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EUROPÄISCHE KOMMISSION 
 
 
 
Brüssel, den 9.6.2021 
INFR(2021)2114 
C(2021)4251 final 
 
Sehr geehrter Herr Bundesminister, 
ich möchte Sie auf folgende Situation hinweisen. Das Bundesverfassungsgerichts hat am 
5. Mai 2020 sein Urteil in den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen 
Verfassungsbeschwerden mit den Aktenzeichen 2 BvR 859/15, 2 BvR 1651/15, 2 BvR 
2006/15 und 2 BvR 980/16 („Urteil des Bundesverfassungsgerichts“) verkündet.
In  Punkt  3 des Urteilstenors  stellt das Bundesverfassungsgericht  fest, dass die 
Bundesregierung und der Deutsche Bundestag gegen das Grundgesetz verstoßen haben, 
da sie es unterlassen haben, geeignete Maßnahmen dagegen zu ergreifen, dass der Rat der 
Europäischen Zentralbank im Beschluss (EU) 2015/774 der Europäischen Zentralbank 
vom 4. März 2015 über ein Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen 
Sektors an den Sekundärmärkten (Public Sector Asset Purchase Programme, 
EZB/2015/10, ABl EU Nr. L 121 vom 14. Mai 2015, S. 20, „PSPP-Beschluss“), weder 
geprüft noch dargelegt hat,  dass die beschlossenen Maßnahmen dem Grundsatz der 
Verhältnismäßigkeit entsprechen. 
Die  Urteilsgründe, die  Punkt 3 des Tenors tragen,  und  die  gemäß  § 31 
Bundesverfassungsgerichtsgesetz für die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder 
sowie alle Gerichte und Behörden  bindend sind,2  finden sich in den Abschnitten des 
Urteils, welche die Auswirkungen der Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts für 
die  beklagten Verfassungsorgane Bundesregierung und Deutscher Bundestag darlegen 
(Abschnitte C.II.5 und C.II.6 des Urteils, Randziffern 229 bis 235). Diese Feststellungen 
wiederum  basieren auf der vorangehenden  Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, 
dass das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union („Gerichtshof“) vom 11. 
                                                 
1  DE:BVerfG:2020:rs20200505.2bvr085915, verfügbar unter 
http://www.bverfg.de/e/rs20200505_2bvr085915.html 
2  Bundesverfassungsgerichtsgesetz, veröffentlicht am 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), zuletzt 
geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. Oktober 2017 (BGBl. I. S. 3546). 
Seiner Exzellenz Herrn Heiko MAAS 
Bundesminister des Auswärtigen 
Werderscher Markt 1 
D - 10117 Berlin 
 
Commission européenne, B-1049 Bruxelles – Belgique 
Europese Commissie, B-1049 Brussel – België 
Telefon: 00 32 (0) 2 299.11.11 
 

