscheiden: Der Nachweis der Verän-
derung kann auf Grundlage vorheriger Kenntnis der Modifikation und der angrenzenden Nuk-
leotidsequenzen (z. B. auf Grundlage von Informationen des Entwicklers, aus Publikationen,
Patentschriften etc.) zielgerichtet erfolgen. In diesem Fal wird im Folgenden von zielgerichte-
tem Nachweis gesprochen. Erfolgt der Nachweis der genetischen Veränderungen dagegen
ohne die vorherige Kenntnis der Modifikation und der angrenzenden Nukleotidsequenzen, ist
im Folgenden der nicht-zielgerichtete Nachweis gemeint.
In den weiteren Betrachtungen wird davon ausgegangen, dass jeweils eine geeignete Refe-
renz vorliegt (siehe 5.5.2.1). Ohne geeignete Referenz sind der Nachweis genetischer Unter-
schiede und die Identifizierung des genomeditierten Organismus nicht möglich.
Basierend auf den gefundenen genetischen Unterschieden müssen bioinformatische und
statistische Analysen genutzt werden, um Abschätzungen zu ermöglichen, ob diese Unter-
schiede mit großer Wahrscheinlichkeit technologiebedingte genetische Veränderungen sind.
1.1
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5.5.1 Analyseverfahren für zielgerichteten Nachweis und die Identifizierung des ge-
nomeditierten Organismus
Derzeit kommen verschiedene Analyseverfahren für den zielgerichteten Nachweis einer Ver-
änderung, das heißt mit vorheriger Kenntnis der Modifikation, in Frage. Im Folgenden wer-
den ihre Eignung für den Nachweis genetischer Unterschiede und die Identifizierung eines
durch
Genome Editing entwickelten Organismus näher betrachtet.
5.5.1.1 DNA-Amplifikationsverfahren
Für DNA-Amplifikationsverfahren wird die Polymerase-Kettenreaktion (
polymerase chain
reaction, PCR) genutzt. PCR-basierte Nachweismethoden sind hochspezifisch und sensitiv,
setzen aber die Kenntnis der Nukleotidsequenz des nachzuweisenden DNA-Abschnitts vo-
raus.
Werden durch
Genome Editing nur sehr kleine Änderungen (ein oder wenige Nukleotid-Aus-
tausche, Insertionen oder Deletionen durch SDN 1, SDN 2,
Base Editing oder ODM) einge-
fügt, kann eine entsprechende Sequenzänderung prinzipiel mit PCR-Verfahren, wie bei-
spielsweise TaqMan real-time PCR oder digitaler PCR, nachgewiesen werden. Zum Beispiel
können mittels der für Einzelnukleotid-Polymorphismen (
single-nucleotide polymorphism, SNP)-Analysen eingesetzten PCR-Methoden und ggf. Schmelz-kurvenanalysen von Amplifi-
katen schon sehr kleine Sequenzunterschiede von einem oder wenigen Nukleotiden im Ver-
gleich zur nicht editierten DNA gezeigt werden (Hugget
et al., 2015). Dabei ist zu berücksich-
tigen, dass die zu untersuchenden Proben eventuel nur anteilig aus dem genomeditierten
Produkt bestehen. Unter Verwendung eines optimierten SNP-Assays kann aber schon eine
Mutante unter 100.000 Wildtypen nachgewiesen werden (Jennings
et al., 2014).
Kenntnisse und Erfahrungen in der molekulargenetischen Analytik und der GVO-Analyse er-
lauben gegebenenfal s die Etablierung von Event-spezifischen PCR-Verfahren für den Nach-
weis und die Identifizierung von Modifikationen längerer Nukleotidsequenzen durch
Genome
Editing (wie beispielsweise durch SDN 3).
5.5.1.2 DNA-Sequenzierung
Für den zielgerichteten Nachweis bekannter Veränderungen eignen sich gängige Sequenzie-
rungstechniken (z. B. Sanger). Wenn der Bereich, der die Veränderung enthält, bekannt ist,
1.1
kann er amplifiziert und die Sequenz bestimmt werden. Dieses Verfahren ist für möglichst
reine Proben besonders geeignet.
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Für die Untersuchung von reinen, aber auch gemischten Proben eignet sich insbesondere
die massive paral ele Sequenzierung einer Zielsequenz mittels Next Generation Sequencing
(NGS), das
targeted deep sequencing (Fraiture
et al., 2015). Ein bekannter genetischer Un-
terschied kann mittels
targeted deep sequencing nachgewiesen und auch quantitativ abge-
schätzt werden. Hierdurch wird der Aufwand, der beim vol ständigen Sequenzieren eines
Genoms (WGS) entsteht, deutlich reduziert.
Werden durch eine DNA-Sequenzierung größere Modifikationen der Nukleotidsequenz und/
oder integrierte rekombinante DNA nachgewiesen, lässt dies eine Identifizierung des Orga-
nismus zu, wenn die geänderte Nukleotidsequenz des betroffenen genomeditierten Organis-
mus bekannt ist.
Kenntnisse und Erfahrungen in der molekulargenetischen Analytik und der GVO-Analyse er-
lauben gegebenenfal s die Etablierung von
targeted deep sequencing Assays zum Nachweis
und zur Identifizierung von Modifikationen längerer Nukleotidsequenzen durch
Genome Edi-
ting.
5.5.1.3 Hybridisierungsverfahren
Hybridisierungsmethoden (Southern Blot, Microarrays etc.) sind für molekulare Charakteri-
sierungen von untergeordneter Bedeutung, da sie oft von geringerer Sensitivität sind und
eine größere Menge des genetischen Materials erfordern. Darüber hinaus ist deren Spezifität
abhängig von der Länge der Modifikation. Für einzelne Nukleotidunterschiede ist die Spezifi-
tät oft nicht ausreichend. Bei größeren Modifikationen der Nukleotidsequenz sowie bei inte-
grierter Fremd-DNA sind aber mit größerer Menge der zu untersuchenden DNA ein Nach-
weis und eine Identifizierung des genomeditierten Organismus sicher möglich.
5.5.1.4 Protein-basierte Verfahren
Die Anwendung Protein-basierter Methoden ist nur möglich, wenn ausreichende Mengen des
intakten (nicht prozessierten) Zielproteins zur Verfügung stehen. Neben Immun-basierten
Verfahren (Lateral Flow Device – LFD; Enzyme-linked Immunosorbent Assay – ELISA), in
denen der Proteinnachweis über Antikörper erfolgt, kommen auch Massenspektrometrie
(MS)-basierte Verfahren zum Einsatz (Lusser
et al., 2011). Protein-basierte Analysen sind für
einen Nachweis im Al gemeinen nur dann sinnvol , wenn die genetische Modifikation zur Bil-
1.1
dung eines neuen oder sehr deutlich veränderten Proteins oder zum Verlust eines Proteins
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führt. Zur Verifizierung der Befunde ist eine DNA-Analyse erforderlich.
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Werden mit Protein-basierten Verfahren deutlich modifizierte oder neue Proteine nachgewie-
sen, ist noch keine Identifizierung erfolgt. Die Identifizierung des genomeditierten Organis-
mus müsste mittels DNA-Analyse erfolgen. Wegen der genannten Voraussetzungen kom-
men Protein-basierte Nachweisverfahren für einen breiten Einsatz eher nicht in Frage.
5.5.1.5 Metabolit-basierte Verfahren
Die Gesamtheit al er Metabolite eines Organismus ist das Metabolom, deren Analyse wird
als Metabolomics bezeichnet. Die aussagekräftigsten Metabolomics-Techniken sind Nuclear
Magnetic Resonance (NMR), Gaschromatographie–Massenspektrometrie (GC-MS), Flüs-
sigchromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS) und MALDI-TOF MS (Frank
et al., 2012;
Kumar
et al., 2017). Voraussetzung für diese Analyseverfahren ist es, dass die Metabolitzu-
sammensetzung eines Organismus durch die genetische Veränderung deutlich verändert
wird.
