Ref. Ares(2020)5931722 - 26/10/2020
EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, 26.6.2019
C(2019) 4970 final
Naturschutzbund Oberösterreich
4752 Riedau
Österreich
BESCHLUSS DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION NACH ARTIKEL 4 DER
DURCHFÜHRUNGSVORSCHRIFTEN ZU DER VERORDNUNG (EG) NR. 1049/20011
Ihr Zweitantrag auf Akteneinsicht nach der Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001 - GESTDEM 2019/782
Sehr geehrter
,
ich nehme Bezug auf Ihre E-Mail vom 26. März 2019, die am selben Tag bei uns
registriert wurde und in der Sie nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen
Parlaments, des Rates und der Kommission2 (im Folgenden „Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001“) einen Zweitantrag zu Ihrem Antrag auf Akteneinsicht stellen.
1.
GEGENSTAND IHRES ANTRAGS
Am 11. Februar 2019 haben Sie einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten gestellt, die
das Thema „Prüfbesuch im Juni 2016, dass Österreich die Zuweisung von
Zahlungsansprüchen für Hutweideflächen nicht EUrechtskonform umgesetzt hat“
betreffen.
Ihr Antrag wurde der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für die
Bearbeitung und Beantwortung zugewiesen.
Ihr Antrag bezieht sich auf die im folgenden Dokument enthaltenen Informationen:
1
Amtsblatt L 345 vom 29.12.2001, S. 94.
2 Amtsblatt L 145 vom 31.5.2001, S. 43.
Commission européenne, 1049 Bruxelles/Europese Commissie, 1049 Brussel − BELGIQUE/BELGIË. Tel.: +32 229-91111.
http://ec.europa.eu/dgs/secretariat general/
E-Mail: xxxxxxxxxx@xx.xxxxxx.xx
Mitteilungsschreiben vom 26. August 2016 mit den Ergebnissen der Prüfung nach
Artikel 52 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, Untersuchung Nr. AA/2016/007/AT –
Flächenbezogene Beihilfen, Aktenzeichen Ares(2016) 4803607 (im Folgenden
„beantragtes Dokument“).
Das beantragte Dokument wurde von der Europäischen Kommission im Rahmen des
Konformitätsabschlussverfahrens nach Artikel 52 der Verordnung (EU) Nr. 1306/20133
erstellt, das auf die Kontrolle der Ausgaben der gemeinsamen Agrarpolitik abzielt.
Die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung antwortete auf Ihren
Antrag am 5. März 2019. Sie erläuterte, dass die Europäische Kommission auf der
Grundlage der Ergebnisse der oben genannten Prüfung am 12. Februar 2019 den
Durchführungsbeschluss (EU) 2019/2654 angenommen hat. Die Frist für die Anfechtung
dieses Beschlusses war nicht abgelaufen, sodass die Offenlegung des beantragten
Dokuments den Schutz des Zwecks dieser Prüfung beeinträchtigt hätte.
Daher wurde der Zugang zu dem betreffenden Dokument unter Berufung auf die in
Artikel 4 Absatz 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001
vorgesehene Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und
Audittätigkeiten verweigert.
In Ihrem Zweitantrag ersuchen Sie um Überprüfung dieses Standpunkts
2.
PRÜFUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN NACH DER VERORDNUNG (EG)
NR. 1049/2001
Bei der Prüfung eines Zweitantrags auf Dokumentenzugang nach der Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001
überprüft
das
Generalsekretariat
die
von
der
betreffenden
Generaldirektion bzw. Dienststelle ursprünglich übermittelte Antwort erneut.
Nach dieser Überprüfung kann ich Ihnen mitteilen, dass der erweiterte teilweise Zugang
zu dem Dokument gewährt wird.
Nach Ablauf der Frist für die Anfechtung des Beschlusses (EU) 2019/265 lässt sich die
vollständige Verweigerung des Zugangs zu dem Dokument auf der Grundlage der
genannten Ausnahme in Artikel 4 Absatz 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001 nicht rechtfertigen.
