Ref. Ares(2021)352218 - 15/01/2021
EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, 26.11.2019
C(2019) 8685 final
Open Knowledge Foundation e.V.
Singerstrasse 109
10179 Berlin
DEUTSCHLAND
BESCHLUSS DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION NACH ARTIKEL 4 DER
DURCHFÜHRUNGSVORSCHRIFTEN ZU DER VERORDNUNG (EG) NR. 1049/20011
Betr.:
Ihr Zweitantrag auf Dokumentenzugang nach der Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001 - GESTDEM 2019/4151
Sehr geehrte
,
ich nehme Bezug auf Ihre E-Mail vom 11. August 2019, die am 12. August 2019 bei uns
registriert wurde und in der Sie nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen
Parlaments, des Rates und der Kommission2 (nachfolgend „Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001“) einen Zweitantrag auf Akteneinsicht stellen.
1.
GEGENSTAND IHRES ANTRAGS
In Ihrem Erstantrag vom 17. Juli 2019 an die Generaldirektion Humanressourcen und
Sicherheit ersuchten Sie um Zugang zu „Dokumenten, die folgende Informationen
enthalten:
1) dem Vertrag mit
zu ihrer Position als Sonderberaterin;
2) sämtlicher interner Kommunikation zur Vorbereitung des Vertragsabschlusses.“.
Unter diesen Antrag fallen nach Erkenntnis der Kommission die folgenden Dokumente:
Beschluss der Kommission über die Rechtsstellung des Kandidaten für das
Amt des Präsidenten/gewählten Präsidenten und die designierten
1 ABl. L 345 vom 29.12.2001, S. 94.
2 ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.
Commission européenne, 1049 Bruxelles/Europese Commissie, 1049 Brussel − BELGIQUE/BELGIË. Tel.: +32 229-91111.
Kommissionsmitglieder vom 18. Juni 2019, Ref. C (2019) 5110 final (im
Folgenden „Dokument 1“), das folgenden Anhang enthält:
Anhang zum Beschluss der Kommission über die Rechtsstellung
des Kandidaten für das Amt des Präsidenten/gewählten Präsidenten
und die designierten Kommissionsmitglieder vom 18. Juni 2019,
Ref. C (2019) 5110 final (im Folgenden „Dokument 1.1“) und
Arbeitsvertrag zwischen der Europäischen Kommission und
,
mit Wirkung vom 2. Juli 2019, Aktenzeichen Ares (2019)
5128434 (im Folgenden „Dokument 2“, im Folgenden werden die
Dokumente 1, 1.1 und 2 zusammen als „angeforderte Dokumente“
bezeichnet).
In ihrem Erstbescheid vom 7. August 2019 gewährte die Generaldirektion
Humanressourcen und Sicherheit Zugang zu allen angeforderten Dokumenten,
vorbehaltlich der Schwärzungen auf der Grundlage der Ausnahmen nach Artikel 4
Absatz 1 Buchstabe b (Schutz der Privatsphäre und Integrität des Einzelnen) der
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001.
In Ihrem Zweitantrag ersuchen Sie nun um Überprüfung des Erstbescheids. Sie führen
an, dass Sie „sämtliche interne Kommunikation der Kommission in Bezug auf die
Erstellung des Vertrags mit
angefragt [haben]. Es wurde mir kein
solches Dokument zugestellt. Es ist nicht vorstellbar - und wäre tatsächlich
problematisch -, dass tatsächlich keine interne Kommunikation zu diesem Vorgang
existiert.“
2.
PRÜFUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN IM RAHMEN DER VERORDNUNG (EG)
NR. 1049/2001
Bei der Prüfung eines nach der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 gestellten Zweitantrags
auf Dokumentenzugang überprüft das Generalsekretariat den Erstbescheid der
betreffenden Generaldirektion.
Was die angeforderten Dokumente vorbehaltlich der geschwärzten Teile zu den
personenbezogenen Daten angeht, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass wir den mit
Verweis auf die Ausnahmen des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b (Schutz der
Privatsphäre und Integrität des Einzelnen) der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001
ergangenen ablehnenden Erstbescheid der Generaldirektion Humanressourcen und
Sicherheit aus den nachstehenden Gründen bestätigen müssen.