Nur wenn die eingefügte DNA-Veränderung einen signifikanten Unterschied in der Konzent-
ration von Metaboliten oder die Abwesenheit von Metaboliten und/ oder Anwesenheit neuer
Metabolite bewirkt, kann dieser Unterschied zielgerichtet mit vereinfachten Metabolit-Analy-
setechniken nachgewiesen werden. Voraussetzung hierfür ist die Untersuchung einer mög-
lichst reinen, unverarbeiteten Probe.
Im Anschluss an den Nachweis deutlich modifizierter Metabolitprofile oder neuer Metabolite
gelten die gleichen Schlussfolgerungen wie bei den Protein-basierten Verfahren. Wegen der
genannten Voraussetzungen kommen Metabolit-basierte Nachweisverfahren für einen brei-
ten Einsatz eher nicht in Frage, sie wären aber gegebenenfal s als Tool für Screening-An-
sätze denkbar.
5.5.2 Analyseverfahren für den nicht-zielgerichteten Nachweis der Veränderung und
Identifizierung des genomeditierten Organismus
Für den nicht-zielgerichteten Nachweis, das heißt ohne vorherige Kenntnis genetischer Un-
terschiede, kommen im Wesentlichen
whole genome sequencing (WGS)-Ansätze in Be-
tracht. Metabolit-basierte Verfahren kommen in diesem Fal nur sehr bedingt in Frage.
1.1
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5.5.2.1 Whole Genome Sequencing (WGS)
WGS-Ansätze, bei denen das Genom des Zielorganismus vol ständig sequenziert wird, fin-
den immer mehr Anwendung als Analysemethode, z. B auch zum GVO-Nachweis (Pauwels
et al., 2015; Holst-Jensen
et al., 2016). Der große Vorteil dieser Methode liegt darin, dass
vorherige Informationen über die spezifische Veränderung in dem zu untersuchenden Orga-
nismus nicht zwingend benötigt werden. Al erdings ist ein valides Referenzgenom zur jeweili-
gen Spezies, gegebenenfal s hinterlegt in einer Referenzdatenbank, erforderlich. Gegen
diese können die mittels WGS generierten Sequenzier-Ergebnisse abgeglichen werden. Die-
ses Referenzgenom sol te möglichst von dem Ausgangsorganismus stammen, aus dem der
zu analysierende genomeditierte Organismus entwickelt wurde, da schon zwischen unter-
schiedlichen Linien der Organismus-Spezies erhebliche Sequenzunterschiede zu erwarten
sind. Darüber hinaus sind WGS-Ansätze umso schwieriger anwendbar, je größer das Ge-
nom ist und je mehr repetitive Bereiche es darin gibt, wie es zum Beispiel bei landwirtschaftli-
chen Nutztieren und vielen Kulturpflanzen der Fal ist.
Durch WGS-Ansätze können schon einzelne Nukleotidveränderungen nachgewiesen wer-
den. Größere genetische Modifikationen und/ oder integrierte Fremd-DNA können ebenso
mit WGS als solche nachgewiesen werden.
Finden sich mehrere einzelne Nukleotidänderungen in einem Genom verteilt oder an einem
Genomlocus auf engstem Raum, kommt eine statistische Betrachtung zur Identifizierbarkeit
des genomeditierten Organismus in Frage (siehe 5.5.3).
5.5.2.2 Metabolit-basierte Verfahren
Führt die Anwendung von
Genome Editing zu qualitativen Veränderungen des Metabolitpro-
fils des Organismus (ein Stoffwechselprodukt wird neu oder nicht mehr gebildet), dann ist
dies über Metabolit-basierte Analyseverfahren nachweisbar, sofern eine möglichst reine, un-
verarbeitete Probe untersucht wird. Wichtige Voraussetzung ist, dass entsprechende Refe-
renzdaten von der Spezies und der nicht-modifizierten Linie vorliegen.
Sehr deutlich modifizierte Metabolitprofile oder neue Metabolite lassen jedoch keinen direk-
ten Nachweis zu, sondern geben lediglich einen Hinweis darauf, dass diese auf genetische
Modifikationen und/oder integrierte Fremd-DNA zurückzuführen sein könnten. Eine Identifi-
zierung eines bestimmten Organismus wäre nur in den Fäl en möglich, dass ein Organismus
1.1
einen bestimmten Metaboliten erstmalig bildet oder nicht mehr bildet, und dass diese Eigen-
schaft nur in diesem Organismus auftritt.
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5.5.3 Bioinformatische Analysen, statistische Betrachtungen und Wahrscheinlichkeit
der Identifizierung des genomeditierten Organismus
Im folgenden Abschnitt wird die Nutzung bioinformatischer und statistischer Methoden zum
Nachweis der Veränderung und der Identifizierung genomeditierter Organismen betrachtet.
Für die eindeutige Identifizierung ist al erdings in jedem Fal eine geeignete Referenzse-
quenz erforderlich.
Es werden zwei Szenarien betrachtet:
• eine zusammenhängende Nukleotidsequenz wurde verändert;
• einzelne Nukleotidänderungen wurden an verschiedenen Stel en im Genom einge-
fügt.
5.5.3.1 Genom-Editierung einer zusammenhängenden Nukleotidsequenz
Als zusammenhängende Nukleotidsequenz ist eine Sequenz gemeint, die gegenüber der un-
veränderten Referenz-DNA eingefügte Insertionen oder mehrfache Nukleotidsequenzände-
rungen in dichter Abfolge enthält. Eine vereinfachte Abschätzung geht für zusammenhän-
gende Nukleotidsequenzen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der eine beliebige
Nukleotidsequenz in einem Genom vorkommt, grundsätzlich mit zunehmender Länge dieser
Sequenz abnimmt (Lusser
et al., 2011).
Diese Abschätzung vergleicht die Größe des Genoms eines Organismus und die Kombinati-
onsmöglichkeiten zufäl iger Nukleotidsequenzen unterschiedlicher Länge. Das gebildete Ver-
hältnis wird als Wahrscheinlichkeitswert für das Vorkommen dieser zufäl igen Nukleotidse-
quenz im Genom angegeben (Tabel e 1). Es wird ersichtlich, dass bei zunehmender Genom-
größe die Länge einer zufäl igen Sequenz zunehmen muss, damit deren theoretisches ein-
maliges Auftreten gegeben ist.
1.1
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Tabelle 1: Mediane Genomgrößen ausgewählter Organismen (NCBI, 2017) und Kombinationsmög-
lichkeiten zufäl iger Nukleotidsequenzen verschiedener Längen. Die angegebene Wahrscheinlichkeit
des Vorkommens einer Sequenz ist der Quotient aus Genomgröße/4Sequenzlänge.