link to page 2 Dezember 2018 in der Rechtssache C-493/17, Weiss und andere (EU:C:2018:1000) („das 
Weiss-Urteil des Gerichtshofs“) einen Ultra-vires-Akt darstellt  (Abschnitt  C.II.1.a des 
Urteils des Bundesverfassungsgerichts, Randziffern 118 bis 163) und dass auch der 
PSPP-Beschluss einen Ultra-vires-Akt darstellt (Abschnitt C.II.1.b des Urteils  des 
Bundesverfassungsgerichts, Randziffern 164 bis 178).  
Demgemäß stellt das Bundesverfassungsgericht  in Randziffer 163 seines  Urteils fest, 
dass das Weiss-Urteil des Gerichtshofes „in Deutschland insoweit  keine 
Bindungswirkung entfaltet“ (Hervorhebung der Kommission).  
Zweitens stellt das Bundesverfassungsgericht in Randziffer 178 seines Urteils fest, dass 
der PSPP-Beschluss „als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren ist“. In Randziffer 234 des 
Urteils stellt es weiterhin fest: „Soweit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, 
dass eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der 
Europäischen Union die durch das Integrationsprogramm in Verbindung mit Art. 23 
Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG gezogenen Grenzen überschreitet, hat sie als 
Ultra-vires-Akt am Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht teil. Sie ist in 
Deutschland unanwendbar und entfaltet für deutsche Verfassungsorgane, Behörden und 
Gerichte keine Wirkung.“ (Hervorhebung der Kommission) 
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die europäische Zentralbank am 
3. Juni und am 4. Juni 2020 mehrere Beschlüsse gefasst und im Anschluss daran weitere 
Auskünfte in Bezug auf das PSPP veröffentlicht. Daraufhin haben sowohl der Bundestag 
und die Bundesregierung auf der Grundlage einer Bewertung der Bundesbank bestätigt, 
dass sie das PSPP für mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar halten. 
Mit Schriftsätzen von August 2020 haben zwei Antragsteller den Erlass einer 
Vollstreckungsanordnung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts beantragt. Die 
Antragsteller waren der Auffassung, dass die im vorherigen Absatz beschriebenen 
Handlungen nicht ausreichen, um  dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 
nachzukommen. Sie beantragten daher, dass die Bundesregierung und der Bundestag 
verpflichtet werden, tätig zu werden um sicherzustellen, dass die Bundesbank sich 
weiterer Teilnahme am PSPP enthält. Durch Beschluss vom 29. April 2021, der am 
18. Mai 2021 veröffentlicht wurde, verwarf das Bundesverfassungsgericht diese Anträge 
als unzulässig bzw. als unbegründet.  
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ein Mitgliedsstaat im Hinblick auf 
seine Rechtspflichten, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, als Einheit zu betrachten 
und als solches  im Sinne des  Unionsrechts verantwortlich, ohne dass danach zu 
unterscheiden wäre, ob der entsprechende Rechtsakt der Legislative, der Judikative oder 
der Exekutive zuzurechnen ist.Was die Judikative betrifft, ist dies besonders wichtig, 
um  die Entwicklung einer Rechtsprechungslinie in einem Mitgliedstaat zu verhindern, 
                                                 
3  Siehe  die Urteile in Kommission/Frankreich, C-416/17, EU:C:2018:811, Randnrn. 106 und 107; in 
Kommission/Spanien, C-154/08, EU:C:2009:695, Randnrn. 124 bis 127; siehe auch das Urteil in 
Köbler, C-224/01, EU:C:2003:513, Randnr. 32. 


link to page 3 link to page 3 die  mit  Unionsrecht  unvereinbar ist.4  Die  Unionsverträge  binden  alle Staatsorgane der 
Mitgliedsstaaten, und somit auch die Judikative.
Insbesondere wirft das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schwerwiegende Fragen des 
Unionsrechts  auf. Angesichts dessen haben die Dienststellen der Kommission das 
Gespräch mit den deutschen Behörden über diese Fragen gesucht. Im Anschluss daran 
haben  sie  mit Schreiben vom 23. Februar 2021 die Auffassung vertreten, dass diese 
Fragen im Rahmen eines informellen Dialogs zwischen dem Bundesverfassungsgericht 
und dem Gerichtshof dahingehend behandelt werden sollten, dass Formen „zukünftiger 
justizieller Zusammenarbeit“ ausgelotet werden, einschließlich einer intensiveren 
Nutzung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Artikel 267 AEUV in zukünftigen 
Rechtssachen.  Auch wenn die Vorschläge der deutschen Behörden nicht in die Tat 
umgesetzt wurden, wäre der vorgeschlagene informelle Dialog ohnehin  nicht geeignet, 
die Rechtslage zu ändern, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die 
Punkte  geschaffen hat, die im vorliegenden Aufforderungsschreiben  angesprochen 
werden. 
Zudem haben die deutschen Behörden nach dem Beschluss des 
Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2021, der am 18. Mai veröffentlicht wurde, die 
Dienststellen der Kommission darüber unterrichtet, dass ihrer Auffassung nach der 
Rechtsstreit zum PSPP vor dem Bundesverfassungsgericht vollständig erledigt ist, ohne 
dass er tatsächliche Konsequenzen ausgelöst hätte. Nach Auffassung der deutschen 
Behörden ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ein wichtiges und positives 
Signal für die Zukunft und für zukünftige Verfahren. Die Kommission ist dagegen der 
Auffassung, dass auch diese Entwicklung die Rechtslage nicht ändert, die das Urteil des 
Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die Punkte geschaffen hat, die im vorliegenden 
Aufforderungsschreiben  angesprochen werden. Dem Urteil des Gerichtshofs und den 
Erwägungen, auf denen es beruht, werden die Rechtswirkungen weiterhin vorenthalten, 
die die Verträge der Union vorsehen. Gleiches gilt für den ursprünglichen PSPP-
Beschluss.  Die weiteren Schritte,  die  die  deutschen Behörden nach dem Urteil des 
Bundesverfassungsgerichts  angesichts der geldpolitischen Beschlüsse der europäischen 
Zentralbank vom 3. April und vom 4. April 2021 unternommen haben, haben zwar dazu 
geführt, dass die Umsetzung des PSPP-Beschlusses in der Praxis nicht abgebrochen 
wurde. Die Vertragsverletzung, die im vorliegenden  Aufforderungsschreiben  dargelegt 
wird, bleibt davon indes unberührt. 
Das vorliegende Aufforderungsschreiben  betrifft  die  allgemeinen  Grundsätze  der 
Autonomie, des Anwendungsvorrangs, der Wirksamkeit und der einheitlichen 
Anwendung des Unionsrechts,  des  Artikels  267 AEUV (Vorabentscheidungsverfahren) 
und  des  Artikels  4  Abs.  3  EUV (allgemeiner Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit). 
Ohne  diese  Strukturprinzipien  des Unionsrechts zu  missachten,  wäre es dem 
Bundesverfassungsgericht nicht möglich gewesen, den PSPP-Beschluss als Ultra-vires-
Akt einzustufen.  
                                                 