2.1. Privatsphäre und Integrität des Einzelnen
Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) 1049/2001 verpflichtet die Organe,
„den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung […] der Schutz der
Privatsphäre
und
der
Integrität
des
Einzelnen,
insbesondere
gemäß
den
2
Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten,
beeinträchtigt würde“, zu verweigern.
Der Gerichtshof hat in seinem Urteil in der Rechtssache C-28/08 P
(Bavarian Lager)3,
entschieden‚ dass bei einem Antrag auf Einsicht in Dokumente, die personenbezogene
Daten enthalten, die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und
zum freien Datenverkehr4 (im Folgenden „Verordnung (EG) Nr. 45/2001“) in vollem
Umfang anwendbar wird.
Bitte beachten Sie, dass die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 durch die Verordnung (EU)
2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die
Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und
zur
Aufhebung
der
Verordnung
(EG)
Nr. 45/2001
und
des
Beschlusses
Nr. 1247/2002/EG5 (im Folgenden „Verordnung (EU) 2018/1725“) mit Wirkung vom
11. Dezember 2018 aufgehoben wurde.
Für die Auslegung der Verordnung (EU) 2018/1725 ist jedoch nach wie vor die
Rechtsprechung zu der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 maßgeblich.
In dem oben genannten Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass Artikel 4 Absatz 1
Buchstabe b
der
Verordnung
(EG)
Nr. 1049/2001
„verlangt, dass etwaige
Beeinträchtigungen der Privatsphäre oder der Integrität des Einzelnen stets anhand der
Unionsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten, insbesondere der […]
[Datenschutzverordnung] geprüft und beurteilt werden.“6
Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 sind
personenbezogene Daten
„alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person
[…] beziehen“.
In der Rechtssache C-465/00 (
Rechnungshof) hat der Gerichtshof bestätigt, „dass es
grundsätzlich nicht in Betracht kommt, berufliche Tätigkeiten […] vom Begriff des
Privatlebens auszunehmen“.7
Das angeforderte Dokument enthält die handschriftliche Unterschrift der
und des für
. Bei den Vor- und
Familiennamen, Kontaktdaten, handschriftlichen Unterschriften der Personen und
3 Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2010,
Europäische Kommission/ The Bavarian Lager Co. Ltd (im
Folgenden Urteil
„Europäische Kommission/ The Bavarian Lager“) C-28/08 P, EU:C:2010:378,
Rn. 59.
4 ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.
5 ABl. L 205 vom 21.11.2018, S. 39.
6
Europäische Kommission/ The Bavarian Lager Urteil s. o.,
Rn. 59.
7 Urteil des Gerichtshofs vom 20. Mai 2003,
Rechnungshof u.a./ Österreichischer Rundfunk,
verbundene Rechtssachen C-465/00, C-138/01 und C-139/01, EU:C:2003:294, Rn. 73.
3
anderen Daten, aus denen die Identität dieser Personen abgeleitet werden kann, handelt
es sich eindeutig um personenbezogene Daten im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der
Verordnung (EU) 2018/1725. Bitte beachten Sie, dass handschriftliche Notizen und
Unterschriften grundsätzlich geschützt sind und standardmäßig geschwärzt werden.
Nach
Artikel 9
Absatz 1
Buchstabe b
der
Verordnung
2018/1725
dürfen
„personenbezogene Daten an in der Union niedergelassene Empfänger, die nicht Organe
oder Einrichtungen der Union sind, nur übermittelt [werden], wenn ... der Empfänger
nachweist, dass die Übermittlung der Daten für einen bestimmten, im öffentlichen
Interesse liegenden Zweck erforderlich ist, und der Verantwortliche in Fällen, in denen
Gründe für die Annahme vorliegen, dass die berechtigten Interessen der betroffenen
Person beeinträchtigt werden könnten, nachweist, dass die Übermittlung der
personenbezogenen Daten für diesen Zweck verhältnismäßig ist, nachdem er die
unterschiedlichen widerstreitenden Interessen nachweislich gegeneinander abgewogen
hat.“
Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und die Verarbeitung im Sinne des
Artikels 5
der
Verordnung
(EU)
2018/1725
rechtmäßig
ist,
dürfen
die
personenbezogenen Daten übermittelt werden.