Wahrscheinlichkeit
Kombinations-
Länge einer zufälli-
des Vorkommens ei-
Haploide Genom-
möglichkeiten der
Organismus
gen Nukleotidse-
ner Sequenz der an-
größe (nt)
angegebenen Se-
quenz
gegebenen Länge im
quenzlänge
Genom
Escherichia coli
5,17 x 106
11
4,19 x 106
1,23
Saccharomyces cerevisiae
1,21 x 107
12
1,68 x 107
0,72
Neurospora crassa
4,08 x 107
13
6,71 x 107
0,61
Arabidopsis thaliana
1,17 x 108
14
2,68 x 108
0,44
Solanum tuberosum
7,06 x 108
15
1,07 x 109
0,66
Gal us gal us
1,23 x 109
15
1,07 x 109
1,15
Zea mays
2,26 x 109
16
4,29 x 109
0,53
Sus scrofa domesticus
2,46 x 109
16
4,29 x 109
0,57
Ovis aries
2,62 x 109
16
4,29 x 109
0,61
Bos taurus
2,69 x 109
16
4,29 x 109
0,63
Homo sapiens
3,00 x 109
16
4,29 x 109
0,70
Picea glauca
2,46 x 1010
17
1,72 x 1010
1,43
Bei dieser Betrachtung werden vereinfachende Annahmen wie die Gleichverteilung der Nuk-
leotide und ihr statistisch unabhängiges Auftreten gemacht. Parameter wie zum Beispiel die
Komplexität der veränderten Sequenzen, der Anteil von repetitiven Sequenzen sowie die
Diversität des Genoms innerhalb der Spezies werden nicht berücksichtigt. Zusätzlich unter-
scheiden sich die Insertions-, Deletions- und Substitutionsraten sowie die Rekombinations-
rate sowohl je Spezies als auch im genomischen Kontext. Für Pflanzen konnte gezeigt wer-
den, dass sowohl zwischen den Nachkommen einer Ursprungslinie als auch zwischen ver-
schiedenen Akzessionen/ Ökotypen einer Spezies größere Unterschiede vorkommen kön-
nen (Ossowski
et al., 2010; Zapata
et al., 2016). Die vereinfachte Betrachtung müsste um
diese Parameter korrigiert werden. Eine belastbare statistische Abschätzung, wie lang eine
Sequenz mindestens sein muss, um sie als genomeditiert zu identifizieren, ist nicht verläss-
lich zu realisieren.
1.1
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Insertionen stel en einen besonderen Fal dar, da diese neben der Größe der Veränderung
auch Sequenzinformationen bereitstel en, die für weitere Analysen genutzt werden können.
Wird ein natürlicherweise nicht vorkommendes Konstrukt mit Sequenzen aus Fremd-Orga-
nismen im Genom des zu untersuchenden Organismus gefunden, ist es naheliegend anzu-
nehmen, dass es mittels gentechnischer Verfahren inseriert wurde. Für die Identifizierung
dieser Fremd-DNA können zum Beispiel der BLAST Suchalgorithmus oder die K-mer ba-
sierte Analyse angewendet werden (Altschul
et al., 1990; Nordström
et al., 2013). Fremd-
DNA kann jedoch durch Methoden wie die Optimierung der Codon Usage modifiziert sein,
wodurch die Identifizierung erschwert wird.
Das Auffinden von Fremd-DNA im Genom ist jedoch kein Al einstel ungsmerkmal von gen-
technischen Verfahren. Die Integration von Nukleinsäuresequenzen anderer Organismen in
ein Pflanzengenom kommt auch natürlicherweise vor, wie am Beispiel der Süßkartoffel ge-
zeigt werden konnte. Dort konnten Fremd-Gene von
Agrobacterium nachgewiesen werden
(Kyndt
et al. 2015).
Bei vorheriger Kenntnis der Nukleotidsequenzänderung ist die beschriebene Herangehens-
weise vom Grundsatz her geeignet, einen spezifischen Nachweis der Veränderung zu füh-
ren, der in Kombination mit der Bestimmung des Genotyps eine Identifizierung des Organis-
mus erlaubt. Dieser Vorgang ist al erdings nur dann erfolgreich, wenn die Referenzsequenz
von ausreichend guter Qualität ist, da ansonsten größere Lücken oder gar nicht sequenzierte
Bereiche vorliegen können, die eine spezifische Aussage erschweren.
Ohne vorherige Kenntnis der Sequenzänderung ist ein spezifischer Nachweis der Verände-
rung unter der Voraussetzung möglich, dass die Sequenz nicht im Referenzgenom vor-
kommt und somit einen Abschnitt von genotypisch stark abweichender (Fremd-)DNA dar-
stel t. Für diesen Fal können al erdings weder die Technik noch der Organismus identifiziert
werden.
5.5.3.2 Einzelne Nukleotidänderungen an verschiedenen Positionen im Genom
Genomeditierte Organismen können auch mehrere Änderungen einzelner Nukleotide an ver-
schiedenen Positionen im Genom erhalten haben. Diese können mittels WGS-Analysen im
Vergleich zu einer geeigneten Referenz nachgewiesen werden. Diese gezielt eingebrachten
Änderungen an verschiedenen Stel en im Genom sind vor dem Hintergrund zufäl ig auftre-
tender Mutationen zu bewerten. Ohne weitere Informationen und valide Referenzgenomda-
1.1
ten ist eine Identifizierung spezifischer Organismen auf Grundlage dieser Analyseergebnisse
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deshalb nicht möglich.
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5.6 ANALYSEVERFAHREN ZUR IDENTIFIZIERBARKEIT DER TECHNIK
Unterschiede in der Nukleotidsequenz sind bei Kenntnis der Veränderung und mit entspre-
chendem Referenzmaterial mit den heutigen molekularbiologischen Verfahren stets nach-
weisbar. Es gibt bisher keine Möglichkeit, analytisch festzustel en, auf welchem Weg eine
genetische Modifikation in einem Genom entstanden ist. Verfahren wie die Bestrahlung, der
Einsatz von erbgutverändernden Chemikalien, die Transformation mit
in vitro neu kombinier-
ter DNA oder das
Genome Editing hinterlassen generel keine spezifischen Spuren im Ge-
nom, die Rückschlüsse auf die verwendete Technik zulassen.
Kenntnisse und Erfahrungen in der molekulargenetischen Analytik und im Umgang mit GVO
können darauf hindeuten, dass Modifikationen längerer Nukleotidsequenzen durch Metho-
den des
Genome Editing erzeugt wurden. Eine Identifizierung der Technik kann jedoch auch
durch DNA-basierte Nachweisverfahren derzeit nicht erbracht werden. Al enfal s gibt es An-
haltspunkte, die auf den Einsatz des
Genome Editing als Technik hinweisen können:
• Modifikationen längerer Nukleotidsequenzen;
• Anhäufung von veränderten Nukleotiden an einem Locus;
• unbeabsichtigt verbliebene rekombinante DNA oder Abschnitte davon (beispielsweise
für Nuklease-Systeme kodierende Sequenzen).
• Änderung des Metaboloms
Einen eindeutigen Beleg für den Einsatz von
Genome Editing liefern diese Hinweise al er-
dings nicht.
5.7 RÜCKVERFOLGBARKEIT
Liegen Informationen über den genomeditierten Organismus vor (z. B. vom Entwickler, in
Publikationen, in Patentschriften oder in Zuchtbüchern), erlauben diese gegebenenfal s eine
Rückverfolgbarkeit von Produkten, wie beispielsweise eine Etikettierung bei Rindfleisch, die
die Rückverfolgbarkeit vom Fleisch zum Tier gewährleistet.
1.1
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SEITE 56 VON 78
5.8 LITERATUR
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1.1
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SEITE 58 VON 78
6 MODUL IV: STAND DER ANWENDUNG UND ENTWICKLUNG
DES GENOME EDITING
Dieses Modul behandelt den Stand der Anwendung und Entwicklung des
Genome Editing in
den Bereichen Landwirtschaft, Ernährung, Human- und Veterinärmedizin.