4  Siehe  die Urteile in Ferreira da Silva, C-160/14, EU:C:2015:565, Randnrn. 36 bis 45; in 
Kommission/Spanien, C-154/08, EU:C:2009:695, Randnrn. 124 bis 127; und in Kommission/Italien
C-129/00, EU:C.2003:656, Randnrn. 30 bis 35. 
5  Siehe die Nachweise in Fußnote 2.  


link to page 4 link to page 4 link to page 4 link to page 4 Erster Vorwurf: Allgemeine Grundsätze der Autonomie, des Anwendungsvorrangs, 
der Wirksamkeit und der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts 
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs  ist  das  Unionsrecht  eine autonome 
Rechtsordnung  sowohl  gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten als auch  gegenüber 
dem Völkerrecht. Diese Autonomie beruht auf den wesentlichen Merkmalen der Union 
und ihres Rechts, die ihre  Verfassungsstruktur sowie das Wesen dieses  Rechts selbst 
betreffen. Das Unionsrecht ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es einer autonomen 
Quelle, den Verträgen, entspringt und Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten hat, 
sowie durch die unmittelbare Wirkung einer ganzen Reihe von Bestimmungen, die für 
ihre Staatsangehörigen und für sie selbst gelten. Solche Merkmale haben zu einem 
strukturierten Netz von miteinander verflochtenen Grundätzen, Regeln und 
Rechtsbeziehungen geführt, das die Union selbst und ihre Mitgliedstaaten wechselseitig 
sowie die Mitgliedstaaten untereinander bindet.
Das Unionsrecht beruht somit auf der grundlegenden Prämisse, dass jeder Mitgliedstaat 
mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt – und anerkennt, 
dass sie sie mit ihm teilen –, auf die sich gemäß Art. 2 EUV die Union gründet. Diese 
Prämisse impliziert und rechtfertigt das  gegenseitige Vertrauen zwischen den 
Mitgliedstaaten, dass  diese Werte selbst  und dass das Unionsrecht, das sie umsetzt, 
beachtet werden. In eben diesem Zusammenhang obliegt es den Mitgliedstaaten nach 
dem in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV niedergelegten Grundsatz der loyalen 
Zusammenarbeit, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet insbesondere für die Anwendung 
und Wahrung des Unionsrechts zu sorgen und zu diesem Zweck alle geeigneten 
Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen  zu 
ergreifen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Unionsorgane ergeben.
Nach  ständiger  Rechtsprechung  können  aufgrund des Anwendungsvorrangs des 
Unionsrechts, welcher ein wesentliches Merkmal der Rechtsordnung der Union darstellt8, 
dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden 
Recht wegen seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen 
Rechtsvorschriften vorgehen […], wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht 
aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt 
werden soll“.Daraus folgt, dass Normen des mitgliedstaatlichen Rechts, selbst solche 
von Verfassungsrang, niemals die Wirksamkeit des Unionsrechts im Hoheitsgebiet eines 
Mitgliedsstaates beeinträchtigen dürfen. 
                                                 
