Ref. Ares(2024)4571796 - 25/06/2024
EUROPÄISCHE KOMMISSION
GENERALDIREKTION MOBILITÄT UND VERKEHR
Die Generaldirektorin
Brüssel
MOVE/
Herrn Christian Volmering
Auf dem Backenberg 7
D - 44801 Bochum
Germany
Email:
ask+request-14534-
xxxxxxxx@xxxxxxxx.xxx
Betr.:
Ihr Antrag auf Zugang zu Dokumenten – EASE 2024/2334
Sehr geehrter Herr Volmering,
Wir nehmen Bezug auf Ihren Antrag auf Übermittlung von Dokumenten der Europäischen
Kommission, der am 15. Mai 2024 unter dem oben genannten Aktenzeichen registriert
wurde.
Sie beantragen Zugang zu den Normen NF S 61-112 (Juni 2019) und DIN 14811 (Januar
2008), wobei die Anforderungen von Abschnitt 5.3 ausgenommen sind.
Nach Prüfung der angeforderten Dokumente gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001
über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des
Rates und der Kommission1 (im Folgenden „Verordnung (EG) Nr. 1049/2001“) muss ich
Ihnen leider mitteilen, dass Ihrem Antrag nicht stattgegeben werden kann, da die
Ausnahmeregelung nach Artikel 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG)
Nr. 1049/2001 einer Offenlegung entgegensteht.
In Artikel 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 heißt es:
„
Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung
Folgendes beeinträchtigt würde: - der Schutz der geschäftlichen Interessen einer
natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, […] es sei
denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.
(1) Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über
den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der
Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43).
Commission européenne/Europese Commissie, 1049 Bruxelles/Brussel, BELGIQUE/BELGIË – Tel. +32 22991111
Die Verbreitung der angeforderten Dokumente würde den Schutz der geschäftlichen
Interessen der beiden betroffenen nationalen Normungsorganisationen beeinträchtigen,
nämlich in Bezug auf ihr geistiges Eigentum und ihr Urheberrecht.
Zwar enthalten die fraglichen Dokumente Informationen, die als tatsachen- oder
verfahrensbezogen betrachtet werden können, doch wurden die Texte von ihren Verfassern
in einer Weise verfasst, die hinreichend kreativ ist, um urheberrechtlich geschützt zu
werden. Die Länge der Texte bedeutet, dass die Autoren eine Reihe von Entscheidungen
treffen mussten (u. a. bei der Strukturierung der Dokumente), was dazu führt, dass die
Dokumente urheberrechtlich geschützt2 sind. Folglich handelt es sich bei den Dokumenten
in ihrer Gesamtheit um urheberrechtlich geschützte schöpferische Leistungen.
Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass Dokumente, die gemäß der Verordnung
(EG) Nr. 1049/2001 freigegeben werden, rechtlich zu öffentlichen Dokumenten werden.
Ein Dokument, das gemäß eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten freigegeben wurde,
müsste nämlich jedem anderen Antragsteller zur Verfügung gestellt werden, der darum
ersucht. Auf dieser Grundlage sind die Auswirkungen der Offenlegung der in den
angeforderten Dokumenten enthaltenen Normen auf die geschäftlichen Interessen der
Beteiligten offensichtlich.
Die Ausnahme nach Artikel 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr.
1049/2001 gilt daher für die von Ihnen beantragten Dokumente.
Wir haben geprüft, ob ein teilweiser Zugang zu den angeforderten Dokumenten gemäß
Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 gewährt werden kann. Angesichts
der Art und Struktur der Dokumente wäre jedoch kein sinnvoller teilweiser Zugang
möglich, ohne den oben beschriebenen Schutz der öffentlichen Interessen zu
beeinträchtigen. Wir sind daher zu dem Schluss gekommen, dass es nicht möglich ist, einen
teilweisen Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu gewähren.
Die Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001
finden Anwendung, sofern kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Freigabe der
Dokumente besteht.
In dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-588/21 P (3), auf das Sie in Ihrem
Antrag ausdrücklich Bezug nehmen, wird festgestellt, dass ein überwiegendes öffentliches
Interesse an der Verbreitung harmonisierter Normen in folgenden Fällen besteht:
(i)
ihre Fundstellen werden im Amtsblatt veröffentlicht, wodurch sie aufgrund
ihrer Rechtswirkung Teil des EU-Rechts4 sind.
(2) Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2009, Infopaq
International, C-5/08, ECLI:EU:C:2009:465, und
Urteil des Gerichtshofs vom 1. Dezember 2011, Painer, C-145/10,
ECLI: EU:C:2011:798.
(3) Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 5. März 2024 in der Rechtssache C-588/21 P,
Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission u. a., ECLI:EU:C:2024:201, Rn. 70-85.
(4) Urteil vom 27. Oktober 2016,
James Elliott Construction, C-613/14, EU:C:2016:821, Rn. 40; Urteil
vom 22. Februar 2022,
Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C-160/20, EU:C:2022:101, Rn. 48.