6.1 ZUSAMMENFASSUNG DES MODULS IV:
Genome Editing-Methoden werden in der Pflanzen- und Tierzucht zur Förderung der Krank-
heitsresistenz, Toleranz gegen widrige Umweltbedingungen, Anpassungen an Produktions-
techniken und zur Veränderung von Produkteigenschaften eingesetzt. Bei der Tierzucht ste-
hen zudem Tierschutz und der Einsatz von Nutztieren in der Biomedizin im Fokus. Bei Mikro-
organismen sol en Stoffwechselwege beeinflusst oder neu gestaltet werden
(Metabolic Engi-
neering) und bestehende Produktionslinien durch Veränderung von Genaktivitäten modifi-
ziert werden. Die Technik kann die Resistenz von mikrobiel en Kulturstämmen gegen Bakte-
riophagenbefal erhöhen oder sogar als antimikrobiel es Agens dienen. Insgesamt ist von der
Technik eine Beschleunigung der Züchtung zur erwarten mit dem Ergebnis, bestehende
Zuchtziele schnel er und effizienter erreichen zu können.
6.2 EINLEITUNG
Die Information zur Bildung und zur Aufrechterhaltung eines Organismus ist in der DNA ge-
speichert, deren Gesamtheit man als Genom bezeichnet. Eine Kopie des Genoms eines Or-
ganismus liegt in jeder seiner Zel en vor. Die DNA besteht aus bis zu mehreren Mil iarden
von vier Bausteinen (Nukleotiden), die in einem Strang angeordnet sind und eine spezifische
Abfolge bilden (die Nukleotidsequenz). Jeweils zwei dieser Stränge binden aneinander und
formen so ein Doppelstrangmolekül, das sich durch Zusammenfaltung zu einem mikrosko-
pisch sichtbaren Chromosom organisiert, welches bei höheren Organismen im Zel kern loka-
lisiert ist. Weitere DNA-haltige Bereiche in der Zel e sind die Mitochondrien und, zusätzlich
bei Pflanzen, die Plastiden (Chloroplasten). Neben den Chromosomen existieren in den Zel-
1.1
len vieler Bakterien und selten auch bei höheren Organismen auch kleinere, extrachromoso-
male DNA-Moleküle wie etwa Plasmide. Nur Teilbereiche einer DNA-Sequenz eines Chro-
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mosoms tragen Geninformationen, die Enzyme kodieren. Andere Bereiche haben regulatori-
sche oder unbekannte Funktionen. Der Mensch hat etwa 42.000 Gene, 20.000 davon wer-
den in Protein umgesetzt (kodierend), 22.000 davon sind nicht-kodierend (http://www.en-
sembl.org). Die Zahl der Gene bei anderen Säugern liegt in einer vergleichbaren Größenord-
nung. Pflanzen verfügen über 25.000 bis 50.000, Bakterien 470 bis 7.000 Gene. Ihre Aktivität
führt zu spezifischen Stoffwechselprozessen in der Zel e. Eine Veränderung dieser Gene hat
daher auch eine Veränderung der Merkmale der betroffenen Organismen zur Folge. Eine
solche Veränderung ist seit jeher das Ziel von Züchtung.
Die neue Eigenschaft von
Genome Editing-Verfahren ist nicht die Fähigkeit, die oben be-
schriebenen DNA Sequenzen
per se zu modifizieren. Das wurde schon seit Jahrzehnten z.B.
in Pflanzen durch die Verfahren der klassischen Mutagenese, wie Bestrahlung oder den Ein-
satz von erbgutverändernden Chemikalien geleistet. Die Orte der durch solche Verfahren in-
duzierten Mutationen sind jedoch gänzlich zufäl ig und die Zahl der erzeugten Mutationen ist
sehr hoch.
Das neue Potenzial des
Genome Editing besteht darin, eine Mutation an genau einer ge-
wünschten Stel e in einer DNA-Sequenz platzieren zu können. Insofern arbeitet die
Genome
Editing-Technik mit einer sehr hohen Präzision.
Im Rahmen dieses Moduls sol en der Stand der Anwendung und Entwicklung des
Genome
Editing in den Bereichen
1. Pflanzenzüchtung,
2. Tierzucht,
3. Mikroorganismen, die bei der Herstel ung von
Lebens- bzw. Futtermitteln verwendet
werden,
4. Human- und Veterinärmedizin
dargestel t werden.
1.1
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6.3 STAND DER ANWENDUNG UND ENTWICKLUNG DES GENOME EDITING IN
DER PFLANZENZÜCHTUNG
6.3.1 Etablierte Verfahren in der Pflanzenzüchtung
Konventionel e Pflanzenzüchtung nutzt Selbst- und Kreuzbestäubung, um sexuel kompatible
Pflanzen kontrol iert zu vermehren. Dabei zielt der Züchter darauf, räumliche, zeitliche oder
physiologische Befruchtungsbarrieren zu durchbrechen, um gewünschte Eigenschaften in
einer Linie anzureichern. Zu diesem Zweck wird neben der einfachen Übertragung von Pol-
len auch eine Vielzahl an technischen Methoden eingesetzt. Dazu gehören chirurgische Me-
thoden (z.B. Knospenbestäubung), Änderung der Umweltbedingungen (z.B. Bestäubung un-
ter veränderten Temperaturen oder in besonderen Gasgemischen), Einsatz von Elektrizität,
Gewebekulturtechniken (z.B.
Embryo Rescue-Technik, Ovarienkultivierung), Chromosomen-
zahl-Manipulation (z.B. Schaffung von amphiploiden Pflanzen durch Gabe von Colchicin,
Haploidenzucht), Translokation von Chromosomensegmenten eines Kreuzungspartners in
ein Genom unter Bestrahlung oder Verfahren der Mutagenese. Bei der Mutagenese werden
Pflanzenzel en oder Saatgut radioaktiv bestrahlt oder mit erbgutverändernden Chemikalien
behandelt. Eine weitere Methode ist die Passagierung durch Gewebekultur, die zu Verände-
rungen des Genoms führen kann (somaklonale Variation). Da durch diese Behandlungen
eine Vielzahl von Mutationen unkontrol iert und zufäl ig erzeugt wird, bedarf es eines aufwän-
digen Rückkreuzungs- und Selektionsprozesses, um die gewünschte Mutation zu isolieren.
Klassische Mutagenesezüchtung hat laut der Joint FAO/IAEA Mutant Variety Datenbank
mittlerweile mehr als 3000 Kulturpflanzenvarietäten hervorgebracht. Durch Begleitung mit
molekularen Detektionsverfahren wie der Markeranalyse können Züchtungsgänge heute effi-
zienter durchgeführt werden. Mit der Übertragung artfremder Erbsubstanz durch Methoden
der Gentechnik seit etwa 1980 erfuhr diese Technikpalette eine erneute Erweiterung. Dem
Züchtungsfortschritt durch Verfahren der Gentechnik stehen al erdings ein langwieriger Ge-
nehmigungsprozess sowie Akzeptanzprobleme gegenüber.
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6.3.2 Anwendung von DNA Nukleasen und ODM-Technik bei landwirtschaftlichen
Nutzpflanzen
Bei pflanzlichen Systemen werden die Verfahren zum
Genome Editing in breiter Vielfalt ein-
gesetzt. So kann durch zielgerichtete Mutationen ein breites Spektrum an Eigenschaften
adressiert werden. Hierzu gehört neben der Erzeugung von Toleranzen gegen Herbizide
auch eine Vielzahl weiterer Eigenschaften, die im Folgenden zusammenfassend vorgestel t
werden.