6  Urteil in Achmea, C-284/16, EU:C:2018:158, Randnr. 33; vergleiche in diesem Sinne auch Gutachten 
2/13 (Beitritt der Union zur EMRK) vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Randnrn. 165 bis 167 
und die darin zitierte Rechtsprechung. 
7  Urteil in Achmea, C-284/16, EU:C:2018:158, Randnr. 34; Gutachten 2/13 (Beitritt der Union zur 
EMRK) vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Randnrn. 168 und 173 und die darin zitierte 
Rechtsprechung. 
8  Gutachten 1/91 (EWR-Abkommen  I), EU:C:1991:490, Randnr. 21; und Gutachten 1/09  (Schaffung 
eines einheitlichen Patentgerichtssystems), EU:C:2011:123, Randnr. 65. 
9  Urteile in Costa/ENEL, 6/64, EU:C:1964:66, Seite 1145; Internationale Handelsgesellschaft, 11/70, 
EU:C:1970:114, Randnr. 3; Dow Chemical Ibérica gg. Kommission, 97/87, 98/87 und 99/87, 
EU:C:1989:380, Randnr. 38; Winner Wetten, C-409/06, EU:C:2010:503, Randnr. 6; und Melloni, C-
399/11, EU:C:2013:107, Randnr. 59. 


link to page 5 link to page 5 link to page 5 link to page 5 Um sicherzustellen, dass die besonderen Merkmale und die Autonomie der 
Rechtsordnung der Union erhalten bleiben, haben die Verträge ein Gerichtssystem 
geschaffen, das zur Gewährleistung der Kohärenz und der Einheitlichkeit bei der 
Auslegung des Unionsrechts dient.10 
Schließlich sind nach ständiger Rechtsprechung mitgliedsstaatliche Gerichte nicht befugt, 
Handlungen der Unionsorgane für ungültig zu erklären. Die dem Gerichtshof in Artikel 
267 AEUV  zuerkannten Befugnisse bezwecken nämlich im Wesentlichen, eine 
einheitliche Anwendung des Unionsrechts  durch die nationalen Gerichte zu 
gewährleisten. Diese Einheitlichkeit ist von besonderer Bedeutung, wenn es um die 
Gültigkeit eines Unionsrechtsakts geht. Denn Meinungsverschiedenheiten zwischen den 
Gerichten der Mitgliedstaaten über die Gültigkeit von Unionsrechtsakten wären geeignet, 
die Einheit der Unionsrechtsordnung  selbst zu gefährden und das grundlegende 
Erfordernis der Rechtssicherheit zu beeinträchtigen.11  Daher ist allein der Gerichtshof 
befugt, die Ungültigkeit eines Unionsrechtsakts festzustellen.12 
Nach Ansicht der Kommission ist  das Urteil des Bundesverfassungsgerichts  mit dem 
allgemeinen Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts unvereinbar. Das 
Bundesverfassungsgericht stellt zunächst fest, das Weiss-Urteil des Gerichtshofs sei ein 
Ultra-vires-Akt und entfalte in Deutschland keine Bindungswirkung. Im Anschluss daran 
legt es eigenständig das Unionsrecht aus  und prüft die Rechtmäßigkeit des PSPP-
Beschlusses auf Grundlage dieser eigenen Auslegung, um ihn ebenfalls als Ultra-vires-
Akt  einzustufen.13  In Hinblick  auf das Weiss-Urteil  des Gerichtshofs und den PSPP-
Beschluss missachtet das Bundesverfassungsgericht damit den allgemeinen Grundsatz 
der Autonomie des  Unionsrechts, indem es  den PSPP Beschluss  einer externen 
gerichtlichen Überprüfung unterzieht. Damit stellt  das Bundesverfassungsgericht  das 
gegenseitige Vertrauen der Mitgliedsstaaten  darin, dass das Unionsrecht  durch alle 
Mitgliedstaat befolgt und geachtet wird, in Frage. 
Gleichermaßen scheint das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundsatz des 
Anwendungsvorrangs des Unionsrechts  unvereinbar zu sein  und    die Wirksamkeit des 
Unionsrechts  in Deutschland  zu gefährden. Das Bundesverfassungsgericht  entscheidet 
sogar ausdrücklich, dass der PSPP-Beschluss „am Anwendungsvorrang des Unionsrechts 
nicht  [teilhat]“  und  „in Deutschland unanwendbar [ist und]  für deutsche 
Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte keine Wirkung [entfaltet]“.  In diesem 
Zusammenhang wendet das Bundesverfassungsgericht auch Vorschriften der nationalen 
Rechtsordnung auf eine Weise  an,  welche  die Wirksamkeit des Unionsrechts in 
Deutschland in Frage stellen. Auf diese Weise verwirft das Bundesverfassungsgericht die 
verbindliche und endgültige Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof,  die 
                                                 