Der Gerichtshof hat in der Rechtssache C-615/13 P (ClientEarth) entschieden, dass das
Organ die Notwendigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten nicht selbst prüfen
muss.8 Dies ergibt sich auch aus Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU)
2018/1725, wonach die Notwendigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten vom
Empfänger nachzuweisen ist.
Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2018/1725 muss die
Europäische Kommission die weiteren Voraussetzungen für die rechtmäßige
Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann prüfen, wenn die erste Voraussetzung
erfüllt ist, d. h. wenn der Empfänger nachgewiesen hat, dass die Übermittlung der Daten
für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich ist.
Nur in diesem Fall prüft die Europäische Kommission, ob Grund zu der Annahme
besteht, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden
könnten, und stellt gegebenenfalls die Verhältnismäßigkeit der Übermittlung der
personenbezogenen Daten für diesen bestimmten Zweck fest, nachdem die
widerstreitenden Interessen nachweislich abgewogen wurden.
In Ihrem Antrag haben Sie keine Argumente vorgebracht, die belegen, dass die
Übermittlung der Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck
erforderlich ist. Daher braucht die Europäische Kommission nicht zu prüfen, ob Grund
zu der Annahme besteht, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person
beeinträchtigt werden könnten.
8 Urteil
des
Gerichtshofs
vom
16. Juli
2015
ClientEarth/Europäische
Behörde
für
Lebensmittelsicherheit, C-615/13 P, EU:C:2015:489, Rn. 47.
4
Dessen ungeachtet weisen wir darauf hin, dass Grund zu der Annahme besteht, dass die
berechtigten Interessen der betroffenen Person durch Offenlegung der in den
Dokumenten enthaltenen personenbezogenen Daten beeinträchtigt würden, da ein echtes
und nicht hypothetisches Risiko besteht, dass eine solche Offenlegung ihrer Privatsphäre
schaden würde. Außerdem besteht die Gefahr der Fälschung, wenn die handschriftliche
Unterschrift öffentlich bekannt gemacht wird.
Daher gelange ich zu dem Schluss, dass nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 kein Zugang zu der handschriftlichen Unterschrift
gewährt werden kann, da nicht nachgewiesen wurde, dass der Zugang für einen im
öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich ist, und es keine Gründe zu der
Annahme gibt, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person durch die
Offenlegung der betreffenden personenbezogenen Daten nicht beeinträchtigt würden.
2.2. Zur Existenz weiterer relevanter Dokumente
Ihrer Meinung nach sollten im Zusammenhang mit Dokument 2 zusätzliche interne
Mitteilungen vorliegen. Die Europäische Kommission hat diesbezüglich eine erneute
sorgfältige Untersuchung nach durchgeführt. Infolgedessen bestätige ich, dass die
Europäische Kommission keine zusätzlichen Dokumente, die in den Geltungsbereich
Ihres Antrags fallen, aufbewahrt hat.
Frühere Fassungen von Dokument 2 wurden entweder nicht aufbewahrt oder
überschrieben.
Folglich wurden frühere Fassungen von Dokument 2 nicht aufbewahrt, da es sich um
kurzlebige Dokumente im Sinne des Artikels 4 der Bestimmungen der Europäischen
Kommission zur Dokumentenverwaltung handelt.9
Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bestätigte, kann die Verordnung (EG) Nr.
1049/2001 ein Organ nicht verpflichten, Zugang zu einem Dokument zu gewähren, über
das es nicht mehr verfügt.10
Abschließend möchte ich betonen, dass die Ausarbeitung des Vertrags eine unmittelbare
Umsetzung des Kommissionsbeschlusses vom 18. Juni 2019 (C (2019) 5110) darstellt.
3.
ÜBERWIEGENDES ÖFFENTLICHES INTERESSE AN DER FREIGABE
Ich weise Sie darauf hin, dass Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001 nicht die Möglichkeit vorsieht, gegen die darin genannten
Ausnahmeregelungen ein überwiegendes öffentliches Interesse geltend zu machen.
9 Anhang des Beschlusses 2002/47/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 23. Januar 2002 zur
Änderung ihrer Geschäftsordnung, ABl. L 21 vom L 21 vom 24.1.2002, S. 23.
10 Urteil des Gerichts vom 26. April 2016,
Strack/ Kommission, T-221/08, EU:T:2016:242, Rn. 66.
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