Genome Editing wird bereits jetzt bei einer Vielzahl von Pflanzenarten angewendet: Neben
Model organismen wie
Arabidopsis thaliana und Tabak zählen hierzu die Hauptkulturpflan-
zen Mais, Soja, Reis und Kartoffel. Aber auch Zier- und Gemüsepflanzen sowie Bäume
(Pappel, Eukalyptus) wurden mittlerweile adressiert (Zusammenfassung in Bortesi und Fi-
scher, 2015). Die Chancen, die sich durch die Technik des
Genome Editing ergeben, liegen
zum einen bei der erleichterten und schnel eren Erzeugung von Merkmalen, die für den An-
bau und die Produzenten interessant sind, wie zum Beispiel Krankheitsresistenzen. Zum an-
deren können auch Eigenschaften an Pflanzen verändert werden, die für den Konsumenten
von Bedeutung sind, weil das Produkt qualitativ hochwertiger ist und zum Beispiel weniger
al ergenes Potential besitzt (duftender Reis, glutenfreier Weizen). Solche Eigenschaften wur-
den bisher kaum bearbeitet, da die Einführung dieses Mehrwertes in die Pflanzen mit klassi-
schen (gentechnischen) Methoden relativ aufwändig ist oder ggf. unter die Gentechnikregu-
lierung fäl t. Für gentechnisch veränderte Produkte jedoch ist das Zulassungsverfahren sehr
langwierig und teuer und gerade in Europa die Akzeptanz begrenzt.
Genome Editing ermög-
licht über einen kleinen genomischen Eingriff bei entsprechenden regulatorischen Rahmen-
bedingungen auch bei kleineren Kulturen wie Gemüse eine wirtschaftliche und gezielte züch-
terische Verbesserung. Erste praktische Arbeiten widmen sich auch komplexeren, adaptiven
Eigenschaften wie Stresstoleranz, z.B. gegen Trockenstress (Shi
et al., 2017). Marktnahe Er-
gebnisse sind bisher nicht bekannt, aber in nicht al zu weiter zeitlicher Ferne zu erwarten.
Genome Editing wird in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung genutzt, um die Regu-
lation komplexer Eigenschaften zu erforschen und damit züchterische Potentiale zu identifi-
zieren (z.B. durch knock-out Mutationen).
1.1
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6.3.3 Herbizidtoleranz
Oligonukleotid gerichtete Mutagenese wurde eingesetzt, um in Raps eine Herbizidtoleranz
einzuführen (www.bvl.bund.de). Dabei führt ein einzelner Basenaustausch in einem Gen mit
einer Funktion in der Synthese verzweigter Aminosäuren zur Toleranz gegen Imidazolinon
basierte, herbizide Wirkstoffe. Weitere Produkte auf ODM-Basis sind in der Entwicklung.
Ähnliche konventionel gezüchtete herbizidtolerante Sorten werden bereits in der Europäi-
schen Gemeinschaft vermarktet.
6.3.4 Krankheitsresistenzen
Ein Anwendungsbereich des
Genome Editing bei Pflanzen ist die Erzeugung von Krankheits-
resistenzen. Dies geschieht meist durch die gerichtete Einführung von Mutationen (InDels) in
ein Zielgen. So konnten unter anderem mittels TALENs und CRISPR/Cas9 eine Mehltaure-
sistenz beim hexaploidem Weizen erzeugt werden, indem al e drei verantwortlichen Homoal-
lele gleichzeitig mutiert wurden (Wang
et al., 2014; Gil-Humanes
et al., 2016). Die Resistenz
gegen Mehltau ist natürlicherweise nur bei Gerste zu finden und so konnte das Prinzip
„durch das Nachahmen“ der in der Gerste vorhandenen Mutation in den Weizen übertragen
werden. Weitere Ansätze zur Bekämpfung von Krankheiten finden sich unter anderem beim
Reis. Hier wurde mittels TALENs eine Braunfäule-Resistenz erzeugt, indem ein kleiner Teil
des Promotors eines Gens entfernt wurde, welcher von den Erregern „gekapert“ wird. Diese
Deletion hat zur Folge, dass die Bakterien dieses Gen nicht mehr nutzen können, die Pflanze
jedoch schon (Li
et al., 2012). Auch bei kleinen Kulturarten konnten bereits Krankheitsresis-
tenzen erzeugt werden. So wurde bei der Gurke durch das Ausschalten eines Transkripti-
onsfaktors, welcher von Viren für deren Infektionsweg „gekapert“ wird, eine breite Resistenz
gegen Impomoviren und Mosaikviren erzeugt (Chandrasekaran
et al., 2016).
6.3.5 Geänderte Zucht- oder Produkteigenschaften
Die Änderung der Produkteigenschaften ist ein weiterer, großer Anwendungsbereich des
Ge-
nome Editing bei vielen Pflanzen. Eine intensiv bearbeitete Kulturart ist der Reis. Hier konn-
ten bereits mehrere Produkteigenschaften geändert werden. So wurde mittels CRISPR/Cas9
1.1
die Stärkezusammensetzung verändert, sodass der Reis einen höheren Gehalt an Amylose
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besitzt (Sun
et al., 2017). Zudem wurden, ebenfal s mittels CRISPR/Cas9, eine Vielzahl von
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Ertragsfaktoren wie Kornanzahl, Ährenaufbau, Korngröße und Pflanzenform adressiert (Li
et
al., 2016). Eine andere, besonders in Asien geschätzte Eigenschaft, ist der Geruch des Reis,
etwa bei sogenanntem Duftreis. Diese Eigenschaft konnte mittels TALENs auf gewöhnlichen
Reis übertragen werden (Shan
et al., 2015). Neben Reis wurden ebenfal s die Stärkezusam-
mensetzung bei Mais und Kartoffel geändert (Andersson
et al., 2016; Waltz
et al., 2016a).
Bei Mais wurde mittels Meganukleasen männliche Sterilität erzeugt (Djukanovic
et al., 2013),
eine züchterisch wichtige Eigenschaft bei der Erstel ung von Hybridsorten. Geänderte Pro-
dukteigenschaften wurden mittels CRISPR/Cas9 bei Champignons erzielt: Hier konnte das
Verbräunen der Pilze nach der Ernte verzögert werden (Waltz
et al., 2016b). TALEN wurde
eingesetzt, um bei Sojabohnen den Anteil an trans-Fetten zu reduzieren (Haun
et al., 2014).
Ein hoher Konsum von trans-Fetten gilt als schädlich für Herz und Gefäße. Eine weitere An-
wendung zielt auf die Reduktion gefährlicher Acrylamide in erhitzen Kartoffelprodukten ab.
Hierbei wurde verhindert, dass bei der Lagerung der Knol en Zucker reduziert werden, aus
denen später Acrylamide entstehen können (Clasen
et al., 2015). Zudem wurde bei Gerste
und Mais die Phytaseaktivität geändert, um für die Verwendung zur Tierfütterung eine bes-
sere Verwertung des sonst unverdaulichen Phytin-Phosphors zu erreichen (Shukla
et al.,
2019, Wendt
et al., 2013). Derzeit in der Entwicklung, aber noch nicht ausgereift, sind auch
Vorhaben, die al ergenen Eigenschaften von Pflanzen zu adressieren. Dies könnte neben
Gluten im Weizen auch Al ergene bei der Erdnuss und dem Apfel beinhalten (van de Wiel
et
al., 2017). Auch bei Pappeln befinden sich eine Reihe von CRISPR/Cas9-Anwendungen
noch im Entwicklungsstadium, z.B. Erhöhung der Biomasse oder die Resistenz gegen den
Pappelrost sowie eine Modifizierung der Ektomykorrhizierung, also der Besiedlung von Wur-
zel mit symbiotischen und daher nützlichen Pilzen (GMO Register 2016; Brügmann
et al., un-
published, Heier
et al. unpublished).
1.1
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6.4 STAND DER ANWENDUNG UND ENTWICKLUNG DES GENOME EDITING IN
DER TIERZUCHT
6.4.1 Einführung in die landwirtschaftliche Tierzucht
Die landwirtschaftliche Tierzucht beruht auf der Selektion von besonders geeigneten Vater-
und Muttertieren. Diese Selektion hat in den letzten Jahrzehnten jedoch überwiegend auf der
männlichen Seite stattgefunden und ist durch den Einsatz Zuchtwert-geprüfter Vatertiere in
der künstlichen Besamung (KB) stark vorangetrieben worden. Auf der weiblichen Seite
konnte nur in begrenztem Maße züchterisch selektiert werden, da der Pool an weiblichen
Keimzel en begrenzt ist und nicht wie beim männlichen Tier fortlaufend neu gebildet wird.