10  Urteil in Achmea, C-284/16, EU:C:2018:158, Randnr. 35; Gutachten 2/13 (Beitritt der Union zur 
EMRK) vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Randnr. 174. 
11  Urteile in Foto-Frost, 324/85, EU:C:1987:452, Randnrn. 15 und 20; IATA, C-344/04, EU:C:2006:10, 
Randnr. 27; und OTIS, C-199/11, EU:C:2012:684, Randnrn. 53 und 54. 
12  Urteiles in Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, C-143/88 und C-92/89, 
EU:C:1991:65, Randnr. 17; und in Greenpeace France und andere, C-6/99, EU:C:2000:148, Randnr. 
54. 
13  Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Randziffern 168 bis 179. 


link to page 6 link to page 6 einen besonderen Ausdruck des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts darstellt, und für 
die  Kohärenz  und Einheitlichkeit der Auslegung und  Anwendung des Unionsrechts 
wesentlich ist.  
Schließlich  stellt  das Urteil des Bundesverfassungsgerichts  auch die ausschließliche 
Zuständigkeit des Gerichtshofs dafür, einen Rechtsakt der Union für ungültig zu erklären, 
in Frage. Zwar erklärt das Bundesverfassungsgericht den PSPP-Beschluss nicht förmlich 
für ungültig, sondern macht seine weitere Wirksamkeit in Deutschland davon abhängig, 
dass  innerhalb von drei Monaten  „der EZB-Rat in einem neuen Beschluss 
nachvollziehbar darlegt, dass die mit dem PSPP angestrebten währungspolitischen Ziele 
nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen wirtschafts-  und fiskalpolitischen 
Auswirkungen stehen“.14 Jedoch scheint dieses Ergebnis nicht ausschließlich vorläufigen 
Charakter zu haben. Dies ergibt sich bereits  aus dem Umstand, dass das 
Bundesverfassungsgericht  das  Weiss-Urteil abschließend zum Ultra-vires-Rechtsakt 
erklärt hat, um zu seiner Entscheidung im Hinblick auf den PSPP-Beschluss gelangen zu 
können. Dadurch hat das Bundesverfassungsgericht  eine Rechtslage geschaffen, die 
gemäß der  ständigen  Rechtsprechung des Gerichtshofs gerade vermieden werden  soll, 
und hat eine Entscheidung getroffen, die dem PSPP-Beschluss zuwiderläuft.  
Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts  hat die Bundesrepublik Deutschland 
somit gegen die allgemeinen Grundsätze der Autonomie, des Anwendungsvorrangs, der 
Wirksamkeit und der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts  sowie gegen die 
ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs, einen Rechtsakt der Union für ungültig 
zu erklären, verstoßen. 
Ein informeller Dialog zwischen dem Bundesverfassungsgericht  und dem Gerichtshof, 
um Formen „zukünftiger justizieller Zusammenarbeit“ auszuloten, wie er im Schreiben 
vom 23. Februar 2021 vorgeschlagen wurde, könnte diese Schlussfolgerung nicht ändern. 
Die anhaltende Verletzung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, die das Urteil 
des Bundesverfassungsgerichts verursacht hat, würde durch einen solchen informellen 
Dialog nicht behoben. 
Zweiter Vorwurf: Die bindende Wirkung von gemäß Artikel 267 AEUV erlassenen 
Urteilen des Gerichtshofs und  die  Pflicht  zur loyalen Zusammenarbeit gemäß 
Artikel 4 Abs. 3 EUV 
Gemäß Artikel 19 EUV ist es Sache der nationalen Gerichte und des Gerichtshofs, die 
volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den Schutz der Rechte 
zu gewährleisten, die den Einzelnen aus ihm erwachsen.15 
Insbesondere besteht das Schlüsselelement des so gestalteten Gerichtssystems in dem in 
Artikel  267 AEUV vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahren, das durch die 
Einführung eines Dialogs von Gericht zu Gericht gerade zwischen dem Gerichtshof und 
den Gerichten der Mitgliedstaaten die einheitliche Auslegung des Unionsrechts 
                                                 
