Ref. Ares(2023)375970 - 18/01/2023
bundeskanzleramt.gv.at
BKA - V (Verfassungsdienst)
xxxxxxxxxxxx@xxx.xx.xx
Mag.
An die
Europäische Kommission
@bka.gv.at
Generalsekretariat
+43 1
Ballhausplatz 2, 1010 Wien
E-Mail-Antworten sind bitte unter Anführung der
Geschäftszahl an xxxxxxxxxxxx@xxx.xx.xx zu
richten.
Geschäftszahl: 2020-0.346.585
Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2018/4185 wegen Verstoßes des
Wasserrechtsgesetzes
gegen
Art. 12
der
Dienstleistungsrichtlinie
2006/123/EG und Art. 49 AEUV;
Mahnschreiben der Europäischen Kommission;
Ergänzende Stellungnahme der Republik Österreich
In der Beilage wird eine ergänzende Stellungnahme der Republik Österreich zum im Betreff
genannten Vertragsverletzungsverfahren übermittelt.
Beilage
Wien, am 18. Juni 2020
Für die Bundesministerin für EU und Verfassung:
Elektronisch gefertigt
Geschäftszahl: 2020-0.346.585
ERGÄNZENDE STELLUNGNAHME DER REPUBLIK ÖSTERREICH
ZUM MAHNSCHREIBEN DER KOMMISSION
VOM 8. MÄRZ 2019
IM VERTRAGSVERLETZUNGSVERFAHREN NR. 2018/4185
WEGEN VERSTOSSES DES WASSERRECHTSGESETZES GEGEN
ART. 12 der DIENSTLEISTUNGSRICHTLINIE 2006/123/EG und ART. 49 AEUV
In Ergänzung zu ihren Stellungnahmen vom 5. Juli 2019 und 16. Jänner 2020 zum
Mahnschreiben der Europäischen Kommission vom 8. März 2019, C(2019)1153,
Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2018/4185, wegen Verstoßes des Wasserrechtsgesetzes
gegen Art. 12 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG und Art. 49 AEUV teilt die Republik
Österreich Folgendes mit:
(1) In der Stellungnahme vom 5. Juli 2019 (vgl. insbesondere die Ausführungen in
Rn. 27ff) hat die Republik Österreich zur fehlenden Anwendbarkeit der
Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG Stellung genommen. In Ergänzung dazu weist
die Republik Österreich auf das am 28. Mai 2020 ergangene Urteil in der Rechtssache
C-727/17, ECO-WIND Construction, hin:
(2) Der Gerichtshof stellte darin insbesondere Folgendes fest: Die Richtlinie 2006/123
gelte nach ihrem Art. 2 Abs. 1 für Dienstleistungen, die von einem in einem
Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden, mit
Ausnahme der in ihrem Art. 2 Abs. 2 und 3 genannten Tätigkeiten und Bereiche. Nach
Art. 4 Nr. 1 der Richtlinie 2006/123 bezeichne der Ausdruck „Dienstleistung“ für die
Zwecke dieser Richtlinie jede von Art. 57 AEUV erfasste selbständige Tätigkeit, die in
der Regel gegen Entgelt erbracht werde. Im 76. Erwägungsgrund der
Richtlinie 2006/123 werde klargestellt, dass es sich bei den nach dieser Bestimmung
des AEUV unzulässigen Beschränkungen um Anforderungen für die Aufnahme und
Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten handelt, und nicht um Anforderungen, die
sich auf Waren als solche beziehen. Die Regelung des Ausgangsverfahrens (Art. 4
Abs. 1 des polnischen Windkraftanlagengesetzes) führe zwar eine territoriale
Beschränkung für die Errichtung von Windkraftanlagen ein, diese Bestimmung
beziehe sich aber auf die Tätigkeit der Herstellung eines Erzeugnisses, nämlich von
Elektrizität. Nach gefestigter Rechtsprechung könne die Tätigkeit der Herstellung
eines Erzeugnisses als solche jedoch nicht als Dienstleistung angesehen werden.
2 von 3
Unter diesen Umständen sei davon auszugehen, dass eine nationale Regelung,
wonach bei der Errichtung einer Windkraftanlage zwischen der Anlage und Gebäuden
mit Wohnnutzung ein Mindestabstand einzuhalten sei, nicht in den
Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 falle. Dass die Tätigkeit der
Stromerzeugung mit der Erbringung von Netzregulierungsdiensten sowie von
Dienstleistungen der Energiepreissicherung einhergehe, könne die Schlussfolgerung
nicht in Frage stellen, da diese Dienstleistungen der Haupttätigkeit der
Stromerzeugung untergeordnet seien (EuGH 28.5.2020, Rs. C-727/17, ECO-WIND
Construction, Rn. 53 bis 59).
(3) Nach Auffassung der Republik Österreich sind diese Ausführungen des Gerichtshofs
auch für das gegenständliche Vertragsverletzungsverfahren beachtlich. Dass es
vorliegend nicht um Windkraft-, sondern Wasserkraftanlagen geht, vermag daran
nichts zu ändern, da es in beiden Fällen um Stromerzeugung geht.
(4) Der dem gegenständlichen Vertragsverletzungsverfahren zugrunden liegenden
Prämisse der Kommission, dass der Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen zur
Stromerzeugung in der Regel eine gegen Entgelt erbrachte Leistung im Sinne der
Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG und des AEUV darstelle (S. 5 des
Mahnschreibens), ist insoweit die Grundlage entzogen.
(5) Die
im
Mahnschreiben
dargelegten
Bedenken
im
Hinblick
auf
die
Niederlassungsfreiheit hat die Kommission bereits im Vertragsverletzungsverfahren
Nr. 2003/2236, das am 12. Dezember 2016 eingestellt wurde, nicht weiter verfolgt.
(6) Die Republik Österreich steht für weitere vertiefende Diskussionen im
Zusammenhang mit der gegenständlichen Thematik und für Nachfragen seitens der
Kommission jederzeit gerne zur Verfügung.
Wien, am 18. Juni 2020
Für die Republik Österreich:
3 von 3