Trotz neu entwickelter Techniken, wie Embryotransfer oder Ultraschal geleiteter Fol ikel-
punktion von Oozyten (Ovum-Pickup) und deren Nutzung in der
in vitro Produktion von Emb-
ryonen kann immer nur eine sehr begrenzte Anzahl an Nachkommen produziert werden.
Inzwischen sind die Genome wichtiger landwirtschaftlicher Nutztiere sequenziert und anno-
tiert worden, so dass informative und weitgehend vol ständige Genkarten für Rind, Pferd,
Schwein, Schaf, Huhn, Hund und Biene vorliegen. Diese neuen molekulargenetischen Infor-
mationen haben zur Weiterentwicklung der Tierzucht und der Einführung des genomischen
Zuchtwerts geführt, der wesentlich genauer als das bisherige Verfahren ist, das im Wesentli-
chen auf der Leistungsprüfung der Nachkommen beruhte. Bei der Selektion geeigneter El-
terntiere spielen häufig sogenannte SNP’s (Single Nucleotide Polymorphisms) eine große
Rol e, insbesondere, wenn sie mit züchterisch wertvol en Merkmalen verbunden sind.
6.4.2 Etablierte Verfahren der genetischen Modifikation bei Nutztieren
Bereits seit den 1980er Jahren war es möglich, genetisch modifizierte (transgene) Nutztiere
zu erstel en, zunächst durch Mikroinjektion von Fremd-DNA in den Vorkern von frühen Emb-
ryonen, später über den Klonvorgang durch Verwendung genetisch modifizierter Spenderzel-
len im Klonprozess (Niemann
et al. 2011). Bei der Mikroinjektion konnten nur Gene hinzuge-
fügt werden (additiver Gentransfer), während beim Klonen auch Gene mittels homologer Re-
kombination ausgeschaltet werden können, was jedoch wegen fehlender pluripotenter
Stammzel en bei Nutztieren äußerst ineffizient ist und daher nur von wenigen Laboren welt-
weit durchführbar war. Arbeiten aus dieser Zeit beschränkten sich daher vornehmlich auf den
1.1
additiven Gentransfer.
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6.4.3 Anwendung von DNA-Nukleasen bei landwirtschaftlichen Nutztieren
Mit Hilfe von DNA-Nukleasen ergeben sich neue Möglichkeiten zur Generierung genetisch
veränderter Nutztiere (Petersen und Niemann, 2015). Die DNA-Nukleasen können entweder
in das Zytoplasma früher Embryonen (Zygoten) injiziert werden; die Selektion auf die ge-
wünschte Mutation findet dann im frühen Embryo bzw. bei den geborenen Jungtieren statt.
Oder DNA-Nukleasen werden in somatische Spenderzel en eingebracht (Transfektion), die
dann im Kerntransfer eingesetzt werden können. In diesem Fal kann die Selektion in der Re-
gel auf zel ulärer Ebene erfolgen, so dass al e Nachkommen die gewünschte genetische Mu-
tation aufweisen. Beide Verfahren sind bei Nutztieren gut etabliert. Al e drei DNA-Nukleasen
(Zink-Fingernukleasen (ZFNs), TALEN und CRISPR/Cas9) sind erfolgreich bei Nutztieren
eingesetzt worden (Petersen und Niemann, 2015). Für die Produktion genetisch veränderten
Geflügels werden Keimzel -Vorläuferzel en (Primordial Germ Cel s (PGC)) mit spezifischen
DNA-Nukleasen transfiziert und diese in Hühnerembryonen injiziert. Daraus resultieren meist
chimäre Tiere, die die genetische Modifikation tragen und dann weiter selektiert werden, bis
die gewünschte Eigenschaft im Genom fest verankert ist. War es in der Vergangenheit nur
möglich, gezielt Gene über die Integration eines sogenannten Knockout-Vektors auszuschal-
ten (Transgen), basiert der Knockout von endogenen Genen mittels DNA-Nukleasen auf der
transienten Expression dieser Moleküle ohne Integration in das Zielgenom (kein Transgen).
Model e zur Integration des
Genome Editings in die Nutztierzucht sind bereits entwickelt wor-
den und zeigen ein großes Potential für signifikante Zuchtfortschritte (Jenko
et al. 2015).
6.4.4 Anwendungsmöglichkeiten des Genome Editing bei Nutztieren:
6.4.4.1 Erhöhung der Krankheitsresistenz
Ein prominentes Beispiel ist die Produktion von Schweinen mit Resistenz gegen Infektionen
mit dem Porcinen Reproductive and Respiratory Syndrome Virus (PRRS) durch genetischen
Knockout des CD163 Rezeptors. Die CD163-Ko Tiere waren vol ständig gegen die Symp-
tome einer PRRS Infektion geschützt (Whitworth
et al. 2016). Ein anderes Beispiel sind Rin-
der, die resistent gegen eine Infektion mit Mycobacterium tuberculosis (TB) sind (Wu
et al. 2015, Gao
et al. 2017). In der jüngsten Publikation wurde Cas9 Nickase verwendet, um das
NRAMP1-Gen (Natural resistance to infection with intracel ular pathogens one) in das bovine
Genom einzubringen und auf diese Weise eine Resistenz gegenüber TB-Infektionen zu er-
reichen (Gao
et al. 2017). Ein weiteres Projekt zur Krankheitsresistenz betrifft die Expression
1.1
des RELA-Gens zur Induktion einer Resistenz gegen ASF (Afrikanische Schweinepestvirus)
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(Palgrave
et al. 2011). Weitere genspezifische Resistenzen gegen wichtige Krankheitserre-
ger sind denkbar. Probleme entstehen, wenn resistente Tiere den Erreger nach wie vor ver-
breiten, z. B. über ihre Ausscheidungen. Letzteres ist bei der geschilderten PRRS-Resistenz
nicht der Fal .
6.4.4.2 Verbesserte Produktionsleistung
Das bekannteste Beispiel ist der genetische Knockout des Myostatingens (MSTN) mit Hilfe
von DNA-Nukleasen. MSTN ist ein negativer Regulator des Wachstumshormons. Durch
Knockout kommt es zu einer stärkeren Ausbildung der Skelettmuskulatur, was die Fleisch-
produktion unter bestimmten Konditionen verbessern könnte. Dies ist erfolgreich bei Rind,
Schwein, Schaf und Ziege gezeigt worden (Crispo
et al. 2014, Cyranoski, 2015, Proudfoot
et
al. 2015, Yu
et al. 2016, Guo
et al. 2016). Eine natürlich vorkommende Variante des MSTN
Knockouts ist bei den Rinderrassen Blaue Belgier und Piemontese bekannt. Durch die starke
Bemuskelung kommt es häufig zu übergroßen Kälbern bei diesen Rassen, deren lebende
Geburt nur duch
Sectio Caesarea sichergestel t werden kann. Der MSTN-KO Phänotyp ist
bei diesen Fleischrinderrassen besonders ausgeprägt, da es sich um eine homozygote Mu-
tation handelt und beide Rassen bereits viele Jahre sehr stark auf Fleischleistung selektiert
wurden. Dieser markante Phänotyp ist nach den vorliegenden Informationen bei anderen
Rinderrassen, Schafen und Schweinen deutlich weniger ausgeprägt (Crispo
et al. 2014, Cy-
ranoski, 2015, Proudfoot
et al. 2015, Yu
et al. 2016, Guo
et al. 2016, Kang
et al., 2017).