14  Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Randziffer 235. 
15  Urteil in Achmea, C-284/16, EU:C:2018:158,  Randnr. 36; Gutachten 1/09 (Schaffung eines 
einheitlichen Patentgerichtssystems), EU:C:2011:123, Randnr. 68, und 2/13 (Beitritt der Union zur 
EMRK) vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Randnr. 175, sowie Urteil in Associação Sindical 
dos Juízes Portugueses, C‑64/16, EU:C:2018:117, Randnr. 33. 


link to page 7 link to page 7 link to page 7 link to page 7 link to page 7 gewährleisten soll und damit die Sicherstellung seiner Kohärenz, seiner vollen Geltung 
und seiner Autonomie sowie letztlich des eigenen Charakters des durch die Verträge 
geschaffenen Rechts ermöglicht.16 
Es folgt daraus für das Rechtssystem der Union, dass ein Urteil des Gerichtshofs in einem 
Vorabentscheidungsverfahren  zur  Auslegung oder Gültigkeit eines Rechtsakts  der 
Unionsorgane  endgültig  über  die  Rechtsfrage  oder die Rechtsfragen  des Unionsrechts 
befindet und das nationale Gericht bei der Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit 
bindet.17 
Indem das Bundesverfassungsgericht feststellt, das Weiss-Urteil des Gerichtshofs entfalte 
in Deutschland insoweit  keine Bindungswirkung“,18  missachtet  es  ein endgültig 
verbindliches Urteil des Gerichtshofes.  
Die Kommission ist der Auffassung, dass jede Meinungsverschiedenheit zwischen dem 
vorlegenden Gericht eines Mitgliedsstaates und dem Gerichtshof durch einen Dialog im 
Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens  gelöst werden muss. Dieser Dialog kann, 
wenn notwendig, ein Prozess eines sich wiederholenden Dialogs sein.19 Im Einklang mit 
ständiger Rechtsprechung schließt die Bindungswirkung eines im 
Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteils nicht aus, dass  das nationale Gericht, 
an das dieses Urteil gerichtet ist, eine erneute Anrufung des Gerichtshofes vor der 
Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits für erforderlich hält. Nach ständiger 
Rechtsprechung ist eine solche neuerliche  Vorlage gerechtfertigt, wenn das nationale 
Gericht beim Verständnis oder der Anwendung des Urteils Schwierigkeiten hat, wenn es 
dem Gerichtshof eine neue Rechtsfrage stellt oder wenn es ihm neue Gesichtspunkte 
unterbreitet, die ihn dazu veranlassen könnten, eine bereits gestellte Frage abweichend zu 
beantworten.20 Die Rechtspflicht, den gerichtlichen Dialog fortzuführen, ergibt sich aus 
Artikel 267 AEUV, ausgelegt im Lichte des Artikel 4 Abs. 3 EUV.  Ein informeller 
Dialog zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem Gerichtshof, um Formen 
„zukünftiger justizieller Zusammenarbeit“ auszuloten, wie er im Schreiben vom 
23. Februar 2021 vorgeschlagen wurde, könnte den Mechanismus des justiziellen 
Dialogs, den die Verträge geschaffen haben, nicht ändern oder ersetzen. 
                                                 