3 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember
2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik
und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG)
Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013,
S. 549).
4 Durchführungsbeschluss (EU) 2019/265 vom 12. Februar 2019 über den Ausschluss bestimmter von
den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des
Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter
Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union. ABl. L 44 vom 15.2.2019.
2
Dennoch wurden die einschlägigen Teile des betreffenden Dokuments auf der Grundlage
der Ausnahmeregelung nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001 (Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen) geschwärzt.
Die genauen Gründe hierfür werden im Folgenden dargelegt.
Es sei darauf hingewiesen, dass das beantragte Dokument Prüffeststellungen enthält, die
weit über die Frage der Umsetzung der Agrarzahlungen für Weideflächen hinausgehen.
Die übrigen Teile des genannten Dokuments fallen nicht in den Anwendungsbereich
Ihres ursprünglichen Antrags Gestdem 2019/782 und wurden geschwärzt.
Bitte beachten Sie auch, dass die im Dokument enthaltenen Prüffeststellungen einen
Ausgangspunkt für ein Konformitätsabschlussverfahren darstellen und als solche nicht
den endgültigen Standpunkt der Dienststellen der Kommission enthalten, der erst nach
Abschluss eines kontradiktorischen Verfahrens mit den Behörden des betreffenden
Mitgliedstaats festgelegt wird.
Sie können die beantragten Dokumente der Europäischen Kommission unter Angabe der
Quelle kostenfrei für nichtgewerbliche und gewerbliche Zwecke nutzen, sofern die
ursprüngliche Aussage oder Botschaft der Dokumente unverzerrt dargestellt wird. Die
Europäische Kommission haftet für keinerlei Folgen der Wiederverwendung.
2.1 Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen
Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) 1049/2001 verpflichtet die Organe,
„den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung […] der Schutz der
Privatsphäre
und
der
Integrität
des
Einzelnen,
insbesondere
gemäß
den
Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten,
beeinträchtigt würde“, zu verweigern.
Der Gerichtshof hat in seinem Urteil in der Rechtssache C-28/08 P
(Bavarian Lager)5
entschieden‚ dass bei einem Antrag auf Einsicht in Dokumente, die personenbezogene
Daten enthalten, die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und
zum freien Datenverkehr6 (im Folgenden „Verordnung (EG) Nr. 45/2001“) in vollem
Umfang anwendbar wird.
5
Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2010,
Europäische Kommission/The Bavarian Lager Co. Ltd C-
28/08 P EU:C:2010:378, Rn. 59 (im Folgenden ‚
Bavarian Lager’).
6
Amtsblatt L 8 vom 12.1.2001, S. 1.
3
Bitte beachten Sie, dass die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 mit Wirkung vom
11. Dezember 2018 durch die Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen
Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG)
Nr. 45/2001 aufgehoben wurde.7
Für die Auslegung der Verordnung (EU) 2018/1725 ist jedoch nach wie vor die
Rechtsprechung zu der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 maßgeblich.
Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 sind
personenbezogene Daten
„alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person
[…] beziehen“.
Das beantragte Dokument enthält die Namen und Kontaktdaten (Telefonnummern und E-
Mail-Adressen) sowie die handschriftliche Unterschrift von Bediensteten der
Europäischen Kommission, die keine Führungsposition innehaben. Sie umfassen auch
die Namen von Dritten (Mitarbeiter des österreichischen Ministeriums und der Ständigen
Vertretung Österreichs bei der EU). Diese Informationen stellen eindeutig
personenbezogene Daten im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung
(EU) 2018/1725 und im Sinne des Urteils in der Rechtssache
Bavarian Lager dar8.
Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2018/1725 „werden
personenbezogene Daten an in der Union niedergelassene Empfänger, die nicht Organe
oder Einrichtungen der Union sind, nur übermittelt, wenn […] der Empfänger nachweist,
dass die Übermittlung der Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse
liegenden Zweck erforderlich ist, und der Verantwortliche in Fällen, in denen Gründe für
die Annahme vorliegen, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person
beeinträchtigt werden könnten, nachweist, dass die Übermittlung der personenbezogenen
Daten für diesen Zweck verhältnismäßig ist, nachdem er die unterschiedlichen
widerstreitenden Interessen nachweislich gegeneinander abgewogen hat“.
Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und die Verarbeitung im Sinne des
Artikels 5 der Verordnung (EU) 2018/1725 rechtmäßig ist, dürfen personenbezogene
Daten übermittelt werden.
Der Gerichtshof hat in der Rechtssache C-615/13 P (
ClientEarth), entschieden, dass das
Organ die Notwendigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten nicht selbst prüfen
muss9. Dies ergibt sich auch aus Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU)
2018/1725, wonach die Notwendigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten vom
Empfänger nachzuweisen ist.
7
ABl. L 205 vom 21.11.2018, S. 39.
8
Bavarian Lager, a.a.O., Rn. 70.
9
Urteil
des
Gerichtshofs
vom
16. Juli
2015,
ClientEarth/Europäische
Behörde
für
Lebensmittelsicherheit, C-615/13 P, ECLI: EU:C:2015:489, Rn. 47.
4
Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2018/1725 muss die
Europäische Kommission die weiteren Voraussetzungen für die rechtmäßige
Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann prüfen, wenn die erste Voraussetzung
erfüllt ist, d. h. wenn der Empfänger nachgewiesen hat, dass die Übermittlung der Daten
für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich ist. Nur in
diesem Fall muss die Europäische Kommission prüfen, ob ein Grund für die Annahme
vorliegt, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden
könnten, und falls dem so ist, die Verhältnismäßigkeit der Übermittlung der
personenbezogenen Daten für diesen Zweck nachweisen, nachdem sie die
unterschiedlichen widerstreitenden Interessen nachweislich gegeneinander abgewogen
hat.
In Ihrem Antrag haben Sie keine Argumente vorgebracht, die belegen, dass die
Übermittlung der Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck
erforderlich ist. Daher muss die Europäische Kommission nicht prüfen, ob Grund zu der
Annahme besteht, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt
werden könnten.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass das Recht auf Schutz der
Privatsphäre als ein Grundrecht in der Charta der Grundrechte anerkannt wird, ebenso
wie die Transparenz der Prozesse innerhalb der Organe der EU. Der Gesetzgeber hat
keinem dieser beiden Rechte Vorrang vor dem anderen eingeräumt, wie in der
angeführten Rechtsprechung in der Rechtssache
Bavarian Lager bestätigt wird10.
Auf der Grundlage der mir zur Verfügung stehenden Informationen stelle ich fest, dass
die Gefahr besteht, dass die Offenlegung der Namen der in dem beantragten Dokument
aufgeführten Personen die berechtigten Interessen der betroffenen Dritten beeinträchtigen
würde.
Da es sich bei den handschriftlichen Unterschriften um biometrische Daten handelt,
besteht die Gefahr, dass ihre Offenlegung die berechtigten Interessen der betroffenen
Personen beeinträchtigen würde.
Daher gelange ich zu dem Schluss, dass nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 und Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung
(EU) 2018/1725 kein Zugang zu den personenbezogenen Daten gewährt werden kann, da
nicht nachgewiesen wurde, dass der Zugang für einen im öffentlichen Interesse liegenden
Zweck erforderlich ist, und es keinen Grund zu der Annahme gibt, dass die berechtigten
Interessen der betroffenen Personen durch die Offenlegung der betreffenden
personenbezogenen Daten nicht beeinträchtigt würden.
10
Bavarian Lager, a.a.O., Rn. 56.
5