Durch Induktion einer mono-al elischen Mutation im MSTN-Locus kann zudem die Bemuske-
lung begrenzt und dadurch negative Auswirkungen auf den Geburtsvorgang vermieden wer-
den. Weitere Anwendungen sind denkbar, wenn z.B. bestimmte SNPs mit züchterisch rele-
vanten Merkmalen durch Einsatz von DNA-Nukleasen induziert werden.
6.4.4.3 Beeinflussung der Milchkomposition beim Rind
Mit Hilfe von DNA-Nukleasen ist das Gen für das β-Lactoglobulin im Rind ausgeschaltet wor-
den (Yu
et al. 2011). Dadurch konnte Milch mit stark verändertem Proteingehalt, d.h. mehr
Casein, produziert werden, die zudem frei von der al ergenen Hauptkomponente (β-Lactoglo-
bulin) der Milch war. Mit solchen Ansätzen kann Milch als wichtige tierische Proteinquel e für
einen breiteren Konsumentenkreis verfügbar gemacht werden.
1.1
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6.4.4.4 Produktion allergen-reduzierter oder –freier Produkte
Mit Hilfe von CRISPR/Cas9 sind im Huhn die Gene für Ovalbumin und Ovomucoid ausge-
schaltet worden, um diese Hauptal ergene im Hühnereiweiß zu entfernen und dadurch Eier
für einen breiteren Konsumentenkreis verfügbar zu machen (Oishi
et al. 2016). Siehe auch
Lactoglobulin in der Milch (6.4.4.3).
6.4.4.5 Hornlosigkeit beim Rind
Die Hornbildung beim Rind ist genetisch bedingt und wird durch bestimmte genetische Modi-
fikationen im Pol ed Locus bestimmt. In den heutigen Rinderrassen gibt es sowohl horntra-
gende als auch genetisch hornlose Tiere. Die genetische Basis für die Hornlosigkeit ist sehr
komplex; bekannt sind die sogenannte
Keltische Variante (Celtic Mutation), die aus einer
212 Basen Insertion und 10 Basen Deletion besteht. Bei genetisch hornlosen Tieren der
Rasse Holstein Friesian (HF) liegt eine 80 Kilobasen Duplikation im Pol ed Locus vor (Friesi-
sche Mutation). In den bedeutenden Milch- und Doppelnutzungsrassen ist die genetische
Hornlosigkeit noch auf wenige Linien begrenzt. Um Inzucht zu vermeiden und gleichzeitig
den Zuchtfortschritt in den anderen Merkmalen nicht zu verlieren, ist die Zucht auf Hornlosig-
keit nur in langsamen Schritten sinnvol .
Mithilfe von TALEN ist es gelungen, im Pol ed Locus genetisch hornlose Nachkommen aus
einer horntragenden Anpaarung zu erzeugen (Carlson
et al. 2016). Damit könnte die geneti-
sche Basis für die Hornloszucht erheblich verbreitert werden.
Die Hörner beim Rind können eine Gefahr für andere Tiere in der Herde, aber auch für die
Tierbetreuer darstel en. In der guten fachlichen Praxis wird die Hornanlage des Kalbes unter
Schmerzmittelgabe und Ruhigstel ung mithilfe eines Brenneisens entfernt und verödet. Bei
erwachsenen Tieren können die Hörner in einem tierärztlichen Eingriff entfernt werden.
Ein höherer Anteil genetisch hornloser Rinder könnte zur Verbesserung des Tierschutzes
und zur Reduktion der Gefahrenmomente für den Tierhalter beitragen.
6.4.4.6 Biomedizin
Umfangreiche Erfahrungen liegen bereits in der Anwendung der DNA-Nukleasen beim Nutz-
tier für biomedizinische Fragestel ungen, überwiegend beim Schwein, vor. Dies betrifft den
1.1
Knockout einer Reihe von Genen, wie α1,3-Galactosyltransferase (GGTA1-Gen), die für ein
Oberflächenepitop kodiert, das in der Xenotransplantation eine große Rol e spielt (Hauschild
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et al. 2011), den Knockout für PPAR-Ɣ (Peroxisome Proliferator-activated Receptor Gamma)
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und LDL (Low density Lipoprotein) als Großtiermodel e für kardiovaskuläre Erkrankungen
(Yang
et al. 2011, Carlson
et al. 2012), DMD (Duchenne Muscular Disease) als Model für
genetisch bedingte Muskel Dystrophie (Carlson
et al. 2012), APC (Adenomatous-polyposis-
coli Protein) als Model für bestimmte Formen des Darmkrebs (Tan
et al. 2013) und der
Knockout des Gens für von Wil ebrand Faktor (vWF) als Model für Gerinnungsstörungen
(Hai
et al. 2014). Ferner wurden Schweine mit einem Knockout des MHC-Systems mit Hilfe
von CRISPR/Cas9 produziert (Reyes
et al. 2014). Diese Tiere sind bedeutsam für die immu-
nologische Grundlagenforschung. Die endogenen PERV-Sequenzen (Porcine Endogenous
Retrovirus), die in zahlreichen Kopien im porcinen Genom zu finden sind, konnten mit Hilfe
von CRISPR/Cas9 ausgeschaltet werden (Yang
et al. 2015). Aktive PERVs könnten ein po-
tentiel es Risiko in einer Xenotransplantationssituation darstel en.
6.4.4.7 Exogene Gensequenzen
In einem proof-of-concept Ansatz ist zudem gezeigt worden, dass mit Hilfe von DNA-Nuklea-
sen transgene Loci ausgeschaltet werden können. Ein prominentes Beispiel bezieht sich auf
die Ausschaltung des transgenen EGFP-Locus, eines Markergens, in genetisch veränderten
porcinen Zel en (Watanabe
et al. 2010).
6.4.4.8 Weitere Verwendungspotentiale
Weitere Anwendungspotentiale liegen in der Induktion von spezifischen SNP’s oder auch in
der Erbfehlerkorrektur. Hierzu liegen bisher noch keine publizierten Beispiele vor.
1.1
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6.5 STAND DER ANWENDUNG UND ENTWICKLUNG DES GENOME EDITING BEI
MIKROORGANISMEN, DIE BEI DER HERSTELLUNG VON LEBENS— BZW.
FUTTERMITTELN VERWENDET WERDEN
Anwendungsbeispiele und -potenziale der
Genome Editing-Verfahren bei Mikroorganismen,
die bei der Herstel ung von Lebens- bzw. Futtermitteln verwendet werden, sind in den folgen-
den Bereichen denkbar:
6.5.1 Zielgerichtete Mutagenese
Die
Genome Editing Systeme könnten in einer zielgerichteten Mutagenese für z.B. Änderun-
gen in Stoffwechselwegen (
metabolic engineering) eingesetzt werden, die zur Verbesserung
der Metabolitproduktion (z.B. Vitamine oder Aromastoffe wie z.B. Diacetyl und Acetaldehyd)
oder zur Optimierung der Säureproduktion führen. Solche Eigenschaften sind wichtige Funk-
tionen für Mikroorganismen, die bei der Herstel ung fermentierter Lebensmittel eingesetzt
werden. Erste
Genome Editing Systeme unter Verwendung von CRISPR/Cas9 sind bereits
für ‚probiotische‘
L. reuteri-, L. lactis- und
S. thermophilus-Stämme im Forschungslabor ent-
wickelt worden (van Pijkeren
et al., 2012; Oh und van Pijkeren, 2014; Sel e
et al., 2015, Bar-
rangou und van Pijkeren, 2016). Weiterhin könnte eine zielgerichtete Mutagenese z.B. Anti-
biotikaresistenzgene in Starterkulturen, die neu entwickelt werden, ausschalten. Da jedoch
nach EFSA-Sicherheitsbewertung im Rahmen des QPS (
Qualified Presumption of Safety)
Antibiotikaresistenzgene in Starterkulturen, die in menschlichen Lebensmittel eingesetzt wer-
den, abwesend sein müssen, sol te geklärt werden, inwiefern dies die Sicherheitsbewertung
von Stämmen, welche durch CRISPR/Cas9 inaktivierte Resistenzgene tragen, betrifft. Neben
dem CRISPR/Cas9 System werden aber auch andere Nuklease-Systeme erfolgreich in Mik-
roorganismen eingesetzt. Mit Hilfe von Zinkfingernukleasen konnten z.B. plasmidkodierte
Beta-Laktamase-Gene in
Escherichia coli gezielt zerstört werden (Dastjerdeh
et al. 2016).