16  Urteil in Achmea, C-284/16, EU:C:2018:158, Randnr. 37; Gutachten 2/13 (Beitritt der Union zur 
EMRK), EU:C:2014:2454, Randnr. 176 und die darin zitierte Rechtsprechung. 
17  Urteile in Benedetti, 52/76, EU:C:1977:16, Randnr. 26; Fazenda Pública, C-446/98, EU:C:2000:691, 
Randnr. 49 und Gauweiler, C-62/14, EU:C:2015:400, Randnr. 16 sowie Beschluss in Wünsche, 69/85, 
EU:C:1986:104, Randnr. 13. 
18  Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Randziffer 163. 
19  Siehe zum Beispiel Urteil in M.A.S. und M.B. („Taricco II“), C-42/17, EU:C:2017:936. 
20  Bezüglich der Möglichkeit wiederholter Vorlagebeschlüsse in derselben Sache siehe das Urteil in 
Pretore di Salò, 14/86, EU:C:1987:275, Randnr. 12, und den Beschluss in Wünsche, 69/85, 
EU:C:1986:104, Randnr. 15, wo der Gerichtshof auch klarstellt: „Mit einer solchen erneuten Vorlage 
kann jedoch die Gültigkeit des früheren Urteils nicht in Zweifel gezogen werden. Anderenfalls würde 
die in Artikel 177 EWG-Vertrag [Artikel 267 AEUV] vorgenommene Verteilung der Zuständigkeiten 
zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof in Frage gestellt.“ 



Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Weiss-Urteil  des 
Gerichtshofs in Deutschland keine bindende Wirkung entfaltet, ist die Kommission der 
Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland Artikel 267 AEUV nicht beachtet hat, 
denn Urteile des Gerichtshofs, die auf Grundlage dieser Vorschrift verkündet werden, 
sind verbindlich und endgültig. Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht das 
Weiss-Urteil zu einem Ultra-vires-Akt erklärt hat, statt dem Gerichtshof die Frage erneut 
zur Vorabentscheidung vorzulegen, um die Schwierigkeiten zu lösen, die sich mit der 
Anwendung des Weiss-Urteils des Gerichtshofs ergaben. Dadurch hat die Bundesrepublik 
Deutschland ihre Pflichten nach Artikel 267 AEUV, ausgelegt im Lichte des Artikel 4 
Abs. 3 EUV, missachtet. 
Schlussfolgerung 
Daher ist die Europäische Kommission der Auffassung, dass die Bundesrepublik 
Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus den allgemeinen Grundsätzen der 
Autonomie, des Anwendungsvorrangs, der Wirksamkeit und der einheitlichen 
Anwendung des Unionsrechts, gegen die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs, 
einen Rechtsakt der Union für ungültig  zu erklären,  sowie  gegen  Artikel  267 AEUV, 
ausgelegt im Licht der Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit, wie sie in Artikel 4 
Abs. 3 EUV vorgeschrieben ist, verstoßen hat. 
Die Kommission fordert Ihre Regierung gemäß Artikel 258 des Vertrags über die 
Arbeitsweise der Europäischen Union auf, sich binnen zwei Monaten nach Eingang 
dieses Schreibens hierzu zu äußern. 
Die Kommission behält sich vor, nach Eingang der Äußerungen oder im Falle, dass 
innerhalb der gesetzten Frist keine Äußerungen eingehen, gegebenenfalls eine mit 
Gründen versehene Stellungnahme nach Artikel 258 AEUV abzugeben. 
 
Mit vorzüglicher Hochachtung 
Für die Kommission 
Ursula VON DER LEYEN 
Präsidentin der Kommission