2
(ii)
die Kommission spielt bei ihrer Ausarbeitung gemäß des Verfahrens der
Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 zur europäischen Normung eine zentrale5
Rolle; und
(iii) für Produkte, die diesen Normen entsprechen, gilt die Vermutung der
Konformität mit den sie betreffenden grundlegenden Anforderungen der
einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union, selbst wenn die
Verordnung Nr. 1025/2012 in ihrem Art. 2 Abs. 1 vorsieht, dass die
Einhaltung harmonisierter Normen nicht zwingend vorgeschrieben ist.
Nach Auffassung des Gerichtshofs können in einer harmonisierten Norm die Rechte des
Einzelnen sowie seine Pflichten festgelegt werden, und diese Spezifikationen können
erforderlich sein, um zu überprüfen, ob ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte
Dienstleistung tatsächlich den Anforderungen dieser Rechtsvorschriften6 entspricht.
In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in der Rechtssache C-588/21 P Folgendes
entschieden:
„Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass an der Verbreitung der
angeforderten harmonisierten Normen ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne
von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 besteht.“(7)
Wir nehmen jedoch zur Kenntnis, dass es grundlegende Unterschiede zwischen der
Rechtssache C-588/21 P, die Sie in Ihrem Antrag anführen, und dem vorliegenden Fall
gibt.
Die Rechtssache C-588/21 P betraf harmonisierte Normen, und der Gerichtshof stellte fest,
dass die Kommission eine zentrale Rolle im europäischen Normungssystem spielt. Bei den
Normen NF S 61-112 und DIN 14811, zu denen Sie Zugang beantragen, handelt es sich
jedoch
nicht um harmonisierte europäische Normen, sondern um nationale Normen, die
unabhängig und ohne Beteiligung der Kommission an ihrem Entwicklungsprozess
entwickelt wurden. Wir geben ferner zu Bedenken, dass sich Ihr Antrag auf Waren bezieht,
die für den professionellen Gebrauch bestimmt sind, während sich die Rechtssache C-
588/21 P auf durch den Endverbraucher genutzte Güter bezog.
Es sei auch darauf hingewiesen, dass die beiden nationalen Normungsgremien
interessierten Parteien Zugang zu den amtlichen und verbindlichen Fassungen der in der
Delegierten Verordnung (EU) 2024/1295 der Kommission8 zitierten Normen gewähren
können, auf die Sie in Ihrem Antrag ebenfalls Bezug nehmen. DIN z. B. unterhält ein
Netzwerk von Normen-Infopoints, bei denen Interessierte Normen kostenlos einsehen
können und in Frankreich sieht Artikel 17 des Dekrets Nr. 2009-697 vor, dass verbindliche
Normen kostenlos auf der Website von AFNOR eingesehen werden können. In diesem
Zusammenhang stellen wir auch fest, dass die Delegierte Verordnung (EU) 2024/1295 der
(5) Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur
europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie
der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG,
2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des
Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates. (ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 12)
(6)
Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission u. a., Randnr. 82.
(7)
Ebd., Rn. 85.
(8) Delegierte Verordnung (EU) 2024/1295 der Kommission vom 26. Februar 2024 über harmonisierte
technische Spezifikationen und Prüfnormen für Feuerlöschschläuche (ABl. L vom 6.5.2024, S. 12).
3
Kommission im Einklang mit Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 2014/90/EU9 ausgearbeitet
wurde und dass die in der Delegierten Verordnung genannten Normen erst dann
verbindlich werden, wenn ein neuer, gemäß Artikel 35 Absatz 2 der genannten Richtlinie
erlassener Durchführungsrechtsakt rechtskräftig wird, was noch nicht der Fall war.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen sind wir der Auffassung, dass im
vorliegenden Fall kein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, das schwerer wiegt
als das Interesse am Schutz der geschäftlichen Interessen (einschließlich des
Urheberrechts), die unter die Ausnahme nach Artikel 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich der
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 fallen.
Gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 können Sie einen
Zweitantrag stellen, in dem Sie die Kommission um Überprüfung dieses Standpunkts
ersuchen.
Ein solcher Zweitantrag ist innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Erhalt dieses Schreibens
an das Generalsekretariat der Kommission zu richten. Sie können ihn
per Post an:
Europäische Kommission
Das Generalsekretariat
Transparenz, Dokumentenmanagement &
Zugang zu Dokumenten (SG.C.1)
BERL 7/076
B-1049 Brüssel
oder
per E-Mail an: xxxxxxxxxx@xx.xxxxxx.xx
einreichen.
Mit freundlichen Grüßen
PP Maja BAKRAN MARCICH
Magda KOPCZYŃSKA
Generaldirektorin
(9) Richtlinie 2014/90/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über
Schiffsausrüstung und zur Aufhebung der Richtlinie 96/98/EG des Rates (ABl. L 257 vom 28.8.2014,
S. 146).
4
Elektronisch unterzeichnet am 25/06/2024 13:16 (UTC+02) ) gemäß Artikel 11 des Beschlusses (EU) 2021/2121 der Kommission