Weiterhin konnte mit Hilfe von
Transcription Activator Like Effector Nukleasen (TALEN) ein
Darm-Kolonisierungs-Gen (
adp) in
Bacil us nematodica ausgeschaltet werden (Niu
et al. 2015). Auch Meganukleasen finden z.B. in Actinomyceten Anwendung (Fernández-Martínez
und Bibb 2014). Einblicke in die Rol e und Funktion sowie Regulation von Genen und Protei-
1.1
nen kann man sich z.B. unter Anwendung von
oligonucletide-directed mutagenesis (ODM)
verschaffen. Dieses Verfahren wird schon über Jahrzehnte erfolgreich bei Mikroorganismen
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angewendet (beispielhaft: Toniti et al 2017, Xu und Zhang 2016, Sun et al 2016, Nisha and
Satyanarayana 2013, Mandaci 2011, Carter
et al. 1985, Ruvkun und Ausubel 1981).
6.5.2 Genexpressions-Modulation
Weiterhin könnten CRISPR/Cas9-Systeme für die
Modulierung der Genexpression bei bio-
technologisch wertvol en Genen in Lebensmittelfermentationen genutzt werden, z.B. um eine
verbesserte Säuerung, Bacteriocinbildung, Vitaminbildung oder Enzymaktivität (z.B. Pro-
tease-, Peptidase-, Amylase- oder Lipaseaktivität) zu erhalten. Aktuel wurde eine Methode
unter Einbeziehung des CRISPR/Cas9 Systems entwickelt, um die biotechnologische Isopro-
panol Produktion in
E.coli zu verbessern (CREATE, Liang
et al. 2017). Auch die Ethanolpro-
duktion in
Saccharomyces cerevisiae konnte unter Verwendung von TALEN gesteigert wer-
den (Ye
et al. 2016).
6.5.3 ‚Impfung‘ biotechnologisch wichtiger Stämme
Ein sehr wichtiger weiterer Anwendungsbereich wäre die ‚
Impfung‘ biotechnologisch wichti-
ger Starterkulturen, d.h. durch das auf CRISPR/Cas9-basierende adaptive Immunsystem be-
stimmter Bakterien andere Stämme gegen Bakteriophagen zu schützen. Bakteriophagenbe-
fal kann verheerende Auswirkungen auf Lebensmittel-Fermentationen mit erheblichen finan-
ziel en Schäden zur Folge haben. Es konnte bereits gezeigt werden, dass das CRISPR/Cas9
System von
S. pyogenes in mit einem
B. subtilis enthaltenden spacer
in
B. subtilis Resistenz
gegen den Bakteriophagen SPP1 zeigte (Jakutyte-Giraitiene und Gasiunas, 2016).
6.5.4 Genotypisierung von Bakterienstämmen
CRISPR/Cas9 Systeme ermöglichen aufgrund der Spacer-Abfolge in den CRISPR/Cas9-
Loci eine präzise Genotypisierung von biotechnologisch wertvol en Mikroorganismen oder
lebensmittelrelevanten Krankheitserregern wie z.B.
Salmonel a typhimurium Serovare (Al-
meida
et al. 2017). Hiervon könnte man auch Gebrauch machen, um die Herkunft spezifi-
scher Mikroorganismen aus ursprungsgeschützten Produkten nachzuweisen. Dieses könnte
eine wichtige Rol e beim Nachweis der Lebensmittelauthentizität spielen (Barrangou and
Dudley, 2016).
1.1
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6.5.5 CRISPR/Cas9 als antimikrobielles Agens?
Es besteht die Möglichkeit, die DNA-schneidenden bzw. –degradierenden Eigenschaften des
CRISPR/Cas9 System von Bakterien zu verwenden, um die Komposition von Mikroorganis-
mengemeinschaften zu beeinflussen und zu kontrol ieren. Das ist besonders interessant im
Bereich der Medizin, Biotechnologie und Umweltforschung. In diesem Zusammenhang könn-
te das CRISPR/Cas9 System z. B. für die sequenz-spezifische Entfernung von antibiotikare-
sistenten und virulenten
Staphylococcus aureus Stämmen eingesetzt werden, ohne dass avi-
rulente
S. aureus betroffen werden. Bikard et al. (2014) zeigten, dass ein modifiziertes
CRISPR/Cas9 System inklusive der spezifischen Ziel-Sequenzen (z.B. Antibiotika-Resistenz-
Gene wie mecA) mit Hilfe eines Phagemids in Phagenköpfe verpackt und in
S. aureus über-
tragen werden kann. In einer gemischten Population wurden dabei nur die
mecA-tragenden
S. aureus inaktiviert. Außerdem konnten auch Ziel-Gene auf resistenzvermittelnden Plasmi-
den zerstört werden und dadurch der Anteil an resistenzvermittelnden Plasmiden in einer ge-
mischten
S. aureus Population deutlich vermindert werden. Weitere Arbeiten in diese Rich-
tung befassten sich erfolgreich mit
Streptococcus pneumoniae,
Salmonel a enterica und
E-
scherichia coli Stämmen (Gomaa et al. 2014, Jiang et al. 2013). Das CRISPR/Cas9 System
könnte somit als Stamm-spezifisches antimikrobiel es Agens eingesetzt werden. Bis die An-
wendbarkeit zur sequenzspezifischen Manipulation komplexer Mikroorganismen-Gemein-
schaften in medizinischen, biotechnologischen oder umweltbezogenen Bereichen gegeben
ist, müssen al erdings noch einige Hürden (z.B. Art des Transfers in die Zielzel en, Verbleib
von Fremd-DNA in den Zel en etc.) überwunden werden.
1.1
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6.6 STAND DER ANWENDUNG UND ENTWICKLUNG DES GENOME EDITING IN
DER HUMAN- UND VETERINÄRMEDIZIN
Eine Ausarbeitung dieses Kapitel liegt als Entwurf noch nicht vor. Die Bearbeitung sol Infor-
mationen des jüngsten Berichts der European Academies' Science Advisory Council, "
Ge-
nome Editing: Scientific opportunities, public interests, and policy options in the EU" (Euro-
pean Academies' Science Advisory Council, 2017) berücksichtigen.
1.1
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7 DANKSAGUNG
Die Autoren danken dem RKI und BfN für kritische Anmerkungen bei der Erstel ung des ers-
ten Entwurfes sowie Vertretern nachfolgender Institutionen und Verbände sowie weiteren
Personen für die Beteiligung an einer nachfolgenden öffentlichen Konsultation:
•
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und Bayeri-
sches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz,
•
Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V.,
•
Bundesverband Rind und Schwein e.V. und Förderverein Bioökonomieforschung
e.V.,
•
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e. V.,
•
Dir. und Prof. i. R. Dr. H.-J.-Buhk
•
Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten des Landes Rheinland-
Pfalz,
•
Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Lan-
des Nordrhein-Westfalen,
•
Testbiotech e. V.,
•
Umweltinstitut München e. V.,
•
Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e. V.
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